Der Fisch aus der Familie der Seequappen wurde in 595 Metern Tiefe gefunden. Fachleute von „Senckenberg am Meer“ in Wilhelmshaven haben gemeinsam mit einem europäischen Team eine neue Fischart beschrieben.
Gaidropsarus mauritanicus ist nur etwa 73 Millimeter lang und lebt in den Kaltwasserkorallenriffen vor der Küste Mauretaniens (Nordwestafrika). In ihrer jetzt im Fachjournal „Journal of Fish Biology“ veröffentlichten Studie erklären die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass der Fisch aus der Familie der Seequappen vermutlich aufgrund seiner geringen Körpergröße und seiner versteckten Lebensweise bislang unentdeckt blieb.
Verwandt mit Dorsch und Quappe
Mehr als ein Viertel der weltweit kommerziell gefangenen Meeresfische gehören zu den Dorschartigen (Gadiformes) – wirtschaftlich besonders bedeutend sind beispielsweise der Kabeljau, der „Alaska-Seelachs“ oder der Schellfisch. „Zur Ordnung der Gadiformes gehören aber auch sehr viel kleinere, eher unbekannte und kaum erforschte Fischfamilien. So beispielsweise die Seequappen – Gaidropsaridae –, die kaum kommerziellen Wert haben, aber ein bemerkenswertes Verbreitungsgebiet aufweisen“, erklärt Alexander Knorrn, Doktorand bei Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven.
Lebt in Kaltwasserriffen in 400 bis 600 Metern Tiefe
Knorrn hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Portugal und Spanien im Rahmen seiner Promotion eine neue Art aus der Familie der Seequappen beschrieben. Gesammelt und erstmals gesichtet wurde der etwa 73 Millimeter lange Fisch, der nun als Holotyp der Art dient, vor der Küste Mauretaniens in 595 Metern Tiefe. Dort liegt der weltweit größte Kaltwasserkorallenriff-Komplex, die „Mauretanische Mauer“, die mindestens 580 Kilometer lang und zwischen 80 und 100 Meter hoch ist. „Die Fische wurden außerdem bei acht Tauchgängen mit einem ferngesteuerten Tauchroboter entlang der mauretanischen Küste in einem Bereich zwischen 613 und 416 Metern beobachtet“, ergänzt der Wilhelmshavener Forscher.
Die neue Fischart konnte mit Hilfe einer Kombination verschiedener Merkmale von seinen Artgenossen unterschieden werden – darunter fallen die großen Augen und der Kopf, der ein Viertel der Körperlänge des Tieres einnimmt, verlängerte Bauchflossen sowie die rosa Färbung. Genetische Analysen bestätigen, dass es sich um eine bislang unbeschriebene Art handelt. „Das ist insofern beachtlich, da neue Wirbeltierarten eher selten sind“, so Knorrn.
Entdeckt von einem Tauchroboter
Gefangen wurde der kleine Fisch mit Hilfe eines Greifers und gemeinsam mit einer Vielzahl lebender Tiefseetiere, darunter Korallen, wie die koloniebildende Steinkoralle Desmophyllum pertusum oder die rote Tiefwassergorgonie Swiftia phaeton, sowie größere Schwammkolonien, Moostierchen, Schlangensterne, Ringelwürmer, Zehnfußkrebse, Schnecken und Muscheln. „Auch die Videoaufnahmen zeigen, dass Gaidropsarus mauritanicus ausschließlich in den Korallen oder in unmittelbarer Nähe lebt und somit eng verbunden mit den dortigen Tiefwasserkorallenriffen lebt“, fügt Knorrn hinzu und weiter: „Eines der Individuen wurde mit weißlich gefärbten Flecken auf der Haut beobachtet. Es war der einzige von uns beobachtete Fisch, der unter einem verzweigten, weißlichen Moostierchen – Celleporina cf. lucida – Schutz sucht.“ Die vermutliche Territorialität der neuen Fischart gepaart mit einer eher versteckten Lebensweise sowie mit der geringen Größe der Tiere, führt das Wissenschaftsteam als Grund an, weshalb die Tiefseeart bislang unentdeckt blieb.
Schützenswertes Ökosystem
Korallenriffe in den tiefen und kalten Regionen der Weltmeere haben eine enorme Bedeutung als „Kinderstube“, Reproduktionszentrum und Jagdgebiet für räuberische Arten. In ihren Kalkgerüsten finden viele Organismen, wie Fische, Krebse, Muscheln, Schwämme und Schnecken, Schutz und Nahrung. Zudem dienen die Riffe als CO2-Speicher. Doch Kaltwasserkorallen sind gefährdet: Sauerstoffmangel und Versauerung der Ozeane bedrohen die Riffe. Auch die intensive Schleppnetzfischerei setzt den Tiefseekorallen erheblich zu. „Mit der Benennung von Gaidropsarus mauritanicus möchten wir darauf hinweisen, dass Mauretanien über ein einzigartiges, enorm artenreiches marines Ökosystem verfügt, das es dringend zu schützen gilt“, schließt Prof. Dr. André Freiwald, Abteilungsleiter Meeresforschung bei Senckenberg am Meer.
-Pressemitteilung Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung-