Wie wirft man eigentlich mit der Achsrolle? Ist das Angeln mit der „Pin“ nicht viel zu kompliziert? THOMAS KALWEIT nimmt Ihnen die Berührungsängste.
Der Drill eines mittelgroßen Karpfens mit der Centrepin ist für viele Angler ein Schock! Zum ersten Mal in ihrem Leben spüren sie unmittelbar die Kraft des Fisches in der Rollenkurbel. Selbst bei erfahrenen Petri-Jüngern bricht Panik aus, wie bei einem Schulbub, der zum ersten Mal eine Rute in der Hand hält. Oft reicht dieses Erlebnis aus, um lebenslang mit dem Pin-Virus infiziert zu sein. Inzwischen ist die Achsrollen-Angelei vor allem in England ein regelrechter Trend – es gibt kaum einen Barben- oder Döbelangler, der nicht damit an den Flüssen entlangpirscht. Auch Naturköder-Hechtangler benutzen Centrepins, und Lachs- und Steelhead-Freaks in Nordamerika haben sie längst für sich entdeckt.
Faszination Centrepin
Es gibt Leute, die fahren einen alten englischen Sportwagen, auch wenn dieser mindestens einmal in der Woche mit überkochendem Kühler liegen bleibt. Das gesteigerte Fahrvergnügen in dem charmanten Gefährt macht die technischen Probleme doppelt wett. Ähnlich liegt die Sache bei den Centrepin-Anglern: Beherrscht man nach jahrelangem Üben die komplizierte Wurftechnik einmal perfekt, dann wird der Fang eines guten Fischs durch den Aufwand sozusagen „geheiligt“. Das ist wie das meditative Bogenschießen der Zen-Meister – der asymmetrische Kyudo-Bogen eignet sich gar nicht zum sicheren Treffen, umso größer das Vergnügen, wenn man damit immer ins Ziel trifft.
Das Wort „Centrepin“ (englisch für „Mittelachse“) bedeutet, dass die Achse, auf der die Spule frei läuft, nur an einer Seite am Rollengehäuse befestigt ist. Dieses Rollenbauprinzip wurde um 1850 in der englischen Grafschaft Nottingham erfunden.
Wer weit werfen will, für den ist die Centrepin nichts. Sie ist die Rolle für den Nahbereich, für die Angelei an kleinen Teichen und Flüssen, an denen der Köder in der Regel nur mit einem Unterhandwurf hinausgeschlenzt wird. Am Fluss übernimmt die Strömung für den Angler das Werfen. Mit Watstiefeln steht man im Wasser, schlenzt die Avonpose oder den Loafer mit einem leichten Unterhandwurf ins Wasser, und schon beginnt die Drift, so weit, bis die Pose in der Ferne mit einem Ruck verschwindet…
Der große Vorteil der Centrepin beim Posenangeln im Fluss ist, dass der Schwimmer durch den Ablauf-Widerstand der Rolle minimal verzögert in der Strömung abtreibt. Das ist deshalb von Bedeutung, da die Strömung im Fluss in Grundnähe durch den Reibungswiderstand der Kiesel deutlich geringer als an der Oberfläche ist. Und unser Köder treibt ja in Grundnähe, wo Hasel, Döbel, Rotauge und Barbe ihn hoffentlich willig einsaugen wollen. Erst durch die Pin können wir ihn dort so natürlich wie möglich präsentieren. Die Drift der Pose verläuft vollkommen gleichmäßig und nicht so ruckartig wie bei der Stationärrolle, bei der die Schnur in Klängen abspringt.
Daumen als Bremse
Zwar haben Centrepins keine Bremse, dennoch lässt sich mit keinem anderen Rollenmodell die rasante Flucht eines guten Fisches gefühlvoller ausbremsen. Mit dem Daumen auf dem Spulenrand spürt man förmlich, wenn der Drill in die heiße Phase kommt. Beim Anschlag muss man darauf achten, dass der Daumen die Spule blockiert, sonst endet der Anhieb in einem riesigen Vogelnest aus Angelschnur.
Viele Anfänger haben mit der Centrepin folgendes Problem: Vor allem bei Seitenwind weht lockere Schnur von der Spule um den Rollenfuß. Das kann schon ziemlich nervig sein, zumal man Gefahr läuft, in dieser Situation bei einem Anschlag alles abzureißen. In diesem Fall kann eine Schnurführung (Line Guard) an der Centrepin ganz nützlich sein. Allerdings nur, wenn man nicht werfen muss, und der Angler die Pose einfach unter der Spitze ins Wasser setzen kann, etwa beim Trotting mit der Stick-Pose. Denn die Schnurführung macht die meisten Wurfstile, zum Beispiel den Wallis Cast, unmöglich. Ideal sind Rollen, bei denen man mit wenigen Handgriffen die Schnurführung an- und abmontieren kann, wie es bei der Hardy Conquest der Fall ist (siehe Extrakasten).
