Kraftakt: Im Vergleich zur Feederrute kostet das Werfen mit der Brandungsrute deutlich mehr Energie. |
Uwe Böttchchers Tochter Manon mit Plattfisch. |
Uwe Böttcher ist bekannt für seine flotten Sprüche – und für noch pfiffigere Ideen. Im Duo mit Tochter Manon wagt er einen ungewöhnlichen Versuch: Brandungsangeln mit der Feederrute! Wahnsinn oder eine geniale Idee?
By Uwe Böttcher
„Hier bleiben wir. Am Wochenende wurden gute Dorsche gezerrt“, entscheidet Uwe mit Blick auf die Ostsee. Aber heute ist Dienstag, und das Meer in Sichtweite der Fehmarnsund-Brücke glatt und klar, der Wasserstand niedrig. Dazu kommt der Kälteeinbruch der letzten Tage. Alles andere als ideale Bedingungen zum Brandungsangeln. „Da kann es was auf die Mütze geben“, befürchtet er.
Doch die Flinte ins Korn zu werfen, kommt für den Profi nicht in Frage. Denn er will demonstrieren, dass Feederruten mit ihren sensiblen Spitzen eine sinnvolle Alternative zu den schweren „Brandungs-Knüppeln“ sind. Also wird ausgepackt, das Schirmzelt aufgeschlagen und werden die Dreibeine gerichtet.
Uwe und Manon wollen aber nicht nur mit der Feederrute zuschlagen. Um Wurfweite und Bisserkennung im direkten Vergleich zu prüfen, sind auch Brandungsruten im Gepäck. Zunächst aber wollen beide „testen, wohin der Strom zieht.“ Dazu montiert das Böttcher-Duo nur Blei an die Schnur und wirft aus. Und beobachtet, wie stark und in welche Richtung die Leine abdriftet. Gerade am Fehmarnsund mag die See noch so ruhig erscheinen; unter Wasser jedoch herrscht ein mächtiger Strömungsdruck, verursacht durch die tiefe Fahrrinne. Positiver Nebeneffekt der Testwürfe: Nach dem Einkurbeln liegt die Schnur sauber gewickelt auf der Spule. Eine Voraussetzung, „um weithinauspfeffern zu können“.
Erste Hilfe für Brandungsangler
Schon beim Warmwerfen zeigt sich ein großer Vorteil der Feederrute: Ohne das Blei hinter sich ablegen oder gar pendeln lassen zu müssen, wird lediglich mit einer schwungvollen Bewegung aus den Armen heraus nach vorne durchgedrückt. Die linke Hand (beim Rechtshänder) liegt dabei ganz am Ende des langen Griffteils. Ein guter Meter Schnur baumelt frei zwischen Rutenspitze und Blei. „Nicht das Kreuz des Anglers leiden lassen“, erklärt Uwe. „Die Power der Rute sorgt von ganz allein für Beschleunigung.“
Im Gegensatz zu den Kraftwürfen mit der Brandungsrute sieht das in der Tat eher mühelos aus. Und meistert erstaunliche Entfernungen: Weit über 100 Meter lässt der Profi die Schnur durch die Ringe schießen: „Erste Hilfe für Brandungsangler mit Rückenproblemen oder für weniger kräftige Naturen. Gerade Frauen finden damit leichter den Einstieg.“ Was Manon nicht nur bestätigen kann, sondern ebenso eindrucksvoll vorführt.
Klar, dass für die Brandung nur schwere Feederruten der Abteilung „heavy“ in Frage kommen. Uwes Modell misst 4,50 Meter, wirft noch Gewichte um die 100 Gramm und besitzt extra harte Spitzenteile.
