Die “Conquest” von Hardy im kleineren Durchmesser von 4 Zoll: Neuerdings sind verschiedene Centrepin-Modelle im deutschen Fachhandel erhältlich. |
Die feine Friedfischangelei mit der Achsrolle, der so genannten Centrepin, wird immer populärer. Thomas Kalweit befragt zu diesem Thema Bernd Steffen und Roland Fiedler von der Specimen Hunting Group Dortmund.
Thomas Kalweit: Hallo Bernd, hallo Roland, besten Dank, dass ihr euch auf der Messe Jagd & Hund in Dortmund ein paar Minuten Zeit für ein Interview genommen habt. Ihr habt in diesem Jahr als Standmotto das Thema Centrepin gewählt. Mal eine ganz banale Frage: Welche Vorteile hat es eigentlich, mit so einer komischen „Fliegenrolle“ auf Friedfische zu angeln?
Bernd Steffen: Diese sehr leicht ablaufenden Achs- oder Nottinghamrollen haben den Vorteil, dass man stressfrei angeln kann, ohne Verwicklungen, weil die Rolle die Schnur in Laufrichtung aufspult und nicht quer wie bei der Stationärrolle. Sie wurden zum Angeln in der Strömung entwickelt und ermöglichen perfekt das gleichmäßige Abtreiben der Pose.
Roland Fiedler: Mit der Centrepin lässt sich die abtreibende Pose auch besser führen und kontrollieren. Auch die leicht verzögerte Geschwindigkeit, mit der der Köder angeboten wird, entspricht der Fließgeschwindigkeit am Grund des Gewässers. Der Köder treibt deshalb wesentlich natürlicher ab. Zusätzlich hat man einen direkteren Kontakt zum Fisch beziehungsweise zum Bissanzeiger Pose und zum Köder. Das ist also alles in allem eine sehr geradlinige Kombination.
TK: Wenn man als Anfänger mit der Centrepin starten will, dann ist das ein recht teures Vergnügen. Die meisten Modelle fangen ja erst bei 200 Euro an. Was würdet ihr den Leuten raten? Sollen sie sich erst einmal eine gebrauchte Pin zulegen – oder gleich hoch einsteigen?
BS: Ich würde mir eine Rolle im mittleren Preissegment von um die 100 Euro zulegen und es damit versuchen. Wenn man einigermaßen geschickt ist und man schon mit Multi und Stationärrolle geworfen hat, dann sollte der Umgang mit der Centrepin kein Problem sein. Dann kann man sich weiter hocharbeiten, eine hochwertigere Rolle kaufen und verschiedene Angeltechniken damit ausprobieren.
RF: Man sollte in jedem Fall sich auch theoretisch mit dem Thema vertraut machen, und ein paar Artikel und Bücher zum Thema lesen. Dann wird man schnell sehen, dass es gar nicht so kompliziert ist. Einfach ausprobieren!
TK: Und bei welchen Angelmethoden setzt ihr die Centrepin ein? Ich angele sogar auf Barben und Karpfen damit. Auf welche Fischarten angelt ihr mit der Nottinghamrolle?
BS: Wir sind Praktiker, dafür sind wir bekannt. Die Angelei mit der Nottinghamrolle macht wenig Sinn, wenn man versucht, sehr weit damit zu werfen. Solche Einsatzgebiete scheiden für uns aus. Wir benutzen sie nur zum Angeln im Fluss, allenfalls noch zum Angeln auf Rotfedern. Im Stillwasser ist die Pin nur empfehlenswert, wenn man vom Boot aus die Pose maximal 3 bis 4 Meter auslegen muss. Zum Schleienangeln hinterm Schilf aus der Deckung heraus kann man die Centrepin auch sehr gut einsetzen. Das war’s aber auch schon. Grundangeln mit Bleien machen wir überhaupt nicht mit der Centrepin, diese Angelmethoden kann man mit einer guten Stationärrolle besser abdecken, denke ich.
TK: Also im Wesentlichen benutzt ihr die Nottingham nur für die klassische Angelei mit Stick- und Avon-Pose. Und natürlich auch, wenn ihr mit dem Loafer und Brotflocke auf Döbel fischt.
RF: Ja, ganz genau. Das klassische Angeln mit den englischen Posen, die funktionieren auch am besten damit. Wichtig ist bei der ganzen Geschichte, dass man mit Watstiefeln ins Wasser geht, dann sind weite Wurfweiten nicht erforderlich.
