Da biste platt! Dieser 74 Kilo schwere Heilbutt nahm vor Vannøy einen 29er Shad – sehr zur Freude der Anglerin. |
Warum Gummifische die Erfolgsköder schlechthin sind. Von Volker Dapoz
Es ist noch nicht allzu lange her, da war ein 50 oder 60 Kilo schwerer Heilbutt der Fachpresse eine Sondermeldung wert. Doch spätestens die Fänge des vergangenen Jahres stellten alles bislang Dagewesene in den Schatten. So wurden gleich reihenweise Exemplare von weit über 100 Kilo bezwungen, darunter ein 194 und ein 196 Kilo schwerer Riese. Der größte Brocken – neuer Weltrekord – brachte sogar 202 Kilo auf die Waage!
Da diese Heilbutts kaum aus dem Nichts aufgetaucht sind, stellt sich die Frage, warum denn früher solche Fische so selten gefangen wurden. Die Gründe liegen auf der Hand: So reisen immer mehr Angler in die Butt-Hochburgen nach Nordnorwegen. Außerdem investieren sie mehr Zeit, um gezielt auf die Platten zu fischen. Des Weiteren wurden natürlich die Angeltechniken immer weiter auf diese Zielfischart zugeschnitten. Dabei hat sich ein Köder als die absolute Nummer eins herauskristallisiert: der Gummifisch. Von den oben erwähnten Heilbutts wurde lediglich der 202-Kilo-Gigant auf Köderfisch gefangen (siehe auch „Naturkunde“). Alle anderen und viele, viele weitere große Butts überlistete man mit Gummifischen.
Natürlich gehen regelmäßig auch Heilbutts auf das Konto des Pilkers. Dies liegt meiner Meinung nach jedoch vor allem daran, dass dieser Köder nach wie vor das Meeresangeln dominiert. Auffällig ist allerdings, dass darauf eher die kleinen Exemplare beißen. Die logische Erklärung: Auch wenn sich ein größerer Heilbutt für den Pilker interessiert, heißt es noch lange nicht, dass er ihn auch zu fassen kriegt. Ein Butt von, sagen wir, 50 Kilo ist ganz
sicher kein langsamer Schwimmer, aber Haken schlagen kann er nicht. Jedenfalls nicht so wie ein 10-Pfünder!
Langsam und natürlich
Gummifische hingegen erweisen sich schon aufgrund ihrer Bauart als „langsamer“. Sie entfalten entsprechend bei dezenteren Impulsen einen besseren Lockreiz, wirken dadurch natürlicher und schrecken die Räuber bei Attacken nicht so schnell ab. Schließlich können sie wesentlich besser eingesaugt werden als ein schwerer Pilker.
Bei den Gummifisch-Systemen hat sich der Giant Jighead mittlerweile ganz klar die Spitzenstellung erobert. Er punktet vor allem in Tiefen ab rund 25 Metern, wo das Werfen kaum noch Sinn macht. Großer Vorteil: Der Jighead ist mit zwei austauschbaren Drillingen ausgestattet, wodurch die Fehlbissrate stark reduziert wird. Bei Modellen mit Einzelhaken, die zweifellos auch sehr fängig sind, kommt es hingegen gerade in tieferen Bereichen häufiger zu Fehlattacken.
Selektiver Köder
Der Giant Jighead ist allein aufgrund seiner Größe ein sehr selektiver Köder. Beispiel: Das mit einem 23er Gummifisch bestückte 300-Gramm-Modell bringt es auf eine Länge von rund 27 Zentimetern. Zwar kann es vorkommen, dass auch mal zweipfündige Dorsche im Fressrausch auf den Köder knallen, in der Regel fängt man jedoch weniger, dafür aber größere Fische. Insbesondere ältere, erfahrene Räuber fallen eher auf den Gummifisch herein als auf einen parallel benutzten Pilker. Daraus ergibt sich häufig ein ganz typisches Problem: Der eine Angler fängt unter Umständen einen Küchendorsch nach dem anderen, während der Bootskollege auf den großen Gummifisch nur ein paar Fehlattacken bekommt. Das guckt sich keiner lange an. Im übertragenen Sinne holt man quasi die Boilie-Angel ein und beteiligt sich am Plötzenstippen. Wenn dann noch ein verirrter Karpfen auf das Maiskorn beißt, dann ist die Schlussfolgerung fast klar: „Warum soll ich hier stundenlang neben der Boilie-Rute ausharren, wenn man die Karpfen doch auch mit der Stippe fängt?!“ Natürlich wissen die Freaks, dass das Boilieangeln der sicherste Weg zum Großkarpfen ist, aber das Ganze erfordert eben ein wenig Ausdauer. Das gilt auch fürs Heilbuttangeln.
