Bis zum Ende der Forellenschonzeit müssen wir uns noch ein paar Wochen gedulden. Wer es gar nicht mehr aushält, den zieht es an kommerzielle Seen. Dort geht es dann auf eingebürgerte Amerikanerinnen.
Als 1871 an der Westküste Amerikas die erste künstliche Befruchtung von Eiern der Regenbogenforelle gelang, weckte dieser Erfolg auch in Europa Begehrlichkeiten. Bereits Mitte der 1870er Jahre trafen bei den amerikanischen Fischwirten erste Anfragen aus Deutschland ein. Absender war Max von dem Borne, der nicht allein Autor einiger Angelbücher war, sondern auch zu den führenden Fischexperten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählte. Der gelernte Bergbauingenieur und fischereiwirtschaftliche Autodidakt hatte etwa zeitgleich mit seinen amerikanischen Kollegen einen der ersten funktionstüchtigen Fischaufzucht-Apparate erfunden, diesen patentieren lassen und ihn erfolgreich in ganz Europa vermarktet. Außerdem war es ihm bereits gelungen, Sonnenbarsche und Katzenwelse aus Amerika zu importieren und sie als Aquarienfische in Deutschland zu züchten. Die Bedingungen auf seinem rund 80 Kilometer östlich von Berlin gelegenen Musterbetrieb Gut Berneuchen schienen ebenfalls ideal. Das 60 Hektar große Gelände verfügte über knapp 50 Teiche und wurde auf einer Länge von zehn Kilometern vom Flüsschen Mietzel durchflossen; es verfügte weiter über fünf natürliche Seen, die Max von dem Borne gern experimentell mit unterschiedlichen Exoten besetze. Dem Erfolg stand also nichts mehr im Wege.
Für Kochtopf und Angel
Der anglerische Wert der pazifischen Regenbogenforelle war für Max von dem Borne aber nicht das Wichtigste. Zwar war er als begeisterter Fliegenfischer auch daran interessiert, seine privaten Fließgewässer mit diesen wehrhaften Fischen zu besetzen, doch stand für ihn eher die Schnellwüchsigkeit sowie die im Vergleich zur heimischen Bachforelle wesentlich geringeren Ansprüche an Wasserqualität und Wassertemperatur der „neuen Forellen“ im Zentrum seiner Ansiedlungsabsichten. Regenbogenforellen sollten die Heringe des Süßwassers werden und die deutsche Bevölkerung mit gesunden und billig zu produzierenden Lebensmitteln versorgen. Genau diese volkswirtschaftliche Vorstellung hatten auch seine US-amerikanischen Kollegen im Sinn, als sie damit begannen, pazifische Forellenarten auf dem gesamten Gebiet der USA heimisch zu machen.
Regenbogenforellen-Transport nach Europa
Nicht nur die fischereiwirtschaftlichen Fortschritte der 1870er Jahre spielten Max von dem Borne und seinen deutschen Mitstreitern in die Hände; auch die damals hochmodernen Dampfschiffe kamen seinen Bestrebungen wie gerufen. Auf der Atlantikroute verkehrten sie nach einem ziemlich genauen Fahrplan, sodass man alles für die Überfahrt Nötige exakt planen und umsetzen konnte. In den hellen Laderäumen standen geeignete Transportgefäße mit regelmäßig erneuertem Süßwasser bereit und geschultes Personal kümmerte sich um die Pflege und Versorgung der Fische bzw. der befruchteten Eier. Trotz dieser recht fortschrittlichen Transportmöglichkeiten musste aber noch immer eine gewisse, wenn auch geringe, Verlustrate einkalkuliert werden.
Wesentlich problematischer als die Überfahrt erwies sich das letzte Stück der Reise, denn auf der Etappe von der Nordseeküste bis nach Berneuchen zeigte die Eisenbahngesellschaft kein gesteigertes Interesse am komplizierten Transport lebender Fische und wälzte jedes Risiko auf ihre Kunden ab. In einer im Februar 1883 erlassenen Verordnung der Eisenbahnen Deutschlands stand zu lesen, dass der Transport von Forellenbrut nur unter der Aufsicht einer vom Versender zu bestellenden und zu bezahlenden Begleitperson erfolgen durfte. Diese hatte dafür zu sorgen, dass „das Wasser in den Transportgefäßen von Zeit zu Zeit erneuert und evtl. mit Eis gekühlt wird, es sich nicht über 15 Grad erwärmt und die zu verschickende Fischbrut beim Übergang von einem Zug auf einen anderen nicht vergessen wird, stehen bleibt und infolge von Sauerstoffmangel in den Gefäßen erstickt.“
Die eingeführten Fische gediehen in Deutschland prächtig. Schon in den 1880er Jahren gelang es, viele der damals schon nicht mehr ganz sauberen Fließgewässer mit der robusten Regenbogenforelle aus Nordamerika zu besetzen. Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war so manche „Forelle blau“ eine vormals regenbogenfarbene.
Dr. Markus Bötefür