TK: Ich habe auch vor einigen Jahren mit der Centrepin angefangen und anfangs konnte das schon ziemlich stressig sein, wenn sich bei Wind die Schnur um den Rollenfuß gewickelt hat. Oder auch, wenn einem bei Seitenwind und lockerer Schnur ganze Klänge von der Spule wehten… Wie hoch würdet ihr den Spaßfaktor bei der Centrepin einschätzen? Macht der Spaß, den das Drillen mit der Centrepin macht, die ganzen Nachteile, die die Pin unbestritten hat, wieder wett? Was macht den Reiz beim Centrepinangeln aus?
BS: Der Spaßfaktor ist auf jeden Fall sehr hoch. Ich liebe die Direktheit beim Anschlag. Man muss keinen komplizierten Bügel umlegen oder irgendwas machen, man hält einfach den Daumen drauf und schon kann man anschlagen. Wenn man modernes Gerät nimmt, also Hightech-Centrepins von Hardy, Kingpin, Swallow…, dann kann eigentlich nichts schief gehen. Bei Rollen, die einen Lineguard haben, wird die Schnur geführt. Man wirft im klassischen Northern Style, dabei zieht man mit der linken Hand vor dem Wurf Schnur zwischen den Ringen heraus, drei Ringe reichen meistens aus, man erreicht so eine Wurfweite bis zur doppelten Rutenlänge und kann dann schon angeln. So kann eigentlich nicht viel schief gehen. Andere Wurfstile erfordern natürlich mehr Erfahrung und mehr Übung.
TK: Wie ihr anfangs schon erklärt habt, braucht man als Anfänger gar nicht zu werfen. Man stellt sich mit den Watstiefeln ins Wasser, setzt die Pose in die Strömung und lässt einfach abtreiben. Wenn man mit den Jahren etwas Erfahrung gesammelt hat, dann kommt der Drang nach weiteren Wurftechniken von alleine. Welche Schnurstärken spult ihr auf so eine Centrepin? Welche Schnurdicke packt ihr zum Stickangeln drauf? 16er oder 15er, oder geht ihr richtig runter bis zu einer 12er Hauptschnur?
RF: Bei uns beginnt die Centrepin-Angelei mit 15er Mono – bis maximal 20er. Das kommt ein bisschen darauf an, wo und auf was man angelt und welchen Schwimmertyp man benutzt.
TK: Wenn auch mal ein guter Döbel einsteigen kann oder eine Forelle, man angelt ja am Fluss, dann ist 16er bis 18er Hauptschnur sicher eine gute Wahl. Manche Engländer angeln ja extrem fein, wenn sie mit Stick auf Rotaugen oder Äschen fischen. Also ihr geht da ein bisschen robuster ran? Es soll ja ein kapitaler Friedfisch einsteigen.
RF: Ja, auf jeden Fall. Wir haben auch nicht diesen englischen Angeldruck. Auf der Insel ist es an den meisten Gewässern nötig, so fein zu fischen.
TK: Mal eine Frage zur Rollenfüllung: Man liest einiges darüber, dass man eine Pin nicht so voll mit Schnur packen sollte. Weil dann die Leine nicht mehr so gut abläuft. Wenn ich 200 Meter Schnur drauf habe, dann schneidet diese sich gerne in der Spule ein. Wie viel macht ihr drauf? 50 Meter? Oder doch mehr?
BS: Wir haben 50 bis 60 Meter auf der Rolle, das muss reichen. Die leichte Rute ist ja auch biegsam und man kann damit Kraft ausüben, oder auch schlimmstenfalls am Ufer entlanglaufen und so einen größeren Fisch unter Kontrolle bringen. Vielleicht noch wichtig: Beim Posenangeln die Schnur immer einfetten. Mit schwimmender Schnur bekommt man den Anhieb leichter durch.
TK: Was haltet ihr von geflochtener Schnur auf der Centrepin, gerade zum Angeln auf größere Fische wie Döbel, Karpfen oder Barben – wäre das für euch denkbar?
BS: Bei einer modernen Rute vielleicht, aber bei den Klassikern aus den 1960er und 70er Jahren, mit denen wir häufig fischen, Modelle mit Hartchrom-Ringen, da würde die Geflochtene über kurz oder lang die Ringe durchsägen… Wir bevorzugen Mono. Gerade wenn man beim Centrepinangeln mit relativ kurzer Schnur fischt, dann kann man im Drill über die Dehnung doch einiges abpuffern.
