Am 3. Juni 2023 fand im Ozeaneum in Stralsund die Abschlussveranstaltung des Boddenhechtprojektes statt. Mit Spannung wurden die Ergebnisse und damit verbundenen Empfehlungen für die Zukunft der fischereilichen Bewirtschaftung der Boddenregion insbesondere für den Hecht erwartet.
Aus Sicht des Landesanglerverband Mecklenburg/Vorpommern e.V. (LAV MV) und dem Deutschen Angelfischerverband e.V. (DAFV) könnten die Ergebnisse eine Strahlwirkung für die Bedeutung und Zukunft der Angelfischerei in Deutschland entfalten.
In Vertretung für den Minister Dr. Till Backhaus begrüßte der Referatsleiter der Fischereibehörde Kay Schmekel vom Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern (LM-MV) die zahlreichen Gäste im Ozeaneum Stralsund. Das LM-MV hatte das Projekt „Boddenhecht“ 2018 in Auftrag gegeben.
Was bedeuten die Ergebnisse für die Angelfischerei?
Projektleiter Prof. Robert Arlinghaus gab einen Überblick über die Ziele und Herausforderungen während der letzten viereinhalb Jahre (01.01.2019 -31.08.2023) bei der Umsetzung des Boddenhechtprojektes. Wesentliche Themenfelder waren Konflikte zwischen Freizeit- und Berufsfischern, eine komplexe, sich rasch verändernde soziale und ökologische Umwelt, Prädation durch Kormorane und Kegelrobben, vermehrter Nährstoffeintrag, steigende Bestände von Stichlingen als Bruträuber, der Klimawandel oder aber auch Lebensraumverluste und Schutzgebiete.
Angeln auf Hecht: Herausragende Bedeutung und hohe Wertschöpfung für die Region
Die Fischerei auf Hecht hat in der Boddenregion insbesondere für den Tourismus eine herausragende Bedeutung. Die Anzahl der Angler, welche am Bodden angeln wird auf 50.000 pro Jahr geschätzt. 70% davon sind Touristen. Insgesamt wird der Aufwand mit 390.000 Angeltagen beziffert, wovon 50% davon gezielt auf Hecht stattfinden. Fragt man die Angler nach ihrer Motivation einen Angelurlaub am Bodden zu verbringen, werden als bedeutendste Gründe „um kapitale Fische zu fangen“ und „um anglerische Herausforderungen zu meistern“ genannt.
Gesunkene Fangaussichten
Derzeit haben Angler am Bodden im Durchschnitt die Aussicht einen Hecht pro Tag zu fangen (0,14 Hechte pro Angelstunde). Dabei sind die Hechte im Vergleich zur normalen Süßwasserangelei durchschnittlich größer (76 cm am Bodden im Vergleich zu 65 cm in Binnengewässern). Im Jahr 2006 betrugen die durchschnittlichen Anglerfänge dagegen ca. 3 Hechte pro Tag (0,4 Hechte pro Angelstunde). Die gesunkenen Fangaussichten hemmen damit die Nachfrage bzw. die Attraktivität der Boddenregion als Urlaubsziel für Angler auf Hecht. Somit sind das Angelinteresse und die touristische Bedeutung seit 2016 rückläufig.
Der derzeitige volkswirtschaftliche Nutzen durch Angler in der Boddenregion wird mit 20 Mio. Euro und 420 Arbeitsplätzen beziffert. Derzeit arbeiten allein 39 Angelguides am Bodden davon 50% im Haupterwerb. Auf der anderen Seite gibt es derzeit noch 130 Haupterwerbsfischer und 88 Nebenerwerbsfischer in der Boddenregion.
Wären die Fangaussichten auf Hecht besser bzw. auf dem Niveau von 2006, sieht das Boddenhechtprojekt ein Potential die volkswirtschaftliche Wertschöpfung durch Anger für die Region zu verdoppeln.
Konflikanalyse
Die Konfliktanalyse zeigt zwei wesentliche Problemfelder am Bodden „Fischerei vs. Naturschutz“ und „Angelfischerei vs. Berufsfischerei“. Die Konflikte mit dem Naturschutz beziehen sich in erster Linie auf den Schutz von Kormoranen bzw. Robben und Befahrensverbote insbesondere für Angler.
Konflikte zwischen Anglern und Berufsfischern sind weder neu, noch unerwartet. Auch am Bodensee kann man seit vielen Jahren vergleichbare Problemstellungen beobachten. Die Politik befindet sich hier in der Zwickmühle einen traditionellen Berufsstand wahren zu wollen und gleichzeitig die Chancen und Mehrwerte der Freizeitfischerei zu fördern. Das Projekt beziffert die Bruttowertschöpfung der Angelfischerei auf Hecht als 32-mal höher im Vergleich zur Berufsfischerei.
