In Teil 13 hat Hechtpapst Jan Eggers von seinen Angel-Abenteuern im wilden Kanada berichtet. Hier die Fortsetzung…
Viel Arbeit vorab, wenig Gepäck und robustes Angelgerät
Im letzten Teil habe ich stark verkürzt erzählt, wie ich zusammen mit Bell Tenney nach Reisen zu verschiedenen Lodges endlich im Camp von Ray Beck an der Mündung des Taltson River gelandet bin. Verglichen mit den vorherigen Lodges war der Standard der Unterkunft auf Hook Island sehr bescheiden, aber die Angelei auf besonders große Hechte war dort einfach optimal. Und wollen wir einmal ehrlich sein: Die Superfänge waren für uns das Wichtigste!
Ray Beck und seine Familie hatten überhaupt keinen blassen Schimmer von ihren angeltouristischen Möglichkeiten. Zusammen haben wir über die mögliche Zahl der Angelgäste diskutiert, die Zahl der Boote, gute Schlafplätze und Angelguides, den Transport von Yellowknife oder Hay River und vor allem darüber, was so eine Angelwoche in Kanadischen oder noch besser Amerikanischen Dollar kosten dürfte. Wir durften bei Ray und später bei Arthur nicht mit Kreditkarten ankommen, nur “Cash” wurde akzeptiert. Die maximale Anzahl Angelgäste pro Woche wurde auf acht festgelegt und nach dem Tod von Bill Tenney übernahm ich die Buchungen, Werbung und auch die Kommunikation. Die Werbung war der angenehmste Teil. So ziemlich in allen europäischen Angelzeitschriften konnte ich Artikel über die wunderbaren Großhechtfänge im Großen Sklavensee und im Taltson River platzieren.
Trotz des stolzen Preises von ungefähr 4.500 Holländischen Gulden (das wären heute ungefähr 2.000 Euro) für eine Woche erhielten wir Anmeldungen mehr als genug. Die erste europäische Gruppe bestand vor allem aus niederländischen Angelkumpels und SNB-Mitgliedern. Bevor es auf die Reise ging, habe ich jeden besucht und einen Diavortrag über das präsentiert, was die Reisenden erwartet. Vor allem das Angelgerät, das einiges abkönnen musste, und auch die Kunstköder nahmen in meinem Vortrag einen wichtigen Teil ein. Die meistgebrauchten und vor allem auch effektivsten Kunstköder in diesem Gebiet sind Blinker zwischen 25 und 40 Gramm. Sie lassen sich gut werfen, einfach abhaken, vor allem, wenn die Widerhaken angedrückt wurden. Sie sind nicht übermäßig teuer, wenn man sie bei einem Hänger verliert, auch nehmen sie im Gepäck nicht viel Platz weg. Gut fangende Blinker waren: Mepps Syclops, Rapala Inköö, Dardevle “5 of Diamonds” und verschiedene Len Thompson-Modelle. Bei unseren ersten Reisen zum Sklavensee gab es noch keine geflochtenen Superschnüre wie Power Pro oder Fireline, deshalb empfahl ich verlässliche Mono wie Trilene XT Solar oder Trilene Big Game in einer Stärke um die 0,35 mm. Zwischen Hauptschnur und Blinker kam dann noch ein starkes geflochtenes Stahlvorfach mit Crosslok-Wirbel. Das Vorfach durfte nicht zu kurz sein, ich machte sie mir in der Länge von 40-50 cm selbst. Dass Ruten und Rollen auch sehr robust sein mussten, versteht sich von selbst. Kräftiges Schuhwerk, warme und wasserdichte Kleidung, etwa von Goretex, und nicht zu vergessen Sonnencreme und Mücken-Abwehrmittel durften ebenfalls nicht fehlen. Alles hatte ich auf einer Checkliste stehen, die ich bei jedem Trip, falls nötig, angepasst habe.
