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Wasserpflanzen sind unverzichtbar

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Wasserpflanzen erfüllen in Gewässern wichtige Funktionen, werden aber von Anglern und Wassersportlern als störend empfunden. Bild: Solvin Zankl, IGB

In vielen flachen Seen weltweit nimmt die Zahl der Unterwasserpflanzen ab, stattdessen wachsen mehr Algen und freischwimmende Pflanzen.

Aber es gibt auch einen gegenläufigen Trend: In Gewässern, deren Wasserqualität sich verbessert hat, tritt zunehmend ein Massenwachstum von Wasserpflanzen auf. Da sie zahlreiche wichtige Ökosystemfunktionen erfüllen, ist hier ein umsichtiges Management gefragt.

Das Grün im Blau

Makrophyten – das sind größere, mit bloßem Auge erkennbare Wasserpflanzen – sind wichtige Lebensräume für verschiedenste Organismen und tragen zur Selbstreinigung von Gewässern bei. Gehen Wasserpflanzen verloren und breiten sich in Gewässern stattdessen Algen und schwimmende Pflanzen aus, werden zudem mehr Treibhausgase freigesetzt. Sabine Hilt untersucht, warum in vielen Gewässern in den letzten Jahren weniger Unterwasserpflanzen wachsen. „Man weiß, dass sowohl der Aufwuchs von Algen als auch die Trübung des Wassers dabei eine wichtige Rolle spielen. Schließlich benötigen die Pflanzen, die mit ihren Wurzeln im Gewässergrund verankert sind, dort unten Sonnenlicht für die Photosynthese, aber auch andere Stressoren spielen eine Rolle“, erläutert die IGB-Forscherin.

In Agrarlandschaften sind dies insbesondere verschiedene Pestizide kombiniert mit Nährstoffen. In einem großen Team mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Frankreich sowie dem UFZ Leipzig und der LMU München untersuchte sie die Wirkung eines Cocktails aus einem Herbizid, einem Insektizid, einem Fungizid und Nitrat sowie zusätzlichem Stress durch Erwärmung um 3 bis 4 °C auf aquatische Pflanzen und Tiere im Labor sowie in geschlossenen Becken (Mesokosmen) mit 600 Litern Wasservolumen. In diesen wurden typische Lebensgemeinschaften aus Flachseen gemäßigter Breiten inklusive dreier typischer Unterwasserpflanzenarten etabliert.

Wirkung von Glyphosat untersucht

Eine ähnliche Kombination typischer Stressoren untersuchte sie gemeinsam mit einem Team unter Leitung der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Wuhan. Die Effekte von Erwärmung, Nährstoffen und dem Pflanzenschutzmittel Glyphosat wurden einzeln und in Kombination auf das Wachstum von Algen und zwei Wasserpflanzenarten untersucht. Als Beispiele wählten die Forschenden typische Arten in chinesischen Gewässern wie die Grundnessel (Hydrilla verticillata), die an der Wasseroberfläche ein Blätterdach bildet, und die Wasserschraube (Vallisneria denseserrulata), die am Gewässergrund wächst. Um flache Seen zu simulieren, nutzten sie 48 Mesokosmen mit je 2.500 Litern Wasservolumen.

Die Ergebnisse beider Projekte zeigen deutlich: Insbesondere, wenn mehrere der untersuchten Stressfaktoren zusammenkommen, beeinflusst dies das Wachstum von Wasserpflanzen negativ. Eine kontinuierliche Erwärmung verstärkte oft die Wirkung des Pestizid-Nährstoff-Cocktails. Häufige Hitzewellen wirken sich dabei noch schädlicher aus als eine kontinuierliche Erwärmung. Besonders in landwirtschaftlich genutzten Landschaften steigt also das Risiko, dass Wasserpflanzen in flachen Gewässern verschwinden.

Andere Wasserpflanzen, höhere Methanemissionen

Ein geringeres Wasserpflanzen- und stärkeres Algenwachstum kann auch dazu führen, dass mehr Treibhausgase freigesetzt werden. Das zeigt ein weiteres Mesokosmen-Experiment in den Niederlanden, an dem Sabine Hilt beteiligt war. Die Forschenden untersuchten in drei aufeinanderfolgenden Jahren den Effekt einer Erwärmung um 4°C auf die Freisetzung von Treibhausgasen aus Mesokosmen, mit denen Gewässer simuliert wurden, in denen Unterwasserpflanzen, Schwimmblattpflanzen oder Algen vorherrschten. Dabei wirkte sich die Erwärmung in den von Schwimmblattpflanzen und Algen dominierten Mesokosmen deutlich stärker auf die Freisetzung von Methan aus als in Mesokosmen, in denen vorwiegend Unterwasserpflanzen wuchsen. Andererseits können dichte „Teppiche“ großer Schwimmblattpflanzen auch die Ausgasung von Methan verhindern; Methan kann dann in Kohlendioxid umgewandelt werden, wie in Experimenten mit Wasserhyazinthen am Hartbeespoort Dam in Südafrika herausgefunden wurde.

