Das Boot dümpelt im lauen Wind mitten auf dem See, das Echolot zeigt 60 Meter Tiefe an. Ein leichter Grünschimmer ist in der Wasserfarbe zu erkennen, trotzdem beträgt die Sichttiefe mehr als drei Meter. Hier ist das Revier der Freiwasserhechte, die gerne über den großen Tiefen oberflächennah auf Maränen warten. Oder eben auf meinen blau-grauen Gummifisch, den ich schon seit einigen Stunden mitten in den See werfe, bisher ohne Kontakt. Aber das macht nichts, ich vertraue dem Angelplatz und meinem Köder.
Heute wird schon noch ein Hecht beißen, da bin ich mir sicher. Diese Sicherheit musste ich mir aber hart erarbeiten, denn das Wurfangeln im Freiwasser ist kein Zuckerschlecken. Während man beim Schleppangeln mehrere Kilometer Wasserfläche am Tag absuchen und vier Köder gleichzeitig präsentieren kann, sieht es beim Werfen anders aus. Geradezu lächerlich kurz wirken die 50 Meter weiten Würfe mit dem Gummifisch in die endlose Wasserfläche. Und dann die quälenden Fragen, die einem beim Einkurbeln durch den Köpf gehen: Angle ich zu tief? Oder zu flach? Ist mein Köder groß genug? Ist das überhaupt eine gute Stelle? Und habe ich die richtige Farbe ausgewählt?
Hechte gucken genau hin
Zumindest die letzte Frage kann ich mittlerweile recht genau beantworten und halte sie zudem für eine der wichtigsten. Denn mit der falschen Köderfarbe kann man ewig angeln, ohne einen Biss zu kassieren. Da sind Freiwasserhechte gnadenlos. Sie scheinen in dieser Hinsicht sehr viel anspruchsvoller zu sein als ihre Kollegen in den krautigen Uferregionen. Aber das ist auch mehr als verständlich. Das Wasser ist meistens sehr klar, der Hecht hat Zeit, sich den Köder genau anzuschauen. Er muss nicht fürchten, dass die Beute im nächsten Strauch oder Seerosendschungel verschwindet, wenn er nicht sofort zupackt. Im Freiwasser gibt es kein Entrinnen, schon gar nicht für so eine lahme Beute wie unseren Gummifisch. Der schwimmt zudem noch nahe der Oberfläche, da gibt es viel Licht, gute Sichtverhältnisse also. Der erfahrene Großhecht wird also einen Teufel tun und sich auf jedes bewegte Objekt stürzen, egal wie bunt und unnatürlich es ist. Diese Erkenntnis hat mich Tage ohne Bisse gekostet, denn was in den Krautregionen gut fängt, funktioniert im Freiwasser noch lange nicht.
Zwei Einflüsse entscheiden
Es gibt zwei entscheidende Faktoren, die die Wahl des Köderdesigns beeinflussen: die Futterfische und der Trübungsgrad des Wassers. In der Regel stehen Maränen oder Felchen ganz oben auf der Speisekarte von großen Freiwasserhechten. Fragt man jetzt Angler, wie diese aussehen, kommt eine einheitliche Antwort: Silber glänzend. Stimmt auch, aber nur fast. Maränen scheinen zwar in erster Linie silbrig-weiß zu sein, was die Köderwahl vereinfachen würde, haben aber durchaus unterschiedliche Tönungen. Manchmal schimmern sie bläulich, violett oder auch stahlgrau, je nach Gewässer und Jahreszeit. Ist das Wasser jetzt sehr klar, die Sichttiefe also größer als drei Meter, müssen wir mit unserer Köderfarbe so gut wie möglich diesen Farbton kopieren. Das ist gar nicht so einfach, denn viele Köderhersteller meinen es zu gut und färben die Köder zu kräftig ein.
Was wir brauchen, ist ein Gummifisch, der grundsätzlich das Fischdesign Schwarz/Grau/Weiß beinhaltet und dazu noch den leichten Farbtupfer Blau oder Violett an der Flanke aufweist. Mit dieser Farbkombination liegt man immer richtig und kann Strecke absuchen oder auf Beißzeiten warten.
Schwieriger wird es, wenn das Wasser leicht eingetrübt ist, die Sichttiefe durch die Algenblüte also etwa 1,5 Meter beträgt. Dann kann es wichtig sein, die Aufmerksamkeit der Hechte zu erregen, ohne den Räuber durch zu bunte Elemente zu vergrämen, wenn er sich den Köder genauer ansieht. Jetzt funktionieren Farben wie Schwarz, Grau-Schwarz mit Silber-Glitter oder auch ein kräftiges Lila recht gut.
Der Köderfarbe vertrauen
Sie erwarten jetzt sicher, dass ich bei noch geringeren Sichttiefen von etwa einem Meter oder in der Dämmerung Schockfarben empfehle. Das kann ich aber nur bedingt. Ehrlich gesagt, habe ich bisher auf wirklich grelle Schockfarben wie Fluogelb nur sehr schlecht im Freiwasser gefangen, obwohl ich sie immer wieder mit Vertrauen fische. Erstaunlich, denn Schleppangler wie Herbert Ziereis schwören an manchen Seen auf grelle Schocker, auch im klaren Wasser. Bei mir liefen diese Dekors aber bisher unterdurchschnittlich schlecht. Bei wenig Licht und trübem Wasser sind meine Favoriten eher Schwarz, Motoroil oder Hot-Olive (nicht UV-aktives Grün mit leicht orangenem Bauch).
Aber selbst mit der richtigen Köderfarbe muss eines klar sein: Freiwasser-Werfen bedeutet so viel wie möglich Angeln für einen Biss am Tag. Natürlich gibt es auch gute Tage, an denen fünf große Hechte beißen, aber die sind eher die Ausnahme. Die Regel lautet: Ein bis drei Bisse, dann hat man alles richtig gemacht. Die Quote ist für viele sicher ernüchternd genug. Da ist es enorm wertvoll, wenn man seiner Köderfarbe voll vertraut.