Damit die Montagen nicht abreißen, sind auch bei dieser Rute knotenlos verjüngte Keulen- oder vorgeschaltete Schlagschnüre ein Muß. Letztere – eine Art dicke Sicherheitsleine vor der dünneren Hauptschnur – wählt Uwe kurz: „Gute fünf Meter lang. Drei Wicklungen müssen vor dem Wurf auf der Spule liegen. Dann wirft es sich optimal.“
Kurzes Vorfach ohne Klimbim
Das Vorfach darf ruhig eine Nummer kürzer als gewöhnlich sein – etwa halbmeterlang und mit nur einem Haken plus Auftriebsperle, Einhänge-Clip und 100-g-Birnenblei bestückt. „Zu viel Klimbim kostet nur Wurfweite“, erklärt der Ratzeburger beim Aufziehen der Wattwürmer. „Dann den Haken in den Clip hängen – und ab dafür!“
Die Montage landet am Rand eines dunklen Streifens, der eine tiefere Rinne im Wasser anzeigt. „Das beste kommt noch“, versichert Uwe, „nämlich der Biss – einfach unglaublich!“ Den soll die dehnungsfreie Geflechtschnur haarfein auf die sensible Rutenspitze übertragen. Die beiden Feederruten sind zunächst steil aufgerichtet abgelegt. Sie können jedoch ebenso in Kopfhöhe ans Dreibein gelehnt werden, solange nicht zuviel Kraut im Wasser treibt. „Dann gibt’s bei der Spitzenbeobachtung keinen steifen Hals.“
Nach dem Werfen zeigt sich Vorteil Nummer zwei der Zitterpartie. Die bibbernde Spitze zeigt genau an, wie das Blei über den Grund rollt. Genau richtig, um Platte und Dorsche „aufzuspüren“. Regt sich die Spitze nicht mehr, zieht der Profi kurz an der Schnur, um daran hängendes Kraut „abzubügeln“. Und schon bibbert’s wieder – noch im gleichmäßigen Takt.
Alarm! Neuer Trend?
Aber plötzlich zuckt die Spitze. Ein Räuber kostet die Wattis an. Zwei-, dreimal, dann folgt ein kräftiger, durchgehender Ruck. Alle Bissphasen sind haargenau zu erkennen, nicht anders wie beim Brassen-Feedern am Fluss. Das dritte Plus der Zitterübung.
„Der hängt“, ist sich Uwe schließlich sicher und schlägt an. Zügig wird herangekurbelt. Zwar nur eine gerade noch maßige Flunder, aber „Wahnsinn, was die kleine Platte für einen Alarm gemacht hat“, steht Uwe die Freude ins Gesicht geschrieben. Bisse, die man an der klobigen Brandungsrutenspitze nicht immer sieht. Und schon gar nicht auf derart faszinierende Art und Weise!
Kurz darauf zeigt auch Manon, dass ihr das Angel-Gespür ihres Vaters im Blut liegt: Wieder ist es ein Butt, den sie an den Strand dreht. „Richtige Hammer sind Dorschbisse von den großen 50er, 60er Kalibern. Dann kommt die Rute hinten hoch…“, macht Uwe Lust auf mehr.
Aber leider tut sich danach – bis auf Untermaßige und Fehlbisse – nichts mehr. Als auch noch Schnee rieselt, heißt es „einpacken“. Aber das Ergebnis ist eindeutig: Feederangeln in der Brandung ist wahnsinnig – wahnsinnig gut! An den Brandungsruten jedenfalls rührte sich den ganzen Abend absolut nichts. Bahnt sich vielleicht ein neuer Trend an?
Konservierte Wattwürmer
Bleiben beim Brandungs-Angeltörn noch Wattwürmer übrig, lassen sich diese für einen Einsatz Tage später fängig präparieren. Dazu wickelt Uwe die „Sandbohrer“ in Wellpappe. Das macht sie nicht nur haltbar, sondern verleiht ihnen auch eine besondere Duftnote. Auf die sprechen menschliche Nasen zwar nicht besonders gut an, dafür aber die Riecher von Dorsch und Plattfisch um so besser. Zudem bekommen die Würmer durch Uwes Spezial-Verpackung eine feste Konsistenz. Dadurch lassen sie sich sehr gut aufziehen.
Foto: Verfasser