Um das notwendige Vertrauen in den Gummiköder und die richtige Technik zu gewinnen, ist es für Einsteiger sinnvoll, zunächst mit herkömmlichen Ködern im Freiwasser zu angeln. Einfach mal zwei Meter über Grund und nicht zu stark pilken. Das gibt sicher schon mal ein Aha-Erlebnis. Wer merkt, es funktioniert und sich eventuell auch mal zehn Meter vom Grund entfernt, der hat die erste Hürde genommen. Denn spätestens jetzt wird deutlich, dass viele Fische oft doch eher im Freiwasser jagen. Hat man das Vertrauen gewonnen, sollte mit kleineren Gummifischen begonnen werden. Wer sich dann sagt „Ich will den Großen“, der wird mit 23 Zentimeter langen oder noch größeren Shads früher oder später sein Ziel auch erreichen.
Vorsichtige Anfasser
Das Beißverhalten von Heilbutts ist stark gewöhnungsbedürftig. Während gerade große Dorsche wie Raketen auf die Köder schießen, schmecken die Butts irgendwie vor. Dem eigentlichen Anbiss gehen meist ein paar „Nippler“ voraus. Nicht selten werden diese Fische verschlagen. Erst die Kontrolle des Gummifischs zeigt, dass der vermeintliche Kleindorsch tiefe Bissspuren im Schwanz hinterlassen hat. Es hört sich unsinnig an, aber das Beste ist es, den Fisch ein wenig schlucken zu lassen. Zumindest sollte man nach einem Anfasser den Köder noch einmal mit höchster Konzentration leicht spielen lassen, um so einen weiteren Biss zu provozieren.
Der Anhieb kann bei einem Butt gar nicht hart genug ausfallen. Denn die Platten haben dermaßen knochige Kauleisten, dass es häufig allein deshalb zu Fischverlusten kommt, weil die Haken einfach nicht richtig fassen. Des Weiteren umschließen die kräftigen Kiefer den Gummifisch so fest, dass man ihn erst einigermaßen befreien muss, ehe die Haken in die richtige Position kommen. Vor allem bei Nachläufern, die dem Köder während des Hochkurbelns folgen und schließlich zupacken, sollte man immer einen beherzten Anhieb setzen, auch wenn der Heilbutt sofort nach dem Biss davonprescht. Sitzt der Haken allerdings richtig, dann passiert es selten, dass der Fisch ausschlitzt.
Im Drill ist ein Heilbutt noch am ehesten mit einem großen Seelachs zu vergleichen. Wenn die Bremse nach dem Anschlag nicht richtig eingestellt ist, dann macht auch ein 20-Pfünder kurzen Prozess mit 50-lb-Gerät. Gemeinerweise kommen die Räuber manchmal auch auf das Boot zugeschwommen. Man hat das Gefühl, der Fisch ist bereits verloren. Falsch – jetzt heißt es kurbeln, kurbeln, kurbeln!
