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Ausgesetzte Haustiere gefährden unsere Gewässer

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Ausgesetzte Haustiere
Die Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte hat weltweit gebietsfremde Bestände aufgebaut. Sie ist mittlerweile im deutschen Handel verboten. Bild: James W. E. Dickey/IGB

Oft genug werden Haustiere ausgesetzt, sobald sie lästig werden. Nicht nur Hund oder Katze, sondern auch Süßwasser-Exoten. Das trägt wesentlich zur Ausbreitung invasiver Arten bei.

Forscherinnen und Forscher unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben für Deutschland die wichtigsten Risikoarten unter den aquatischen Haustieren identifiziert und eine dreistufige Risikobewertung entwickelt, die als Screening-Instrument und Grundlage für die Gesetzgebung zur Beschränkung künftiger Freisetzungen unerwünschter Haustiere dienen kann. Dies ist auch nötig, denn die Studie zeigt, dass 97 Prozent der in Deutschland verkauften Süßwasserarten nicht heimisch sind.

Viele Arten stammen aus dem Heimtierhandel

Die Ausbreitung gebietsfremder Arten – Tiere, Pflanzen und andere Organismen, die außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes eingeführt werden – ist eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt. Viele dieser Arten stammen aus dem Heimtierhandel. Dies gilt laut früherer Studien für etwa ein Drittel aller invasiven Süßwasserarten.

Verbot für Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte

Für einige Arten wurde der Handel daher schon verboten oder stark eingeschränkt, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. So darf beispielsweise die Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte, die früher häufig im europäischen Heimtierhandel angeboten wurde, heute in der EU nicht mehr verkauft werden. Diese Art ist inzwischen auf allen Kontinenten außer der Antarktis verbreitet, da sie weltweit von Tierhalterinnen und –haltern ausgesetzt wurde.

„Eine zunehmend globalisierte Welt hat die Verbreitung gebietsfremder Arten durch den schlecht regulierten internationalen Handel mit Heimtieren erleichtert. Um die Bedrohung durch invasive Arten einzudämmen, ist Prävention besonders wichtig. Dazu muss man die Risikoquellen kennen und die Arten identifizieren, die am ehesten eingeschleppt werden und sich im neuen Lebensraum etablieren können“, erklärt IGB-Forscher James W. E. Dickey, Erstautor der Studie.

Recherche in Zoohandlungen und Gartencentern

Die Forscherinnen und Forscher führten eine umfassende Analyse des Handels mit Süßwassertieren in Deutschland durch und erstellten ein Arteninventar der erhältlichen Haustiere. Dazu nutzte das Team drei Recherchekanäle: Erstens direkte Befragungen in Berliner Zoofachgeschäften und Gartencentern, zweitens deutschsprachige Internetseiten für Haustiere und drittens eBay-Kleinanzeigen (heißt nun Kleinanzeigen). Für jede Art ermittelten sie auf der Grundlage von Verfügbarkeit und Preis, wie wahrscheinlich eine Freisetzung ist. Dabei gingen die Forschenden davon aus, dass leichter erhältliche und billigere Arten ein höheres Risiko haben, in falsche Hände zu geraten und freigesetzt zu werden. Im nächsten Schritt ermittelten sie, welche Arten aufgrund der Breite ihrer ökologischen Nischen und der Überlappung ihrer Nischen mit den Umweltbedingungen in Deutschland die größte Wahrscheinlichkeit haben, zu überleben und hier gebietsfremde Populationen zu bilden.

Froschwels: weltweit eine der schlimmsten invasiven Arten

97 Prozent der verkauften Süßwasserarten sind nicht heimisch, 22 dieser Arten wurden in Deutschland bereits in freier Wildbahn gefunden.

Das Team dokumentierte 669 Süßwasserarten im deutschen Handel, von denen 651 nicht heimisch waren. Fische waren mit 89,5 % aller Arten am häufigsten vertreten, gefolgt von Weichtieren mit 4,3 %, Krebstieren mit 3,9 % (Garnelen: 2,1 %; Fluss- und Süßwasserkrebse: 1,8 %), Amphibien mit 1,2 % und Reptilien mit 1,0 %. Zweiundzwanzig dieser Arten wurden bereits in der freien Wildbahn in Deutschland gefunden. Einige der Arten, wie der Froschwels (Clarias batrachus), stehen auf der Liste der „100 der schlimmsten invasiven gebietsfremden Arten der Welt“. Andere, wie der Afrikanische Krallenfrosch (Xenopus laevis), auf der EU-Liste der „invasiven gebietsfremden Arten von gemeinschaftlichem Interesse“.

