Wo stehen bloß die Hechte in großen Seen? Kein Problem für Dietmar Isaiasch: Er nimmt Kurs auf die steilsten Hänge, die besonders die kapitalen Räuber wie magisch anziehen.
By Dietmar Isaiasch
Je steiler, desto Fisch! Dies äußerte einmal in gebrochenem Deutsch ein schwedischer Hecht-Guide während eines Angeltrips. Er meinte damit die rasant in die Tiefe abfallenden, fängigen Scharkanten mitten auf dem großen See. Wie recht er hatte, das erfuhr ich etwa eine Stunde später, als meine Spinnrute wie vom Blitz getroffen voll unter Spannung stand und mir ein gewaltiger Fisch im Drill immer wieder etliche Meter Schnur von der Multi zog.
Das frustrierende tagelange Schleppen auf „Mini-Räuber“ entlang der Schilfkante in der ersten Urlaubswoche meiner Sommerferien hatte schlagartig ein Ende; 20 Pfund geballte „Hecht-Kraft“ lagen schließlich ausgedrillt im Boot. Nur wenig später folgten noch zwei weitere Meter-Exemplare. Keine Frage, der „Kanten-Kurs“ mitten auf dem See hatte es in sich.
Auch in hiesigen Revieren beherzigte ich fortan den Rat des schwedischen Experten. Denn es zeigte sich, dass auch hier die steilsten Kanten deutlich fängiger sind, als die überfischten Buchten und Schilffelder in Ufernähe.
Merkwürdig war allerdings, dass das Echolot bei der Fahrt über die steilsten Stellen nur selten Futterfisch-Schwärme anzeigte. Diese tummelten sich meistens im flacheren Wasser und in der Nähe zu schützender Gelegezonen. Des Rätsels Lösung: Der Standplatz ist nicht immer identisch mit dem Freßplatz!
Zum Fressen ins Flache
Im Gegenteil: Ein Standplatz dient lediglich als Ausgangspunkt für die Jagd und ist ansonsten das „Zuhause“ von Meister Esox. Hier fühlt er sich wohl verdaut und ruht sich aus. Dieser Platz sollte sich allerdings schon in unmittelbarer Nähe zu den Beutefischen befinden andernfalls wäre angesichts größerer Strecken der Energieaufwand für einen hungrigen Räuber sehr groß.
Idealerweise stößt Esox aus sicherer Deckung von unten nach oben vor. Seine Augen liegen so dass er Beutefische schräg oberhalb von ihm ausgezeichnet erspähen kann. Deshalb lauert er gern am Fuß eines Barschberges Plateaus oder einer steilen Kante den Beutefischen auf die sich im flacheren Wasser tummeln.
In klaren sauerstoffreichen Forellenseen steht der passive Esox oft sogar jenseits der 25-Meter-Tiefenmarke. Zum Fressen steigt er langsam nach oben stets im Schatten des Berges. Unter ihm gähnt schwarze Tiefe über ihm schimmert das Licht in dem sich die Silhouetten vorbeiziehender Fische abzeichnen. Perfekt getarnt durch seinen dunklen Rücken lauert er am Scheitelpunkt des Berges auf ahnungslose Beute.
Ein einziges Auf und Ab
Solch hechtverdächtige Scharkanten bieten viele Gewässer: Baggerseen beispielsweise in deren Mitte oft Sandbänke liegen die dann steil abfallen Talsperren mit überfluteten Dämmen und Straßen oder eiszeitlich entstandene Seen wie die der Holsteinischen und Mecklenburgischen Seenplatte mit ihrem ausgeprägten „Boden-Auf-und-Ab“.
Der exakte Verlauf lässt sich nur mit einem Echolot feststellen doch auch mit dem bloßen Auge sind am Ufer schon einige Hinweise auf mögliche Hot Spots auszumachen. Insbesondere Abschnitte zwischen dem Festland und einem kleinen Eiland sind „kantenverdächtig“. Aber auch lange Ausläufer einer ufernahen Hügelkette setzen sich oft unter Wasser fort.
Am vielversprechendsten sind solche magischen Hechtstellen die am höchsten Punkt mindestens vier Meter tief und zumindest einige Dutzend Quadratmeter groß sind. Dort kann genügend Licht einfallen damit Pflanzen wachsen was wiederum die Futterfische anlockt. Fällt es von dieser „platten Fläche“ am Ende abrupt auf zehn und mehr Meter ab ist diese steile Stelle das Kernstück unserer Fangtaktik.
Scheibchenweise abklappern
Gefangen wird mit Überraschungseffekt, und zwar vom Tiefen ins Flache und umgekehrt. Ist das Schleppen erlaubt, fische ich am liebsten im zügigen Tempo (zirka 4,5 Kilometer pro Stunde) mit Schwimmwobblern ab 15 Zentimetern etwa 40 Meter hinter dem Boot. Der Köder sollte bei Zug auf eine Wassertiefe von vier bis fünf Metern abtauchen. Das Kantenstück schleppe ich Scheibchen für Scheibchen ab, indem ich den nächsten Kurs um ein kleines Stück seitlich versetze.
Alternativ habe ich auch als Wurfangler ausgezeichnete Fangchancen. Auf zweierlei Art: Entweder ankere ich so, dass ich die flache Fläche bis ins Tiefe überwerfe und den Köder bis auf den Damm zu mir heranführen kann, oder ich umdrifte mit Hilfe eines Elektro-Motors die Erhebung in einem Abstand von 20 bis 30 Metern und fische so das Kantenstück systematisch ab.
Generell unterscheide ich zwei Arten von Attacken: Die eine ist die auf der Erhöhung selbst, die immer dann erfolgt, wenn der Köder aus dem Freiwasser kommt und die flachere Zone erreicht. Meist sind es dann kleinere Exemplare, die im Pflanzenwerk auf Futterfische lauern.
Die andere – und die verbiegt einem fast den Arm – ereignet sich immer dann, wenn der Köder vom Flachen über die Kante hinweg ins tiefe Freiwasser gerät. Denn dann lauerte ein hungriger Prachthecht genau an der Kante, sah die Silhouette eines vermeintlichen Futterfisches über sich und schoss raketenartig in Richtung Beute nach oben…
Foto: Verfasser
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