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Kegelrobben: Deutschlands größte Raubtiere

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Kegelrobben sind Raubtiere, die auch vor großer Beute und den eigenen Artgenossen nicht halt machen. Foto: Abbo van Neer

Sie fressen Seehunde, Schweinswale – und ihre Artgenossen. Forschende der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) untersuchten über sechs Jahre das Jagd- und Fressverhalten von Kegelrobben.

Kegelrobben (Halichoerus grypus) sind Deutschlands größte freilebende Raubtiere. Viele Feriengäste kennen das Bild, wenn sie auf Helgoland am Strand oder in anderen Nordseeregionen auf Sandbänken liegen – friedlich nebeneinander oder neben Seehunden. Erst seit wenigen Jahren ist bekannt, dass sich die großen Raubtiere nicht ausschließlich, wie bisher angenommen, von Fisch und kleinen Meerestieren ernähren, sondern dass sie Jagd auf Seehunde (Phoca vitulina), Schweinswale (Phocoena phocoena) und andere Kegelrobben machen. Forschende des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) untersuchten über sechs Jahre das Jagd- und Fressverhalten der Tiere. Gefördert wurde das jetzt abgeschlossene Projekt vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein.

Die Ergebnisse

Am heutigen Dienstag veröffentlichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Scientific Reports ein Teilergebnis ihrer umfangreichen Studie. Darin beschreiben sie die Untersuchungen von Robbenkadavern, die mutmaßlich von Kegelrobben erbeutet wurden. In den vergangenen Jahren hatten sie bereits wiederholt zu dem Thema wissenschaftliche Veröffentlichung herausgegeben. Ein wesentlicher Teil der jetzt veröffentlichten Arbeit sowie einer Publikation aus dem Oktober 2020, in der die Forschenden den Fokus auf Schweinswale legten, ist ein Katalog mit Wundparametern, die sie an den Robben- und Schweinswal-Kadavern feststellten, sowie ein dazugehöriger Entscheidungsbaum. „Mit dem Katalog der Wundparameter sowie dem Entscheidungsbaum ist es nun möglich einzuordnen, ob aufgefundene Robben- oder Schweinswalkadaver von Kegelrobben erbeutet wurden“, erklärt Abbo van Neer, der das Projekt am ITAW betreute und seine Doktorarbeit zu dem Thema verfasste.

In Zusammenarbeit mit dem Research Center for Emerging Infections and Zoonoses der TiHo entwickelten die ITAW-Forschenden zudem eine molekulare Methode, eine sogenannte LAMP-Analyse, mit der sie innerhalb weniger Minuten die DNA von Kegelrobben aber auch von Füchsen in Bisswunden an Schweinswalkadavern nachweisen können – auch vor Ort am Fundort der Tiere.

Eine Kegelrobbe frisst einen Artgenossen. Foto: Abbo van Neer

Das Vorgehen

Ein Großteil der Arbeiten führte van Neer auf Helgoland durch, wo viele Kegelrobben leben. „Dort konnte ich Kegelrobben dabei beobachten, wie sie andere Robben fingen, töteten und bis zu 90 Minuten lang das Fett ihrer Beute Stück für Stück fraßen“, berichtet van Neer. Ein großer Vorteil solcher Beobachtungen war, dass er die angefressenen Kadaver direkt vom Strand bergen konnte, nachdem der Räuber davon abgelassen hatte. „So wusste ich genau was mit dem Tier vorher passiert war. Diese Kadaver dienten mir als Grundlage, um die von Kegelrobben erzeugten Wundmuster zu charakterisieren.“

In unzähligen Sektionen sammelten die Forschenden weitere Daten und konnten so Kriterien entwickeln, mit denen sie zwischen vom Menschen verursachten Wunden und natürlichen Todesursachen, zu denen auch der Tod durch Kegelrobben zählt, unterscheiden können. Verletzungen durch Schiffspropeller sehen beispielsweise sehr ähnlich aus. ITAW-Leiterin Professorin Dr. Ursula Siebert erklärt: „Die beiden Verletzungsarten sind leicht zu verwechseln. Das ist ein Grund, weshalb das Fressverhalten von Kegelrobben erst so spät entdeckt wurde: Sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Nordseestaaten wurde immer davon ausgegangen, dass die charakteristischen Verletzungen von Schiffsprobellern verursacht wurden.“

Im Jahr 2013 wurde erstmals beobachtet, wie eine Kegelrobbe einen Seehund erbeutete und von dem erlegten Tier fraß. Dieses Phänomen war bis dahin völlig unbekannt. Das Ziel des Projektes war die Entwicklung und Etablierung von Methoden, um aufgefundene Kadaver zu untersuchen, sowie eine erste Einschätzung der ökologischen Relevanz des Themas. „Am Anfang waren wir sehr skeptisch, ob die berichteten Fälle überhaupt stimmen“, erinnert sich van Neer. Über die Jahre vervollständigte sich aber das Bild und heute steht fest, dass Kegelrobben nicht nur Seehunde, sondern auch Schweinswale und andere Kegelrobben jagen und fressen.

Ausblick

Mit den nun veröffentlichten Methoden ist es möglich, das Phänomen standardisiert zu erfassen und die Fälle und Fallzahlen über Ländergrenzen hinweg zu vergleichen. „Das erlaubt uns, die Effekte dieses Verhaltens auf das Ökosystem zu bewerten. Der ständige Austausch mit den internationalen Kollegen hat schon jetzt gezeigt, dass Kegelrobben dieses Verhalten in allen Regionen, in denen Sie vorkommen, zeigen. Daher müssen wir nun unsere Daten einheitlich aufnehmen, um die Zahlen gut vergleichen zu können“, resümiert van Neer.

-pm-

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