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Die Geschichte vom Deppen

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Die Geschichte vom Deppen

05.04.2016 18:12 von Matze Koch

Deppenhaufen

Den Duft von Hundehaufen kann man verstärken, indem man die Oberfläche gezielt vergrößert

Der ewige Depp

 

 

 

„Unsinn!“ redet Ricki mir ein, „du bist einfach nur zu dämlich das Ding richtig auszuschalten!“

 

Ricki ist mein Angelgerätehändler und ich habe bei ihm vor einigen Tagen einen nicht ganz billigen elektronischen Bißanzeiger erstanden.

 

„Der läßt sich einfach nicht abschalten.“ beschwere ich mich, „der piept, wann immer er in Bewegung ist und sei es im Rucksack.“

 

„Quatsch“, belehrt er mich ungehalten, „man muss nur dies Plastikteil unter das Rädchen schieben, dann ist es blockiert und schon ist das Gerät ausgeschaltet.“

 

Ja, ich muss einfach wirklich zu dämlich sein. Warum bin nur ich allein so ein Depp? Da hätte ich auch drauf kommen können. Komischerweise habe ich genau das getan, aber es piepte trotzdem weiter. Doch ich traue mich nicht das zuzugeben.

 

Einige Wochen später, haben Ricki und ich uns verabredet. Wir wollen erstmals eine Angeltour miteinander machen. Schwer bepackt stapfen wir mit unseren dicken Rutentaschen, Eimern, Stühlen, Verpflegung und den elektronischen Bissanzeigern in früher Morgendämmerung durch die Nebelschwaden Richtung Wasser. Er verwendet die gleichen Pieper wie ich. Das hatte er mir schon beim Kauf versichert. Die gleichen, bei denen ich Vollhorst es noch immer nicht fertig gebracht habe sie auszuschalten. Nun geht er vor mir her. Der große Angelmentor. Mit großen, sicheren Schritten zeigt er mir, wo es lang geht. Er, der zuverlässige Gerätehändler. Der Freund und Kumpel. Der Herrscher der Bissanzeiger.

 

 

„Piep, Piep, Piep, Piep, Piep, Piep…..” tönt es bei jedem seiner kernigen Schritte aus seiner Tasche, in der die besagten Pieper liegen. Das sollten sie eigentlich jetzt noch nicht tun. Läuft da etwa ein zweiter Depp vor mir her? Ich kichere stumm in mich hinein. Aber wohl doch nicht so stumm, dass es ihm entgangen wäre.

„Was ist?“ raunt er grimmig.

„Och, nichts!“ kichere ich nur zurück „rein gar nichts! Piep, äh.. lauf nur weiter!“

 

Schade. Momente dieser Art, die zeigen, daß man doch nicht der einzige Depp auf der Welt ist, sind selten. Aber obwohl es hier ganz offensichtlich nur einen Deppen gibt, nämlich den Hersteller der Pieper, gebe ich meiner eigenen Unzulänglichkeit die Schuld.

 

Aber es ist nicht nur der Pieper oder die hoffnungslos vergriesgnaddelte Angelschnur, es ist nicht nur die nasse Hose, als ich mich beim Anfüttern in dem Irrglauben befand Watstiefel anzuhaben, es aber nur die Gummistiefel waren. Nein, das ist auch der Reißverschluß des Schlafsackes, denn ich mir direkt auf die Klamotten getackert habe, so daß ich beim Biß mitten in der Nacht mein blaues Wunder erlebe, weil ich mich auch mit bestem Willen nicht aus eigener Kraft befreien kann, während der Fisch die halbe Spule leerfegt. Auch das Hemd auszuziehen wird unmöglich, weil die Knöpfe wegen der Reißverschlussbarriere ebenfalls unerreichbar sind. Der Delkim schlägt Daueralarm, die Spule leert sich, und ich bin gefangen im eigenen Bett. Eingekerkert für den Rest der Nacht, bis sich der nächste Spaziergänger erbarmt die Feuerwehr oder die türkische Änderungsschneiderin zu rufen.

 

 

Bevor die Vision Wirklichkeit wird, hüpfe ich im Schlafsack an die Rute, setze den Anschlag, und dann stehe ich da, mitsamt dem Sack am Wasser, habe mühevoll die Hände freibekommen und drille einen Fisch wie ein vergreister Sackhüpfer, der von einem Kindergeburtstag entflohen ist. Hoffentlich sieht mich keiner. Mein Fisch schwimmt geradewegs ans Ufer – 50 Meter flußauf. Der Uferbewuchs verhindert jedes weitere Fortkommen des Fisches, und ich bin gezwungen mitsamt der ungewöhnlichen Bekleidung ins Wasser zu laufen, um den Fisch zu lösen. Das Tier entpuppt sich als achtpfündiger Kindskopf, meine Psyche als behandlungsbedürftig und der Schlafsack als nicht wasserdicht. Die Nacht ist gelaufen, und einmal mehr hat sich die Formel als richtig erwiesen: „Jawohl, ich bin der größte Depp auf Erden.“

 

 

Warum ist es nur immer der andere, dem immer alles tadellos gelingt? Ich scheine unbewußt alles, was mit Pleiten, Pech und Pannen zu tun hat, allein für mich zu beanspruchen. Habe sozusagen ein Patent darauf angemeldet, das Monopol gepachtet. Das wohl einzige Monopol mit dem sich kein Geld verdienen lässt.

 

So wie vor einigen Wochen, bei einem weiteren Karpfenansitz. Ich hänge meine Schnur vor dem Einholen der Montage in den Clip der Rolle, um den Spot erneut zentimetergenau anwerfen zu können. Keinen halben Meter vor der gegenüber liegenden Uferbefestigung, muss die Montage landen. Wichtig dabei ist natürlich, daß man beim Abwurf exakt auf dem gleichen Platz stehen bleibt, sonst geht die Rechnung nicht auf. Ich visiere also nach der Neubeköderung mein Ziel, die gegenüberliegende Uferbefestigung, an.

 

Keinen halben Meter vor der gegenüber liegenden Uferbefestigung, muss die Montage landen.

 

Die Schnur ist geclippt, die Montage scharf. Los geht’s. Aber, igitt, was müffelt hier plötzlich so penetrant? Mein Blick nach unten offenbart mir einen herrlich lavafarbenen Hundehaufen, dem ich mit meinen Stiefeln ein beeindruckendes Muster verliehen und zugleich auf die dreifache Größe gebracht habe. Nur so kann sich das Köter-Aroma vollends entfalten, indem man die Oberfläche vergrößert. Ich säubere meinen Stiefel im Kanalwasser, und trete einen großen Schritt vor. Dann werfe ich. Aber was zum Henker tue ich denn da? Ich hätte den Schnurclip neu fixieren müssen, sonst stimmt die Entfernung nicht mehr! Leider kommt mir dieser Gedanke erst, als die Flugbahn bereits unaufhaltsam der Physik gehorcht. „Frratsch!“ sagt es, und die Montage samt PVA Beutel und jeder Menge Boilies ist ein Futter für die Ratten hinter der hölzernden Uferbefestigung des anderen Ufers. Stumm vor Verwunderung stehe ich da am Ufer und fragt mich: „Quo vadis, Plumbum? Quo Vadis Hypophyse?“

 

Tja, und dann ist da noch der Tag, an dem ich, kaum eingeschlafen, einen Fallbiß bekomme. Der Adrenalinausstoß läuft auf Vollast, schnell aus dem Schlafsack, (dessen Reißverschluß ich neuerdings offen lasse), Schuhe an, Mütze über die Glatze und im Eilschritt geht’s ans Ufer, um den spannenden Drill eines Vierzigpfünders aufzunehmen. Nur leider gibt es nichts aufzunehmen. Es gibt auch keinen Vierzigpfünder. Nicht mal einen Brassen. Kein Bißanzeiger gibt seine Diode zu erkennen, kein Ton ist mehr zu hören.Nur schemenhaft erkenne ich meine Pieper in der Dunkelheit.

 

 

Nur schemenhaft erkenne ich meine Bissanzeiger in der Dunkelheit.

 

 

Es dauert eine ganze Weile, bis ich dahinterkomme, daß mein Handy in den Fingern meiner Kinder war, die es verstanden meinen SMS-Ton – wohl ohne böse Absicht – nahezu identisch mit dem Ton meines Delkims einzustellen. Wer zum Geier schickt mir um diese Zeit eine SMS? Katrin? Ich kenne keine Katrin. Aber sie wartet auf mich, sagt die SMS. Hinter der 0190er Nummer wartet sie. Ich bin drauf und dran die blöde Kuh anzurufen, um ihr klarzumachen, was sie verbrochen hat. Aber sie würde mich sicher nicht verstehen, wie mich ohnehin kaum eine Frau versteht. Welche Frau versteht schon einen Deppen?

 

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