Reger Handel über Kleinanzeigen

Kleinanzeigen-Recherche: Viele Verkäuferinnen und Verkäufer wissen gar nicht, was sie anbieten. Größe und hohe Vermehrungsrate ihrer Haustiere sind Hauptgründe für Abgabe:

Trotz der hohen Anzahl an Angeboten konnten bei eBay-Kleinanzeigen die wenigsten Arten ermittelt werden. „Besorgniserregend ist die Häufigkeit, mit der in den Anzeigen grobe Bezeichnungen anstelle von genauen Artnamen verwendet werden – manchmal so vage wie ‚Tiere‘. Dies verdeutlicht auch die Schwierigkeiten bei der Regulierung informeller Online-Marktplätze“, so Professor Jonathan Jeschke, Abteilungsleiter am IGB und Letztautor der Studie.

Die Gründe für die Abgabe bei eBay-Kleinanzeigen waren vielfältig und haben zum Teil mit der Reproduktion oder dem Wohlbefinden der Tiere zu tun: Eine hohe Fortpflanzungsrate (am häufigsten), die Größe des Tieres im Verhältnis zum Becken (am dritthäufigsten) und die Aggressivität gegenüber anderen Tieren (am fünfthäufigsten) waren wichtige Gründe für die Abgabe. Der zweithäufigste Grund deutet jedoch darauf hin, dass auch die Ästhetik Vorrang vor der Affinität zu den Tieren haben kann, da die Besitzerinnen und Besitzer ihr Aquarium umgestalten oder den Tierbestand austauschen wollten.

Hochrisikoarten Goldfisch und Guppy

Unter den Hochrisikoarten für Deutschland sind der Goldfisch, der Guppy und die Nadel-Kronenschnecke.

Auf der Grundlage der gesammelten Daten sowie des ermittelten Freisetzungsrisikos und der Überlebenswahrscheinlichkeit im neuen Habitat entwickelte das Team eine dreistufige Risikobewertungsmethode. „Wir schlagen diese Methode für das Screening von kommerziellen Arten vor. Damit könnte die Ausbreitung besonders risikoreicher Arten möglicherweise eingedämmt werden, zum Beispiel durch besondere Haltungsanforderungen oder den Preis“, so James Dickey.

Zu den Hochrisikoarten für Deutschland gehören der Goldfisch (Carassius auratus), der Guppy (Poecilia reticulata) und die Nadel-Kronenschnecke (Melanoides tuberculata). Alle drei Arten haben eine lange Invasionsgeschichte und wurden bereits in freier Wildbahn in Deutschland gefunden. Goldfische sind eine Gefahr durch ihre hohe Nahrungsaufnahme, ihr breit gefächertes Nahrungsspektrum und ihr Futtersuchverhalten, was zu drastischen Veränderungen in den Gewässern führen kann, in denen sie sich ansiedeln. Guppys sind nicht nur beliebte Haustiere, sondern werden auch weltweit zur Mückenbekämpfung eingesetzt, und sie können zu einem Rückgang auch anderer wirbelloser Arten führen. Die Nadel-Kronenschnecke vermehrt sich ungeschlechtlich und kann in gebietsfremden Lebensräumen große Dichten erreichen. Infolgedessen hat sie einheimische Süßwasserschneckenarten verdrängt und ist auch ein Zwischenwirt für Saugwurmparasiten, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen.

Blutsalmler und Papageienkärpfling

Die Autorinnen und Autoren der Studie plädieren dafür, auch denjenigen Arten besondere Beachtung zu schenken, die sich noch nicht in Deutschland ausgebreitet haben, wie der Blutsalmler (Hyphessobrycon eques) und der Papageienkärpfling (Xiphophorus variatus). „Der Handel mit Zierfischen ist unglaublich dynamisch, und es kommen ständig neue Arten hinzu. Je nach Angebot und Nachfrage können sich auch die Preise und die Verfügbarkeit der Arten ändern. Das bedeutet, dass die Risiken, die mit jeder Art verbunden sind, schwanken, was eine gezielte und langfristige Überwachung der Branche erforderlich macht“, erklärt James Dickey. „Wir hoffen, dass Risikobewertungen wie unsere und eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit dazu beitragen können, die Freisetzung riskanter und potenziell gefährlicher Arten in deutschen Gewässern zu reduzieren.“

-Pressemitteilung Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)-

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