Es wird zu bunt im Gillbach! Eine weitere nichtheimische Buntbarschpopulation wurde in Deutschland nachgewiesen.
Der Gillbach fließt in Nordrhein-Westfalen durch Rommerskirchen, Butzheim und Speck, nur wenig erinnert hier an die Tropen. Und trotzdem fühlen sich in dem höchstens einen Meter tiefen Bach Guppys, Antennenwelse und neuerdings auch Marienbuntbarsche wohl, überwintern und vermehren sich.
Der „tropische“ Gillbach in NRW. Foto: Juliane Lukas
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und zwei weiterer Leibniz-Institute erforschen im Gillbach, wie sich die Kühlwassereinleitung des nahen Kohlekraftwerks und ausgesetzte Aquarienfische auf das Ökosystem des Bachs auswirken. Um die Pointe vorwegzunehmen: Aquarienfische gehören nicht in heimische Gewässer.
Der Gillbach wird aus dem warmen Kühlwasser des Braunkohlekraftwerks Niederaußem gespeist. Da sein Wasser hierdurch selbst im Winter tropische Temperaturen um die 20°C aufweist, bietet er gute Lebensbedingungen für Fisch- und Pflanzenarten aus (sub)tropischen Gefilden. In dem künstlich erwärmten Gewässer überstehen viele ausgesetzte, nichtheimische Arten unsere kalten Winter und können sich fortpflanzen. Hierzu gehört nun auch die erste in Europa nachgewiesene freilebende Population des Marienbuntbarsches (Pelmatolapia mariae).
Der Marienbuntbarsch ist nur einer unter vielen „eingewanderten“ exotischen Fischen, die den ForscherInnen in den letzten Jahren in dem nordrhein-westfälischen Bach ins Netz gegangen sind. Jahr um Jahr werden Guppys, Antennenwelse, Tilapien, Zebrabuntbarsche und sogar Kois und Amanogarnelen gefangen. „Fast alle Funde lassen auf einstige Zierfische schließen, die von Aquarianern dort aus- bzw. eingesetzt wurden, weil ihnen die Tiere fürs Aquarium zu groß, zu aggressiv oder zu vermehrungsfreudig geworden sind“, beschreibt Juliane Lukas, Erstautorin der Studie, die Situation. Für eine andere Buntbarschart (Oreochromis sp.), als Speisefisch unter dem Namen Tilapia bekannt, konnte die Gruppe genetisch nachweisen, dass es sich vermutlich um Nachfahren von Tieren aus einer stillgelegten Aquakulturanlage handelt, die früher mit dem Warmwasser des angrenzenden Kraftwerks betrieben wurde.
Plädoyer gegen das Aussetzen von gebietsfremden Arten
Für den Marienbuntbarsch mag das sandige Flussbett und die flache Uferzone – ähnlich seiner nigerianischen Heimat – eine angenehme Alternative zum Aquarium sein. Für die heimische Tier- und Pflanzenwelt wird mit jeder neuen, fremden Art ein weiteres Problem in den Bach gesetzt. Die Neulinge sind Überträger nichtheimischer Krankheitserreger und Parasiten und stellen somit eine Gefahr für die alteingesessene Fischwelt dar. Dass der Marienbuntbarsch sehr überlebensfähig und ausbreitungsfreudig ist und die heimische Tierwelt vor Ort verdrängen oder mit fremden Krankheiten infizieren kann, weiß man aus Gewässern in Nordamerika und Australien, wo er sich ebenfalls ansiedeln konnte. Ein ähnliches Szenarium ist beispielsweise auch für die Mittelmeerregion vorstellbar, sollte er dort eingeschleppt werden.
Je länger künstlich aufgeheizte Gewässer wie der Gillbach bestehen, desto mehr nichtheimische Arten können sich dauerhaft ansiedeln. Diese Entwicklung ist auch aus dem Warmbach in Österreich und thermisch belasteten Gewässern in der Südtoskana bekannt. Dr. David Bierbach, wissenschaftlicher Leiter der Studie am IGB und seit Jahren am Gillbach unterwegs, appelliert deshalb an Aquarianer und Betreiber von Aquakulturen: „In der Bevölkerung fehlt noch immer das Bewusstsein, dass man keine gebietsfremden Tiere aussetzen sollte. Und es tatsächlich auch nicht darf. Es ist per Tierschutzgesetz verboten. Anders als bei früheren Invasionswellen wissen wir dieses Mal genau, wo die gebietsfremden Tiere im Gillbach herkommen – nämlich aus Aquarien und Aquakulturen. Deshalb wissen wir auch, wie wir sie verhindern können: kein Aussetzen mehr!“
Was macht den Gillbach so anziehend für die Wissenschaft?
Der Marienbuntbarsch wird sich vermutlich nicht vom Gillbach ausgehend in anderen Gewässern verbreiten, da er bei niedrigeren Temperaturen kaum Überlebenschancen hat. „Solche für unsere Breiten unüblich warmen Gewässer sollten in der Forschung dennoch nicht unterschätzt werden“, fordert Lukas. Auch wenn – erfreulicherweise – nicht überall in Deutschland Gillbach-Verhältnisse herrschen, haben thermische Gewässer beachtliches Forschungspotential: hier können Migrationsprozesse nachvollzogen und mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Tier- und Pflanzenwelt in hiesigen Bächen und Flüssen erforscht werden. Der Gillbach als unfreiwilliges Freilandexperiment zeigt, wie sich steigende Temperaturen und eingeschleppte Arten auf die heimische Artenvielfalt auswirken können.
Studie: Lukas JAY, Jourdan J, Kalinkat G, Emde S, Miesen FW, Jüngling H, Cocchiararo B, Bierbach D. (2017): On the occurrence of three non-native cichlid species including the first record of a feral population of Pelmatolapia (Tilapia) mariae (Boulenger, 1899) in Europe. R. Soc. open sci. 4: 170160. http://dx.doi.org/10.1098/rsos.170160
-IGB/Forschungsverbund Berlin-