Die im Rahmen des Klimawandels erwartete Verschiebung des dominierenden Pflanzentyps von Wasserpflanzen hin zu Algen oder Schwimmblattpflanzen wird die Gesamtmenge der Treibhausgasemissionen aus flachen Gewässern sicherlich erhöhen – eine bisher übersehene Rückkopplung, die den Klimawandel weiter antreibt. „Bewirtschaftungsstrategien, die darauf abzielen, das Vorkommen von Unterwasserpflanzen zu begünstigen, könnten daher helfen, die Treibhausgasemissionen aus Gewässern zu verringern“, sagt Sabine Hilt.

Massenentwicklungen von Wasserpflanzen im Sommer

Doch auch massenhaft auftretende Wasserpflanzen lassen sich beobachten – vor allem in den Sommermonaten. Dann treten europaweit Massenentwicklungen von Wasserpflanzen in Still- und Fließgewässern auf. Der Grund dafür: „Makrophyten waren durch zu hohe Nährstoffeinträge jahrzehntelang verschwunden und wachsen heute bei verbesserter Wasserqualität und geringeren Nährstoffeinträgen wieder“, erklärt Sabine Hilt.

Grundsätzlich ist das positiv zu bewerten. „Wasserpflanzen sind ein wichtiger Teil unserer Gewässer. Sie beeinflussen die Stoffkreisläufe und interagieren mit anderen Gewässerorganismen. Während des Wachstums binden sie Kohlendioxid, das dadurch längerfristig ins Sediment eingelagert werden kann. Makrophyten nehmen überschüssige Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff aus dem Gewässer auf und geben durch ihren Stoffwechsel Sauerstoff ab, wodurch die Gewässer und deren Sedimente besser belüftet werden“, sagt Jan Köhler, der am IGB zu Wasserpflanzen und Algen forscht. Die Wasserpflanzen hielten zudem Trübstoffe zurück und verhinderten die Aufwirbelung von Sediment.

Pflanzen fördern Biodiversität

Wasserpflanzen-Bestände können aufgrund ihrer vielfältigen Struktur auch die Biodiversität fördern: Auf ihrer Oberfläche kann sich ein artenreicher Aufwuchs aus Algen und Bakterien entwickeln, der wiederum Lebensraum und Futtergrundlage von Kleintieren (Zoobenthos) ist. Makrophyten bieten Kleintieren Schutz vor Räubern und sind selbst Nahrung für verschiedene Wasservögel. Wasserpflanzenbestände sind außerdem wertvolle Laich- und Jagdgründe für Fische und Refugien für ihre Larven und Jungfische.

Deshalb überwiegen aus gewässerökologischer Sicht auch bei Massenentwicklungen häufig die Vorteile für die Natur. Nachteile ergeben sich vor allem für die menschliche Nutzung und Sicherheitsinteressen, insbesondere bei Fließgewässern: Ein sogenannter „Krautstau“ kann den Abfluss bremsen und so den Wasserstand im Fluss und den Grundwasserspiegel auf angrenzenden Flächen erhöhen.

Wasserpflanzen werden auch als störend empfunden

Dicht wachsende Wasserpflanzen können auch den Bootsverkehr und andere Wassersportaktivitäten behindern, beim Angeln stören oder für Badende unangenehm sein. Das ergab eine wissenschaftliche Befragung von Gewässernutzenden in Deutschland, Frankreich, Norwegen und Südafrika. „Über 70 Prozent der Befragten an jedem Standort empfanden die Makrophyten als störend“, erklärt Jan Köhler, der zusammen mit Sabine Hilt an der Studie beteiligt war.  Dies galt gleichermaßen für verschiedene Aktivitäten – Schwimmen, Boot fahren, Angeln, Wertschätzung der Biodiversität, Wertschätzung der Landschaft und Vogelbeobachtung. Anwohner empfanden die Wasserpflanzen dabei als deutlich problematischer als Besucherinnen und Besucher. Das Umweltbewusstsein der Befragten hatte keinen Einfluss auf die wahrgenommene Beeinträchtigung.

Wasserpflanzen sind wichtig, um den Klarwasserzustand von flachen Seen zu stabilisieren. Bild: Solvin Zankl, IGB

Entfernen von Wasserpflanzen birgt ökologische Risiken

Für Behörden und andere Akteure, die in die Gewässerbewirtschaftung involviert sind, kann es sehr herausfordernd sein, mit den Zielkonflikten zwischen Schutz oder Herstellung des guten ökologischen Zustandes einerseits und verschiedenen menschlichen Nutzungsinteressen andererseits umzugehen und Ansätze zu entwickeln, die alle Ziele berücksichtigen und abwägen. Entscheiden sich diese Akteure für Maßnahmen gegen Makrophyten, ist das Krauten – also das Mähen oder Entfernen von Wasserpflanzen – das meist gewählte Mittel.

