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Oder: Algengift einer Brackwasser-Art nachgewiesen

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Die giftige Alge Prymnesium parvum aus der Oder bei Hohenwutzen, aufgenommen am 15. August 2022. Bild: Katrin Preuß/IGB

Neueste Untersuchungen erhärten den Verdacht, dass die Massenentwicklung einer giftigen Brackwasser-Alge in der Oder stattgefunden hat. Diese könnte eine Rolle beim massiven Sterben von Fischen, Muscheln und Schnecken sowie möglicherweise weiterer Tierarten gespielt haben.

Von einem natürlichen Phänomen gehen die Forschenden nach wie vor nicht aus, denn die Algenart Prymnesium parvum kommt auf den betroffenen Oder-Abschnitten unter natürlichen Bedingungen nicht massenhaft vor. Für Massenaufkommen ist sie in diesem Bereich auf Salzgehalte angewiesen, die nur durch industrielle Einleitungen entstehen können.

Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hatte die giftige Brackwasser-Alge in allen Proben der letzten Tage aus der mittleren Oder nachgewiesen und mikroskopisch identifiziert, der Nachweis des zugehörigen Algengifts stand jedoch noch aus. Die IGB-Proben wurden nun vom Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie der Universität Wien analysiert und die Annahmen dort bestätigt.

Gift in signifikanten Mengen nachweisbar

„Wir konnten eine Unterart des Algengiftes, der sogenannten ‚Prymnesine‘, zweifelsfrei und tatsächlich in signifikanten Mengen in Oderproben von verschiedenen Standorten nachweisen“, erklärt die Wissenschaftlerin Dr. Elisabeth Varga von der Universität Wien, die die Analysen dort am Massenspektrometriezentrum durchgeführt hat. „Aus vorherigen Forschungsergebnissen zu diesem Algengift wissen wir, dass das Gift stark an die Alge selbst gebunden ist. Wenn diese spezifische Algenart in sehr großen Mengen vorliegt, wie das in den Oderproben der Fall ist, muss auch von sehr hoher Giftkonzentration ausgegangen werden. Da alle Proben bereits im fortgeschrittenen Stadium der Algenblüte gezogen wurden, ist von einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Sterben von Fischen und Weichtieren auszugehen“, erklärt Elisabeth Varga. Zur Toxizität von Prymnesinen gebe es aber grundsätzlich noch Forschungsbedarf, es sei noch nicht abschließend geklärt, welche weiteren Organismengruppen über Fische und Weichtiere hinaus betroffen sein könnten. Dies gelte auch für potenzielle Auswirkungen auf den menschlichen Organismus.

Die exakte Mengenbestimmung aus den Biomasseproben der Alge selbst und der gezogenen Wasserproben läuft derzeit, sie ist jedoch technisch und zeitlich aufwändiger. „Prymnesine sind sehr spezifische organische Verbindungen, soweit bekannt mit bis zu 107 Kohlenstoffatomen. Grundsätzlich sind diese mit modernen Massenspektrometern messbar, werden aber in der Praxis nur in wenigen Laboren in Europa analysiert, auch weil nicht danach gesucht wird“, erklärt Dr. Stephanie Spahr, Leiterin der IGB-Arbeitsgruppe Organische Schadstoffe. Nachdem weltweit noch keine analytischen Standards für diese Gifte zur Verfügung stehen, erfolgte die eindeutige Zuordnung mittels zuvor charakterisierter Stämme, die im Rahmen von internationalen Projekten an der Universität Kopenhagen (Arbeitsgruppe Per J. Hansen) kultiviert und an der Dänischen Technischen Universität (Arbeitsgruppe Thomas O. Larsen) charakterisiert wurden.

Erst ermöglicht durch Salzeinleitungen

„Die Oder erlebt derzeit eine extreme Massenentwicklung planktischer Algen. Prymnesium parvum ist in allen Proben sehr dominant, in der Oder stellt die Alge mindestens die Hälfte der Gesamtalgenbiomasse, selbst nach Verdünnung durch den Zulauf der Warthe sind es derzeit immer noch 36 Prozent. So eine Massenentwicklung wurde nach meinem Wissen noch nie in unseren Gewässern beobachtet. Vermutlich wurde sie ermöglicht durch Salzeinleitungen, reichlich Nährstoffe, hohe Wassertemperaturen und lange Verweilzeiten in Staustufen und im ausgebauten Fluss“, unterstreicht IGB-Wissenschaftler Dr. Jan Köhler, Leiter der Arbeitsgruppe Photosynthese und Wachstum von Algen und Makrophyten.

„Jetzt fehlt noch die genetische Charakterisierung des Algenstammes. Es sind über 50 Stämme von Prymnesium parvum beschrieben, die sich in ihren Umweltansprüchen und der Toxinproduktion stark unterscheiden. Die Toxine werden derzeit in drei Gruppen zusammengefasst, wobei jede Gruppe aus mehr als 10 unterschiedlichen Toxinen besteht, was eine wesentliche Herausforderung bei der Bestimmung darstellt“, erläutert Jan Köhler.

Salzbelastung muss sinken

„Wir treten jetzt auch sofort mit den zuständigen Behörden in Kontakt, damit die Forschungsergebnisse in neue Messkampagnen und -programme integriert werden können“, erklärt IGB-Wissenschaftler Dr. Tobias Goldhammer, Leiter der Arbeitsgruppe Nährstoffkreisläufe und chemische Analytik. So könne die weitere Entwicklung an der Oder besser verfolgt werden. „Die von uns in den Proben gemessenen, erhöhten Salzgehalte treten öfter in der Oder auf, sie werden befördert durch industrielle Belastungen im Oberlauf. Insofern könnte es, wenn die Salzkonzentrationen nicht sinken und wir weiterhin zu heiße und trockene Sommer erleben, zukünftig auch wieder zu solchen giftigen Massenentwicklungen kommen“, unterstreicht Tobias Goldhammer.

-Pressemitteilung IGB-

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