Große und kleine Spulen
Es gibt kleine und große Centrepins. Von Modellen mit großem Durchmesser kann eine abtreibende Pose viel leichter Schnur abziehen. Deshalb sind Pins für die feine Stickfischerei teilweise sogar kuchentellergroß, zum Beispiel die Adcock Stanton mit einem Durchmesser von fünf Zoll (www.adcockstanton.com). Die Erklärung ist einfach: Bei einem größeren Rollendurchmesser ist auch der physikalische Hebel länger, der die Rolle in Bewegung setzt. Es ist also weniger Zugkraft an der Schnur nötig, um die Centrepin zum Laufen zu bringen.
Große Pins haben auch eine größere „Übersetzung“, pro Rollenumdrehung holen sie beim Einkurbeln mehr Schnur ein. Hat man die Pose einmal 40 Meter abtreiben lassen, dann freut man sich über jedes Zoll Rollendurchmesser. Anfänger sollten sich keine zu schmale Pin zulegen, denn hier springt die Schnur besonders gerne ab.
Modelle mit kleinem Durchmesser (unter 4,5 Zoll) sind vor allem für die gröbere Grundangelei auf Barben und Döbel geeignet. Angelarten also, bei denen keine Schnur von der Strömung abgezogen werden soll. Wichtig ist, wenn man die Rute mit einer Centrepin zum Grundangeln auf einem Rutenhalter ablegen will, dass die zuschaltbare Ratsche, die das Ablaufen der Spule bremst, fest genug eingestellt werden kann. Eine besonders stramme Ratsche fürs Grundangeln, etwa mit Käsewürfel auf Barbe in der Hauptströmung, besitzen die Kingpin-Centrepins (www.kingpinreels.com).
Zum langsamen Einkurbeln benutzt man ganz normal die Kurbelgriffe der Centrepin. Wenn es schnell gehen muss, steckt der Angler den Zeigefinger in eines der Löcher der Spule und holt so besonders zügig die Leine ein. Wer diesen Kurbelstil bevorzugt, sollte sich eine Pin mit fingerschonenden, runden Löchern in der Spule zulegen. Richtig rasant einkurbeln lässt sich die Schnur mit dem so genannten „batting the drum“. Beim „Schlagen der Trommel“ beschleunigt der Angler mit der flachen Hand den Spulenrand, bis die Pose einem nur so entgegensaust. Es gibt Centrepin-Modelle, die sogar gar keine Kurbelgriffe mehr haben.
Gute 60 Meter Schnur auf der Pin reichen vollkommen aus. Viel weiter als 30 Meter lässt niemand die Pose abtreiben. In welcher Richtung man die Schnur auf die Centrepin aufspult – mit oder gegen den Uhrzeigersinn – wird vom bevorzugten Wurfstil bestimmt. Beide Varianten sind grundsätzlich möglich. Für den Wallis Cast ist das Aufkurbeln gegen den Uhrzeigersinn erforderlich.
Werfen mit Gefühl
Der Wallis Cast wird gerne von Profis zelebriert. Dazu beschleunigt man vor dem Unterhandwurf die Spule, indem man beherzt an der Schnur zieht. Genau so schnell, wie während des Wurfs Schnur ablaufen muss. Ein sehr kunstvoller, aber effektiver Wurfstil – wenn man ihn einmal beherrscht! Wenn die Montage auf dem Wasser auftrifft, wird die rotierende Spule mit dem Daumen der rechten Hand gestoppt. Verpasst man den genauen Zeitpunkt, misslingt entweder der Wurf – falls man zu früh abbremst – oder aber alles endet in einer heillosen Schnurperücke. Hier muss also unbedingt vorher auf einem Sportplatz geübt werden.
Ich werfe am liebsten, indem ich die Centrepin wie eine Stationärrolle oder Wenderolle benutze. Dazu lasse ich beim Wurf die Schnur seitlich von der Rolle über meinen gebogenen Zeigefinger der linken Hand laufen. Der Finger dient sozusagen als Schnurlaufröllchen. Problem: Ist der Finger einmal nass, etwa bei Regen, funktioniert dieser Wurfstil nicht, weil die Schnur dann nicht sauber gleitet. Dieser Side Cast funktioniert mit etwas Übung vor allem bei größeren Köder- und Bleigewichten hervorragend.
Der perfekte Wurf für Anfänger ist die Schlaufentechnik. Dazu zieht der Angler mit der linken Hand zwischen den untersten Ringen der Rute jeweils einen Meter Schnur heraus. Mit einem Unterhandschwung wird die Rute beschleunigt, und die Schnurklänge werden im richtigen Moment losgelassen. Schon bei drei Ringen ergeben sich so problemlos sechs Meter Wurfweite.
Wir müssen uns aber nichts vormachen: Das Werfen mit der Centrepin erfordert schon eine Menge Übung. Hat man diese technischen Schwierigkeiten jedoch erst einmal gemeistert und spürt im Drill den unmittelbaren Zug einer starken Barbe, dann möchte man diese schrecklich unkomfortablen Rollen einfach nicht mehr missen.