Durch Krautung werden zwar kurzfristig Freiflächen für die Freizeitnutzung geschaffen oder auch der Abfluss von Gräben und natürlichen Fließgewässern erhöht, das Verfahren ist jedoch sehr teuer. Zudem können nach der Krautung Pflanzenfragmente in vorher unbetroffene Bereiche verdriftet werden und sich dort ansiedeln. Dann dehnen sich die Makrophytenbestände eher noch aus. Bei manchen Arten führen Krautungen sogar zu erhöhten Wachstumsraten. Da Krautungen wenig selektiv sind, werden schnell auch seltene Pflanzenarten reduziert, vielfältige Lebensräume zerstört und viele in den Wasserpflanzenbeständen lebende Tiere getötet. Auch können diese Maßnahmen zur Aufwirbelung abgesetzter Partikel und verstärkter Sauerstoffzehrung führen.

Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt

Auch die biologische Vielfalt der Kleinstlebewesen verändert sich: Sabine Hilt und Jan Köhler waren an einer Vorher-Nachher-Studie beteiligt, die die Auswirkungen der mechanischen Entfernung von Makrophyten auf Phytoplankton, Zooplankton und kleine Invertebraten untersuchte. Die Studie umfasste fünf Standorte in vier Ländern Europas und Afrikas mit sehr unterschiedlichen Merkmalen. Die Wiederholung desselben Versuchsplans an allen Standorten ermöglichte es, allgemeine von standortspezifischen Effekten zu unterscheiden.

Insgesamt wirkte sich die Entfernung von Makrophyten negativ auf die Biodiversität aus, insbesondere auf das Zooplankton und die Lebensgemeinschaften kleiner Invertebraten. Im Gegensatz dazu wurden die Phytoplanktongemeinschaften, also die Algen, durch die Entfernung von Pflanzen positiv beeinflusst. „Krautungen bergen also Risiken für die Biodiversität und können manchmal sogar zu einem algendominierten, trüben Zustand führen, der deutlich weniger Ökosystemfunktionen unterstützt und für viele Nutzungen weniger attraktiv ist“, erklärt Sabine Hilt.

Aktuell wird der ökologische Wert von Wasserpflanzen in der öffentlichen Diskussion häufig übersehen. Deshalb sollten zukünftig ökonomische, ökologische und ebenso soziale Aspekte bei Analyse und Maßnahmenplanung eingeschlossen werden. Erscheint es notwendig, Wasserpflanzenbestände zu verringern, sollten nachhaltige Maßnahmen den Vorzug erhalten, etwa indem man Nährstoffeinträge weiter verringert oder Uferbäume anpflanzt.

Armleuchteralgen bedecken in einem dichten Teppich den Grund, sie zeigen sauberes, nährstoffarmes Wasser an. Bild: Solvin Zankl, IGB

Eine Erfolgsstory: Armleuchteralgen kehren in den Müggelsee zurück

Ein erfreuliches Beispiel für die Wiederbesiedlung durch Wasserpflanzen bietet der Berliner Müggelsee. Dort hat sich die Armleuchteralge wieder angesiedelt, nach langer Abwesenheit. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Nährstoffzufuhr an, massive Einträge führten ab den 1970er Jahren dazu, dass der Müggelsee infolge der daraus resultierenden starken Wassertrübung seine Unterwasservegetation fast vollständig verlor. Erst nach einer deutlichen Reduzierung der Nährstoffeinträge tauchten Wasserpflanzen ab den 1990er Jahren langsam wieder auf. Seit etwa 2011 verringert sich die Wassertrübung im Müggelsee zusätzlich durch den Einfluss der eingewanderten Quagga-Muschel. Die Unterwasserflora bildet nun teilweise sehr dichte Bestände bis in eine Wassertiefe von 3-4 Metern, und auch der Artenreichtum hat sich deutlich erhöht.

Armleuchteralgen und andere niedrigwüchsige Arten wurden letztmalig vor über 100 Jahren im Müggelsee nachgewiesen. Jetzt, nach 20 Jahren intensiver Kartierung und Tauchuntersuchungen, wurden gleich drei Arten dieser gewünschten Unterwasservegetation gefunden: die Zerbrechliche Armleuchteralge (Chara globularis), die Stern-Armleuchteralge (Nitellopsis obtusa) sowie eine Glanzleuchteralgen-Art (Nitella spec.). Armleuchteralgen sind nicht ganz Alge und nicht ganz Pflanze, in jedem Fall aber sind sie ein deutlicher Hinweis auf geringere Nährstoffkonzentrationen und saubere Gewässer. Sie haben all die genannten positiven Effekte, stören aber die Gewässernutzung nicht, da sie nicht zur Wasseroberfläche wachsen. Ob sie in den nächsten Jahren größere Bestände etablieren können, bleibt abzuwarten – und zu wünschen.

-Pressemitteilung IGB-

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