TK: Dann noch eine Frage, die man häufiger hört: Wie herum wird die Schnur auf die Pin aufgespult? Mit oder gegen den Uhrzeigersinn? Wenn man den berüchtigten Wallis-Cast benutzen will, dann muss man ja gegen den Uhrzeigersinn kurbeln. Aber man sieht auch hin und wieder in der Fachliteratur, dass gerade beim feinen Stickangeln mit dem Uhrzeigersinn aufgekurbelt wird. Wie seht ihr die Vorteile?
BS: Das hat eigentlich nur einen Grund: Dadurch dass die Schnur von oben her auf den Bockring zuläuft, schalte ich diese Reibung schon fast aus. Und dadurch treibt ein Stick oder eine andere leichte Pose eben leichter ab. Man kann das aber auch mit der Rolle beeinflussen, eine leichtere Spule läuft in der Strömung einfach leichter ab als ein schwereres Modell.
RF: Die Aufspulrichtung hat nur etwas mit dem Reibungswiderstand zu tun, wie es Bernd schon sagte. In den meisten Fällen reicht es, wenn die Schnur von unten auf den Leitring zuläuft. Die modernen Rollen laufen so leicht, da ist das kein großes Problem mehr.
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TK: Ihr seid ja jetzt Testangler von Hardy & Greys, und eure Firma hat mit der Conquest und der Bewick zwei Pins im Programm. Ich glaube, so viele Centrepin-Modelle, wie zurzeit in Deutschland in den Angelläden stehen, gab es die letzten Jahrzehnte noch nie zu kaufen. Man kann fast schon von einem kleinen Boom sprechen, den das Pinangeln in Europa, den USA und neuerdings auch in Deutschland durchmacht. Seht ihr dadurch eine Chance, auch mal wieder junge Leute fürs Specimen Hunting auf Friedfische zu begeistern? Die ja im Moment eher mit Gummifisch auf Zander losziehen…
RF: Ich glaube, dass man junge Leute nicht in erster Linie durch neue Geräte und Methoden fürs Friedfischangeln begeistern kann. Ich glaube, die Jugendlichen müssen anders herangeführt werden. Sie brauchen anglerische Vorbilder und Idole, man muss als Beispiel vorangehen. Man schafft natürlich durch schicke neue Geräte einen Anreiz. Aber das ist ja auch ein Kostenfaktor. Diese Rollen sind nicht für 10 Euro zu haben.
TK: Aber ich kenne Jungangler, die kaufen sich für 300 Euro Baitcaster-Rollen, nur um unter ihren Kumpels der coolste Angler zu sein. Da haben 16-Jährige überhaupt kein Problem mit. Oft sind gerade junge Angler auch Geräte-Fetischisten, die wollen hipp und modern sein. Mit einer ollen Rolle und Rute losstiefeln, dazu haben die meisten Jungangler kaum Lust.
RF: Das ist natürlich richtig, aber es ist nicht die breite Masse, die da angesprochen wird, das ist die gesponserte iPhone-Generation, die das machen, was hipp und in ist. Da sehe ich nicht so das Begeisterungspotential drin. Wenn man wirklich junge Angler fürs Friedfischangeln begeistern will, dann sollte man wirklich woanders ansetzen.
BS: Ich meine, dass das feine englische Angeln insgesamt ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Da müsste von der Angelindustrie und von den Angeljournalisten ein bisschen mehr gemacht werden, um das wieder in den Vordergrund zu rücken. Angeln kann nicht nur aus dicken Bleien und großen Haken bestehen. Reinwerfen mit Selbstanschlag-Montage, abwarten und so weiter. Zu unserer Angelweise gehört etwas mehr Geschicklichkeit, speziell bei der Fischerei mit der Nottingham oder auch mit der Schwingspitze. Das ist alles nicht so einfach und ich denke, diese Schwierigkeiten machen gerade den Reiz aus. Damit kann man sicherlich Jugendliche begeistern, dass man mit Können und Geschicklichkeit mehr fängt als andere.
TK: Man merkt schon, wenn man hier über die Messe geht, dass das typisch englische Friedfischangeln mittlerweile eher im Hintertreffen ist. Man kriegt hier Gummifische und Wobbler tonnenweise, aber wenn man ein Futterkörbchen oder einen vernünftigen englischen Schwimmer kaufen will, dann wird’s schon schwierig. Ich bedanke mich für das Interview und hoffe, dass durch euch, durch eure Messestände und durch eure Artikel in der FISCH & FANG das Friedfischangeln langsam wieder trendy wird!
Info: In der Mai-Ausgabe der FISCH & FANG (ab 21. April im Handel) lesen Sie einen großen Artikel über die Faszination Centrepin – inklusive Film auf der Abo-DVD!