Wertschöpfung der Angelei 32-fach höher als die der Berufsfischerei
Laut den Projektergebnissen fangen die Berufsfischer am Bodden ungefähr die gleiche Menge an Hechten, wie die Angler. Da Angler aber 60% der gefangenen Hechte schon heute lebend zurücksetzen, tragen sie weniger als die Hälfte zur fischereilichen Sterblichkeit bei.
Angler und Berufsfischer haben aber auch Übereinstimmungen, wenn um das Thema Kormorankontrolle und Renaturierung von Lebensräumen geht. Dazu gibt es eine Übereinstimmung das Fangregularien (z.B. Mindestmaße oder Entnahmefenster) für beide Gruppen gleichermaßen gelten sollten.
Wie geht es weiter?
Kay Schmekel findet in seiner Abschlussrede als Leiter der Fischereibehörde lobende Worte über den Ablauf und die Qualität der Projektergebnisse und gibt einen Ausblick auf die zu erwartenden nächsten Schritte.
Insgesamt wurden Empfehlungen für 54 Managementmaßnahmen erarbeitet (alle Managementempfehlungen als Download). Er gibt zu bedenken, dass die Umsetzung einiger Empfehlungen wie z.B. Renaturierungsmaßnahmen oder der Einrichtung zusätzlicher Laichhabitate komplexe verwaltungsrechtliche Prozesse darstellen, die auch Zeit bedürfen.
Auf der anderen Seite steht derzeit in Mecklenburg-Vorpommern eine Reform des Fischereigesetzes und der Fischereiverordnung bis Ende 2024 an. Folgt die Fischereibehörde den Empfehlungen des Bodenhechtprojektes, welche im Konsens zwischen Angel und Berufsfischern erzielt wurden, könnten sich die gelten Regularien für Angel- und Berufsfischer zeitnah ändern. Im Raum stehen neben anderen die folgenden Vorschläge:
- Erhöhung des Hechtmindestmaßes auf 60cm für Angel- und Berufsfischerei
- Einführung eines Maximalmaßes zur Entnahme geangelter Hechte von 90cm für die Angelfischerei (gleichbedeutend mit einem Fenstermaß 60-90cm)
- Begrenzung der Maschenweite für die Hecht-Stellnetzfischerei auf 60-70mm als indirekte Form eines Entnahmefensters für die Berufsfischerei.
- Absenkung der Tagesentnahmebeschränkung auf 1 Hecht pro Angler pro Tag
- Einrichtung von Wanderkorridoren für Hechte auf ihrem Weg zu Laichgebieten
- Spinnfischverbote in Laichgebieten während der Schonzeit
Der LAV MV und der DAFV sehen in den Vorschlägen viel positives Potenzial für eine bessere Schonung kapitaler Laichhechte. Die bessere Schonung kapitaler Hechte könnte, sowohl eine positive Bestandsentwicklung als auch einen positiven Anreiz für Angler nach sich ziehen am Bodden angeln zu gehen. Die Einführung eines Fenstermaßes würde dazu dem Umstand zugutekommen, dass anscheinend schon heute viele Angler Hechte aus Hegegründen freiwillig schonend zurücksetzen, aber diese Praxis derzeit gesetzlich nicht gedeckt ist.
Wanderkorridore zu den Laichgebieten schützen
Eine Begrenzung der maximalen Maschenweite für Stellnetze verhindert, dass darin kapitale Hechte gefangen werden. Eine Einrichtung von Wanderkorridoren für Hechte auf ihrem Weg zu den Laichgebieten, sollte der Praxis Einhalt gebieten, Hechte gezielt und massenweise auf ihrem Weg zum Laichgeschäft abzufischen. Ein Video über derartige Vorkommnisse hatte in der Vergangenheit unter Anglern für viel Unmut gesorgt.
Der im Konsens erzielten Maßnahmenempfehlung, Besatzmaßnahmen für den Hecht am Bodden durchzuführen, erteilt das Boddenhechtprojekt aus wissenschaftlichen Gründen eine klare Absage.
Insgesamt konnte man auf der Veranstaltung den Eindruck gewinnen, dass die Angelfischerei für die Boddenregionen einen immer wichtigeren Stellenwert einnimmt. Wir hoffen das sich dieser Trend fortsetzt und die steigende Bedeutung der Freizeitfischerei auch in anderen Regionen gleichermaßen erkannt und gefördert wird.
-Pressemitteilung DAFV-