Die Experten erwarten zahlreiche Exoten. Fischereibiologen des Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN) wollen dem Fischbestand des Elbe-Seitenkanals mittels einer groß angelegten Elektrobefischung auf den Grund gehen.
Unterstützt werden sie dabei von der Fischereibiologin des Anglerverbandes Hamburg (ASVHH). Die letzte Erfassung der Fischfauna liegt mehr als 15 Jahre zurück – seitdem hat sich das Unterwasserleben in Niedersachsen erheblich verändert. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erwarten also einige Überraschungen!
Schifffahrtskanäle – Highways für gebietsfremde Arten
„In den vergangenen 15 Jahren haben sich über ein Dutzend nicht-heimische Arten in Niedersachsens Gewässern angesiedelt. Und zwar nicht nur Fische, sondern auch Krebse, Muscheln und andere Wasserbewohner“, weiß Andreas Maday. Der Fischereibiologe des AVN koordiniert das fischereiliche Management der Pachtgewässer des niedersächsischen Landesverbandes – der Elbe-Seitenkanal (ESK) ist eines davon.
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen rechnen mit einigen so genannten Neozoen, nicht-heimischen oder gebietsfremden Arten. Darunter Fische wie die Schwarzmund- und die Kesslergrundel, oder auch Wolgazander und Wollhandkrabbe. Zumeist stammen diese Neubürger aus der Balkan-Region am Schwarzen Meer. Über das Ballastwasser von Frachtschiffen gelangten sie auch in niedersächsische Gewässer.
Konkurrenz oder Ko-Existenz?
Ob und wie diese „Aliens“ heimische Fischbestände beeinflussen, ist in vielen Fällen nicht untersucht. Der AVN hat deshalb vor zwei Jahren ein Bürgerwissenschaften-Projekt, auch Citizen-Science-Projekt genannt, gestartet. Die Niedersächsische BINGO-Umweltstiftung förderte dabei den Aufbau einer App, Umweltbildungsmaterialien und Info-Flyer. Über die App können Angler und Anglerinnen ihre Fänge nicht-heimischer Arten melden. Dadurch hoffen die Biologen neue Erkenntnisse zur Verbreitung und Ökologie der Arten in Niedersachsen zu gewinnen. Der Wolgazander steht im Fokus des Interesses: Angler können ihre Fänge zur wissenschaftlichen Untersuchung beim AVN einschicken.
Auch bei den Grundeln ist noch nicht klar, welchen Einfluss sie auf unsere Fischbestände haben. Mit >100 Fischen pro m2 können die bis zu 15 cm großen Tiere in Flüssen und Kanälen enorme Bestandsdichten erreichen. Raubfische wie Zander, Barsch und Quappe profitieren von der neuen Beute, während andere Arten mit dem zusätzlichen Appetit der Grundeln zu kämpfen haben.
Wissenschaft unter Strom
So genannte Transekte, Kanalstrecken von jeweils etwa 250m Länge auf beiden Uferseiten bilden die Grundlage für die Befischung mit dem Elektrofischereigerät. Sie wurden anhand der Befischungsdaten von 2006 ausgewählt, um eine größtmögliche Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten. Startpunkt ist die Mündung des Elbe-Seitenkanals in den Mittellandkanal, bei Wasbüttel/Calberlah. Vom Boot aus mittels Generator betrieben, erzeugt das Gerät ein Stromfeld im Wasser. Die Fische flüchten leicht betäubt zum Fangkescher, mit dem sie schonend aus dem Wasser geholt werden. Am Ende jeder Teilstrecke bestimmen und vermessen die Forscher die einzelnen Arten und setzen die Tiere anschließend wieder ins Wasser zurück. Nicht jedoch die gebietsfremden Arten! Sie werden fachgerecht betäubt und getötet und anschließend verwertet. Viele der Exoten sind sehr gute Speisefische.
Tausende Fische erwartet
„Der ESK ist fischreicher, als man auf den ersten Blick aufgrund des monotonen Verlaufs erwarten würde. Das macht ihn zu einem extrem beliebten Angelgewässer“, weiß Andreas Maday, selbst leidenschaftlicher Angler. Über die Befischung hoffen die Biologen auch Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Schonzeiten und Schonmaßen zu erhalten. Dazu gehört auch das so genannte „Entnahmefenster“ für einige Arten. Diese Hegemaßnahme, auch „Küchenfenster“ genannt, verpflichtet Angler und Anglerinnen, nicht nur zu kleine, sondern auch besonders große Exemplare einer Art schonend wieder zurückzusetzen. Letztere sind nämlich enorm wichtig für den Erhalt einer gesunden Fischpopulation. Es wird mit Tausenden Fischen in den zwei Tagen gerechnet.
-Pressemitteilung AVN-