Oft werden mir alte Angelruten zum Kauf angeboten, meistens fehlen Ringe, das Herstellerlogo ist zerkratzt, Wicklungen wurden mit Klebeband ersetzt, Spitzenteile fehlen komplett oder sind abgebrochen.
Dann muss ich dem armen Anbieter immer mitteilen, dass seine alten Rütchen für Sammler eigentlich wertlos sind. Sie eignen sich noch maximal als Schaustücke für den Partykeller. Gerade bei Gespließten sind die Anbieter dann immer enttäuscht bis böse, weil sie für das gute Stück mindestens dreistellige Summen erwartet haben.
Meistens gebe ich das krasse Beispiel, dass ich und andere Sammler solche Rutenfragmente im Garten als „bessere Tomatenstangen“ einsetzen. Eine Tomatenstange kostet im Baumarkt durchaus 5 Euro, da ist ein Bündel alter Ruten vom Angelflohmarkt oft preiswerter. Vollglas und Bambus sind sehr dauerhaft und perfekt für den Garten geeignet, dazu noch dekorativ.
Nicht für die Vitrine gemacht
Angelruten werden sowieso nicht so wie Rollen oder Köder gesammelt, weil sie sich nur schlecht in einer Vitrine ausstellen lassen. Sie sind zu sperrig, bleichen auf der Sichtseite aus durch das Tageslicht, angelehnte Gespließte werden mit den Jahren krumm oder platzen in der trockenen Zimmerluft sogar auf.
Wenn Ruten gesammelt werden, dann nur makellose Stücke mit perfekten Wicklungen, mit Originalfutteral, hübschem Firmenaufkleber und glänzendem Lack, als kämen sie neu aus dem Geschäft. Diese muss man dann am besten dunkel, nicht zu trocken und liegend oder hängend lagern.
Aber selbst dann ist für eine perfekte, quasi ladenneue DAM-Gespließte aus den 1930ern bis 50ern oft nur 30-60 Euro zu erzielen, selbst neuwertige Ruten von Hardy oder Hildebrand/Wieland erreichen oft kaum 120 Euro. Ruten mit leichten Schäden erzielen nur Bruchteile dieser Preise. Ausnahmen sind vielleicht gespließte Fliegenruten, die von Rutenbauern neu aufgebaut werden oder noch gefischt werden können. Die müssen nur gerade und dürfen nicht aufgeplatzt sein. Weitere Ausnahmen: Hochwertigste Gespließte von Noris aus der Vorkriegszeit (war damals die Nobelmarke) in perfektem Zustand knacken manchmal die 100-Euro-Marke. Und natürlich auch ganz alte Ruten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (z.B.), da ist der Zustand egal. Aber selbst die angebotenen Hinkert-Ruten der letzten Jahrzehnte waren kaum teurer als 120 Euro.
Übrigens: Restaurierte, neu gewickelte oder vom Sammler überlackierte Ruten mit abgeschirgelten Korkgriffen sinken stark im Wert. Sammler suchen den Originalzustand mit der originalen Patina.
Wie ist Eure Meinung zum Thema „Tomatenstangen“? Gerade leicht defekte Ruten will auf dem Angelflohmarkt oft niemand geschenkt haben. Da ist es doch nachhaltiger und umweltfreundlicher, wenn man sie einer vernünftigen Nutzung zuführt, oder?
Infos, Fragen und Anregungen bitte an thomas.kalweit@paulparey.de
Anmerkung vom 7. Juni 2023:
Markus Schober schrieb uns aus der Schweiz: „Hopfen und Geißblatt nehmen die alten Ruten auch gerne als Kletterhilfe. Die Bienen und Hummeln freuen sich ob der Blütenpracht. Die langen Teleskopstecken dienen dann den Stangenbohnen.“
Jürgen Keller schrieb uns zum Thema Altruten-Recycling: „Hallo Thomas, die alten kaputten Bambusruten säge ich in kurze Stücke und mache Insekten-Hotels daraus. Durch die unterschiedlichen Durchmesser der Teile haben verschiedene Insektenarten eine Chance. Aus anderen Ruten habe ich oft schon Stäbe für die Vogelhäuschen gebaut, auf denen sie dann sitzen können. Gruß Jürgen“