Heute endet in fast allen Gewässern die Forellenschonzeit. Fliegen- und Spinnfischer haben diesem Termin seit Oktober entgegengefiebert. Neu ist dieses Phänomen nicht, denn schon vor 150 Jahren war die Schonung der Rotgetupften waidmännische Ehrensache.
Kommt die Sprache auf den Beginn des sportlichen Forellenfischens, so kommt den meisten Leuten der Name John Horrocks (1816–1881) in den Sinn. Tatsächlich hatte der Brite in den 1850er Jahren das Fliegenfischen in Deutschland etabliert und gilt bei uns mit Fug und Recht als der Vater des waidgerechten Salmonidenfangs. In seinem 1974 erschienen Buch „Die Kunst der Fliegenfischerei auf Forellen und Aschen in Deutschland und Oesterreich“ erinnerte er sich an seine ersten, vierzig Jahre zuvor gemachten Würfe mit der Fliegenrute an einem Thüringer Bach mit folgenden Worten: „Als ich im Jahre 1835 zum ersten Mal Deutschland besuchte, wußte man nichts davon; nicht nur Fischer und Bauern, selbst gebildete Leute sahen die Erscheinung eines Engländers, der den Fluß mit einer langen Leine peitschte, mit unverhehltem Staunen an, und selbst ein Erfolg überzeugte sie nicht, daß sie es nicht mit einem Ueberspannten zu thun hätten.“ Und tatsächlich war das Fliegenfischen im 19. Jahrhundert ein recht snobistischer Sport, den nur vermögende Adlige und reiche Bürger pflegen konnten. Die Masse der Angler, und somit auch der Forellenangler, blieb dem traditionellen Würmchenbaden treu.
Idealfall und Realität
Ein Jahr vor der Erstauflage von Horrocks Buch, das später zu einer deutschen Fliegenfischerbibel werden sollte, erschien in der damals sehr populären Familienzeitschrift „Die Gartenlaube“ ein Artikel, der ein ganz anderes und wohl auch realistischeres Bild auf das Forellenangeln in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirft. Der anonyme Autor des Beitrages „An strömenden Gebirgswässern“ gibt seinen Lesern Tipps und Tricks zum Fang von Bachforellen, die eingefleischten Fluganglern noch heute das Blut in den Adern gefrieren lässt: „Unter den natürlichen Ködern für die hier in Betracht gezogenen Fischarten stehen die Heuschrecken (Grashüpfer) obenan. Nächstdem sind folgende natürliche Köder zu empfehlen: kleine Fischchen, rohe Krebsschwänze oder Scheren ohne Schalen, ganz kleine Frösche, Wasserspinnen, große Mücken und bei trübem Wasser auch Regenwürmer, Mehlwürmer und große Maden.“
Minimalismus pur
Auch für das nötige Angelgerät mussten Einsteiger ins Forellenfischen keinen großen Aufwand treiben. Die Rute war schnell hergestellt und bestand aus einem Stock, den man sich „an Ort und Stelle“ schnitt. Dazu wählte man „eine gerade gewachsene, möglichst leichte, dabei aber feste elastische Ruthe von neun bis zwölf Fuß Länge von Haselnuß, Hartriegel, Buche, Ahorn etc.“ Auch die passende Schnur war schnell gefunden: „Die Leinen, aus welchen die Angelschnüre hergerichtet werden, sind aus Hanf, Seide oder Pferdehaar gefertigt. Die Länge der Schnur, inclusive Vorfach, ist für das gewöhnliche Auswerfen annähernd gleich der Länge des Stockes zu bemessen. […] Den Schwimmer (die Flosse, Kork oder Federkiel) läßt man bei dem Angeln auf Forellen am besten ganz weg; diese scheut sich davor, und in stark strömendem Wasser zeigt der Schwimmer ohnedies den Biß nicht an, da er durch den Strudel zu stark bewegt wird.“
Frühe Regeln
Und obwohl Schonzeiten und Mindestmaße noch längst nicht in den Gesetzbüchern standen, war es für den anonymen Autor und Forellenfreund Ehrensache, den Fischen nur während der vom Waidmann dafür auserkorenen Saison nachzustellen, die er zwei Monate später als wir beginnen ließ: „Ein Dilettant, der unter Beachtung der vorstehend gegebenen, nach eigener Erfahrung aufgestellten Regeln seine Angeloperationen in den Monaten Mai bis inclusive September ausführt, kann sich eines lohnenden Erfolges versichert halten, wird diese angenehme Unterhaltung bald sehr lieb gewinnen und nach Schluß der Saison mit Sehnsucht dem Beginne der nächstjährigen entgegensehen.“
Dr. Markus Bötefür