Der Schein trügt
Ganz hinterlistig ist es, dass die Butts gerne an die Oberfläche kommen, obwohl sie noch über immense Kraftreserven verfügen. So als wollten sie prüfen, was da am anderen Ende zieht. Ganz nach dem Motto: „Ich bin hier der Chef!“ Mindestens die Hälfte aller Fische kommen nach oben, bleiben recht ruhig für einige Sekunden liegen, um dann noch einmal richtig Gas zu geben. Wer damit nicht rechnet und sich schon vorzeitig als Gewinner sieht, hat ganz schlechte Karten. Es ist regelrecht gefährlich, einen solchen Fisch gaffen zu wollen. Dabei können böse Unfälle passieren. In der Regel verfügt ein Butt, der sich das erste Mal am Boot zeigt, noch über zwei Drittel seiner Kraftreserven. Dieses Räubergehabe zeigt sich auch manchmal nach dem Anbiss. Der Fisch kommt nahezu ohne Gegenwehr einige Meter einfach mit. Erst einige Zeit später entscheidet er sich, durchzustarten. Wer also in dem Glauben ist, gerade einen voll gefressenen 10-Pfund-Dorsch nach oben zu befördern, wird blitzartig eines Besseren belehrt und findet in all der Hast die Bremse nicht mehr. Aber genau dieses Verhalten macht den Heilbutt für mich so faszinierend.
Fürs Landen empfiehlt sich unbedingt eine Harpune oder ein so genanntes Flying Gaff, das mit einem Seil verbunden ist. Viele Angler belächeln dies – allerdings nur bis zu ihrem ersten Butt! Versuchen Sie keinesfalls, den Heilbutt mit Gewalt ins Boot zu zerren. Bei großen Exemplaren kann es sinnvoll sein, per Telefon Hilfe von Einheimischen oder anderen Anglern anzufordern.
Immer wieder wird heiß diskutiert, ob und wie die Fangzeiten von Ebbe und Flut abhängen. Am weitesten verbreitet ist die These, dass es vor und nach Hochwasser am besten beißt. Das ist schlichtweg falsch! Viel entscheidender sind die Strömungsphasen. Dazu lesen Sie mehr im Artikel „Der Butt-Weiser“. In jedem Fall ist es so, dass ein Heilbutt selten allein ist. Das hat nichts mit Schwarmverhalten zu tun, sondern vielmehr mit den bevorzugten Plätzen. Wenn also erst einmal einer gebissen hat, sollten Sie am Ball bleiben. Petri Heil!
5 Tipps zum Giant Jighead
1) Man hängt ihn prinzipiell in der hinteren Öse ein, so dass er annähernd waagerecht im Wasser steht. Die vordere Öse ist nur bei sehr starker Drift sinnvoll.
2) Meist fische ich mit 300 Gramm schweren Köpfen. An nicht zu dicker Hauptschnur reicht dieses Gewicht aus, um im fängigen Tiefenbereich von etwa 25 bis 60 Metern zu fischen. Bei ruhiger See und in flachen Bereichen kommt man meist mit 200 Gramm schweren Köpfen aus, im Falle stärkerer Drift müssen es mitunter 400er oder sogar 500er sein.
3) Bei mittleren Köpfen (300 und 400 Gramm) sind Drillinge der Größe 5/0 gerade richtig. Sie sollten jedenfalls nicht zu groß und zudem qualitativ sehr hochwertig sein.
4) Ich bevorzuge fluoreszierende Jigköpfe in Grün, Rot, Blau oder in Naturfarben wie Makrele oder Chrom/Blau. Dazu nehme ich Gummifische in Kontrastfarben wie Perlmutt/Blau oder Perlmutt/Schwarz.
5) Auf jeden Fall sollte der Giant Jighead immer im „ersten Gang“ geführt werden. Meist überträgt sich durch die normale Schaukelbewegung des Bootes ausreichend Spiel auf den Köder, speziell bei Dünung. Es passiert recht häufig, dass die so genannte tote Rute, mit der ein Köder passiv angeboten wird, letztlich den Butt oder auch den Großdorsch bringt.
Ich halte den Köder einige Minuten beispielsweise fünf Meter über Grund, mache ein paar leichte Pilkbewegungen und kurbele ihn dann etwas höher. Dort lasse ich ihn verharren und schließlich wieder zum Grund durchsacken. Manchmal mache ich auch eine halbe Stunde lang gar nichts.