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Felchen in der Klimakrise

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Felchen waren einmal der Brotfisch der Bodenseefischer. In den letzten Jahren ist der Bestand stark zurückgegangen. Bilder: FFS
Felchen waren einmal der Brotfisch der Bodenseefischer. In den letzten Jahren ist der Bestand stark zurückgegangen. Bilder: FFS

Der Felchenbestand im Bodensee-Obersee brach in den letzten Jahren dramatisch ein. Unter anderem um die natürliche Reproduktion wieder anzukurbeln, ist die Felchenfischerei in diesem Seeteil deshalb für drei Jahre eingestellt. Mit immer neuen Temperaturrekorden sorgt die Klimakrise nun aber für neue Sorgenfalten.   

Denn im tiefen Wasser, wo sich die Eier der Blaufelchen entwickeln und die Larven schlüpfen, überschreiten die Wassertemperaturen bereits heute Werte, die ursprünglich erst für das Jahr 2040 prognostiziert wurden. Auch im Flachwasser, wo die Gangfische laichen, ist es heute rund ein Grad wärmer als üblich. Ist diese Erwärmung für die Larven der Kälte-liebenden Felchen möglichweise schon zu viel?

Um dieser Frage nachzugehen, wurde im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes von der Fischereiforschungsstelle aus Langenargen und der Universität Konstanz der Einfluss der Wassertemperatur auf die Eientwicklung und die frühe Larvalphase der Felchen untersucht. Zu diesem Zweck wurden die Eier und Larven von Blaufelchen und Gangfischen bei drei verschiedenen Wassertemperaturen aufgezogen, die sowohl die natürliche Temperatur, als auch durch die Klimakrise erwärmte Bedingungen nachahmten.

Felcheneier mit schon ausgeprägten Augenpunkten.
Felcheneier mit schon ausgeprägten Augenpunkten.

Frühstart durch zu warmes Wasser

Die Resultate geben wenig Anlass zur Entwarnung. Erwartungsgemäß schlüpfen Felchenlarven bei höheren Temperaturen deutlich früher, also nicht wie üblich im Februar, sondern vielleicht schon Ende Januar. Dieser „Frühstart“ kann sich als problematisch erweisen, weil zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch nicht ausreichend Futterorganismen vorhanden sind. Außerdem stieg die Sterblichkeit der Eier, denn je wärmer das Wasser, desto stärker ist ihr Befall mit Mikroorganismen. Für die Larven, die dennoch erfolgreich schlüpfen, geht der Überlebenskampf weiter. Hierbei hilft ihnen normalerweise ein kleiner eingebauter Nahrungsvorrat, der sogenannte Dottersack. Doch bei höheren Temperaturen verbraucht sich dieser überproportional schnell – was wiederum die Überlebenswahrscheinlichkeit verringert.

Hilfestellung bei der Anpassung

Was wird also aus den Felchen im immer wärmer werdenden Bodensee? Fische können sich innerhalb gewisser Grenzen an neue Umweltbedingungen anpassen. Allerdings erfolgen die durch die Klimakrise verursachten Veränderungen aus erdgeschichtlicher Sicht derart schnell, dass die natürliche Anpassungsfähigkeit oft nicht Schritt halten kann. Umso wichtiger ist es, dass der Mensch unter diesen Bedingungen Hilfestellungen gibt, um eine natürliche Anpassung soweit wie möglich zu begünstigen. Im Fall der Felchen wird dies durch die gezielte Aufzucht von größeren Besatzlarven versucht, die die kritischen ersten Lebenswochen behütet und kühl in der Zucht „überspringen“ und anschließend auch kürzere Hungerphasen vielleicht besser überstehen. Erholt sich dank dieser Maßnahme sowie der fischereilichen Schonung der Felchenbestand, wäre das ein bedeutender Schritt in Richtung Klimaanpassung des Bodensees. Denn die Felchen sind nicht nur ein Wahrzeichen der Bodenseeregion und eine geschätzte Delikatesse: Als Leitart des Freiwassers sind sie gleichzeitig von immenser Bedeutung für das Funktionieren und die Widerstandsfähigkeit des gesamten Ökosystems.

Studie: Barnaby John Roberts, Christoph Chucholl, Alexander Brinker: Coldwater, stenothermic fish seem bound to suffer under the spectre of future warming, Journal of Great Lakes Research, Volume 50, Issue 3, 2024. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S038013302400090X

-Pressemitteilung Fischereiforschungsstelle des Landwirtschaftlichen Zentrums Baden-Württemberg (LAZBW)-

Frisch geschlüpfte Felchen-Larven mit prallen Dottersäcken.
Frisch geschlüpfte Felchen-Larven mit prallen Dottersäcken, die den Jungfischen in den ersten Tagen als Nahrung dienen.

NABU: Neue Studie entlastet Kormoran als Hauptverdächtigen

Die neue Studie der Fischereiforschungsstelle Langenargen und der Universität Konstanz entlastet den Kormoran. Er galt vielen als Hauptverdächtiger beim Bestandsrückgang der Felchen im Bodensee.

Die Studie zeigt nun: Die zunehmende Erwärmung des Sees infolge des Klimawandels ist der größte Feind der Fischerei am Bodensee. Dazu kommt das saubere Wasser: Weil nicht mehr ungehindert Fäkalien in den See fließen, wird der Bodensee immer nährstoffärmer und der Felchen hat weniger Nahrung. Invasive Arten wie die Quagga-Muschel filtern das Wasser zusätzlich und machen es nährstoffärmer. Auch der invasive Stichling bedroht die Felchen, weil er seine Larven frisst. Dazu sagt der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle: „Alle, die in der Politik derzeit so lautstark den Kormoran zum Übeltäter erklären und mit ihm den Untergang der Bodenseefischerei verbinden wollen, sollten damit eines Besseren belehrt sein. Statt mit populistischen Parolen den massenweisen Abschuss von Kormoranen zu fordern, täten sie gut daran, mit der gleichen Lautstärke und Tatkraft für mehr Klimaschutz einzutreten.“

-Pressestatement NABU-

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