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Selbstdarsteller

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Kann man noch gönnen oder ist Fangneid beliebter?
Kann man noch gönnen oder ist Fangneid beliebter?

Kürzlich stand ich für einen Reporter der Regionalpresse (Ostfriesen Zeitung) zur Verfügung. Ein Einseitenbericht über unsere Arbeit für die Angelbranche interessierte die Leser.

Dienstbeflissen hatte der Mann sich gut vorbereitet und im Internet reichlich Recherche betrieben. Wer ist dieser Matze Koch? Was macht er? Warum sind seine Filme gefragt? Nett unterhielten wir uns vor dem bullernden Ofen, bis er eine fiese Frage stellte. Ich liebe Journalisten, die noch wissen, wie man den Gesprächspartner an die Grenze bringt, ich bin ja selber von der provokanten Sorte. Unvermittelt fragt er: „Herr Koch, sind sie ein Selbstdarsteller?“

Der Brückenname wurde kaum merklich verändert, aber ist der Fisch eine Präsentation überhaupt wert?

Bin ich? Ist man? Gefahrlaufend mich zu wiederholen, wusste schon Roger Willoughby im Film „Ein Goldfisch an der Leine“, dass Angler Menschen sind, die unglaublich gerne reden. Man muss ihnen nur zuhören, und dem nächsten das gleiche erzählen, schon wird man als Fachmann wahrgenommen. Sogar als Verkäufer, der nie zuvor geangelt hat, und aus der Masse der Infos ein Buch schreiben kann. Warum reden Angler so gerne? Da hat zwei Gründe. Erstens, weil sie Informationen benötigen, um Erfolg zu haben. Und zweitens weil sie zeigen wollen, wie erfolgreich sie waren. Das „Wer – was – wann – wo!“, die Grundregel aller Journalisten, gilt auch für nichtschreibende Angler, weil sie scharf auf Informationen sind.

Durch geschickte Retousche wurde das Ufer entfernt, damit es niemand erkennt
Durch geschickte Retousche wurde das Ufer entfernt, damit es niemand erkennt.

Ein Phänomen allerdings ist verstörend und scheint allein in die Neuzeit zu gehören. Infos wollen alle. Geben will sie keiner. Seit die Socialmedia Plattformen die Selbstdarstellung wie nie vorher erlauben, kann jeder sich fühlen wie der Weltmeister persönlich, wenn er sein Fangfoto postet. Vorausgesetzt natürlich, dass man dem Foto klar entnehmen kann, dass der Fänger nasse Hände hat, eine Abhakmatte in greifbarer Nähe liegt, der Fisch nicht zu hoch, nicht zu weit vor, nicht an den Flossen, nicht an die Jacke gedrückt gehalten und auf keinen Fall schmutzig oder gar blutig sein darf. Sonst droht ein Shitstorm. Denn „Erregung ist der Normalzustand im Internet“, wie der brilliante Satiriker Dieter Nuhr zu berichten weiß.

Erregung ist Normalzustand im Internet - die Shitstormgefahr allgegenwärtig.
Erregung ist Normalzustand im Internet - die Shitstormgefahr allgegenwärtig.

Aus den erregten Kommentaren zieht man dann die Infos. „Wer weiß, wo der Fänger genau sitzt?“ – „Welche Hecke ist das im Hintergrund?“ – „Habe ich das Pflastermuster des Radweges, wo der Karpfen gestemmt wird, nicht schon mal irgendwo gesehen?“ – Ich kenne Angler, die rennen mit Fotos um Gewässer herum, um den Meter zu finden, wo das Fangfoto entstand. Ich habe sogar selber Kollegen, die kein Wort mehr mit mir sprechen, weil ich einen Hecht an einer Stelle fing, die der Mann für sich beanspruchte. Als hätte er dort angefüttert.

Eines ist übrigens klar: Wie auch immer jemand sich selbst darstellt und Bilder und Filme nach Herzenslust postet: Schuld ist am Ende auf jeden Fall dieser Matze Koch. Nur wegen dem werden die Gewässer zu Puffs. Auch das ist ein Tenor in meiner Gegend. Früher hatte der Prophet in seiner Vaterstadt keine Ehre, aber dass man ihm auch noch die Schuld gab, muss die Steigerung der Neuzeit sein. Reviereporte mit allen Details will jeder, und gehört zu den häufigsten Anfragen die mich erreichen. Nur wehe, wehe dem Journalisten, der über das Hausgewässer berichtet! Der ist des Todes. Jedenfalls (noch) theoretisch.

Regelrecht in Panik können einige „Spezialisten“ verfallen, wenn „ihre“ Gewässer in Berichten auftauchen. Dass diese Gewässer nur von denen erkannt werden können, die die Gewässer tatsächlich kennen, übersteigt dabei ihren Horizont.

Ich weiß was - aber nicht weitersagen...
Ich weiß was - aber nicht weitersagen...

Die verrücktesten Dinge habe ich in meiner Zeit als Journalist schon erlebt. Da wurden Zelte drei Tage vorher aufgebaut, und verwaist stehen gelassen, damit der Angelplatz besetzt erscheint und zum Wochenende bezogen werden kann. Da kommt Kollege A und befiehlt mir Kollege B nichts zu erzählen, kurz darauf bekomme ich die Infos, die Kollege B nicht wissen durfte, die er von Kollege A soeben selber erfahren hat. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Die Zeit des „Gönnenkönnens!“ ist wohl vorbei. Neid ist beliebter als Freude über den Fang des anderen.

Kumpel Holly drückte es kürzlich treffend friesisch knapp aus: „Informationsfluss sollte keine Einbahnstraße sein!“. Wer Infos will, sollte auch welche geben. So halte ich es auch mit den besten Kollegen. Zu denen Holly ebenso zählt wie, Ingo, Hansi, Bernd, Dirk und andere. Ja, es gibt sie noch, die Angler, die sich Fänge gönnen, und Infos tauschen. Austausch ist das was in beide Richtungen funktionieren muss. Und man sollte auch damit rechnen, dass sie ihrerseits weitergegeben werden. Wer nicht will, dass man seine Fanggründe erkennt, sollte keine Fotos posten.

Ist es wirklich so schwer, Infos auszutauschen und sich gemeinsam zu freuen?

So einfach kann es sein. Die Wahrheit aber lautet leider: „Ich will mich selber darstellen, aber keiner soll es wissen!“

Und was habe ich am Ende auf die brisante Frage geantwortet, ob ich ein Selbstdarsteller sei? Schlagfertig. Wie gewohnt:

„Ich teile meine Erlebnisse, die ich am Wasser und in der Natur hatte, gerne mit anderen. Und zwar auch dann, wenn ich nichts gefangen habe! Ob das Selbstdarstellung ist, müssen sie selber entscheiden!“

Der Redakteur entschied sich dagegen…

Euer Matze Koch

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