Yellowknife, Air Tindi, Eis und Meterhechte am laufenden Band
Die Kommunikation mit Ray Beck war nicht einfach, sie war meistens sogar eher schwierig. Erst als Arthur Becks Frau ein Faxgerät bekam, kamen wir schneller in Kontakt. Wir regelten, dass wir von Edmonton mit einem Linienflug nach Yellowknife fliegen konnten und dann mit einem Wasserflugzeug von Air Tindi nach Hook Island. Beim Stopp in Yellowknife konnten wir Bier, Cola und Snacks einladen und auch die kanadische Angelerlaubnis kaufen. Der Flug dauerte ungefähr eine Stunde. Ich weiß noch gut, dass ich damals meine Angelfreunde ordentlich nervös gemacht habe.
Wir flogen in südlicher Richtung über den Großen Sklavensee und anstatt Wasser sahen wir eine große Eisfläche. Das Eis ist hier im Winter bis zu zwei Meter dick und verschwindet erst Ende Juni. Durch die Strömung des Taltson schmilzt das Eis in der Einmündung bei Hook Island viel schneller. Schon kurz nach Ankunft und Begrüßung, konnten wir unseren Kunstködern dort Schwimmstunden geben.
Unsere Gruppe bestand vor allem aus Mitgliedern der Hechtstudiengruppe SNB: Ton, Joop, Sjaak, Hero, Piet und zwei amerikanische Bekannte von Bill Tenney – Roy Lecy und Sohn Ricky. Wer den ersten Meterhecht gelandet hat, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich noch gut, dass einmal zur gleichen Zeit fünf Ruten krumm waren. Regelmäßig hörte ich Angler fluchen oder schimpfen, wenn sich ein schöner Hecht kurz vor der Landung losschütteln konnte. Als sich das Ende der Tour näherte, wurde weniger gemeckert, wenn ein schöner Hecht kurz vor der Landung verloren ging – man musste ihn dann nicht mehr abhaken.
Wenn ein Hecht den Blinker verpasst hatte, konnte man einfach weiterkurbeln. Fast immer kam der Hecht noch einmal zurück, um die verpasste Beute doch noch zu packen. Ebenfalls kam es oft vor, dass der gehakte Hecht während des Drills durch seine größere Oma angefallen wurde. Futterneid war sehr häufig und die Beute konnte nicht groß genug sein. In den ersten Angelstunden wurden die Meterhechte noch ordentlich gemessen und fotografiert. Aber schnell begriffen meine Angelkollegen, dass das alles nur Angelzeit kostet. Regelmäßig verhingen sich die Kunstköder felsenfest an steinigen Grund. Dann wurde das Kanu eingesetzt, um mit einem Kunstköderretter ein paar Dollar zu sparen.
Schon am ersten Nachmittag fing jeder Angler seinen Meterhecht, es wurden viele persönliche Rekorde eingestellt. Danach machte uns Doris in Öl ausgebackene Walleye-Filets, die mit großem Hunger verputzt wurden. Wenn man einen kleineren Kunstköder wie Spinner, Gummifisch oder Twister ans Vorfach hing, war die Chance auf Walleye sehr groß. In den Niederlanden heißt die Anglerregel “snoeken is zoeken” (Hechtangeln heißt suchen), aber das war hier absolut nicht der Fall. Hier konnte man den ganzen Tag auf der gleichen Felsspitze bleiben, werfen und fangen. Ich kann das am besten illustrieren mit den Fängen von Rob Jansen, der 23 Stunden hintereinander von einer Felsspitze auf Hook Island fischte. Er fing von dort aus 249 Hechte und 55 davon waren 100cm oder länger. Wer kennt eine bessere Stelle?
Eine Entdeckungsreise per Boot
Am ersten Abend angelte jeder vom Ufer aus, wir wollten mit Einbrechen der Dunkelheit aufhören. Aber es wurde nicht dunkel. Etwa um Mitternacht sahen wir, wie die Sonne wie ein roter Feuerball kurz unter dem Horizont verschwand, um wenig später wieder aufzugehen. Ein Moment, in dem man tolle Fotos machen konnte, was auch eifrig gemacht wurde. Es folgten ein paar Stündchen Schlaf in den Angelklamotten, was für alle vollkommen ausreichte. Als wir um 8 Uhr zum Frühstück gerufen wurden, hatten alle schon wieder einige kampfstarke Hechte gefangen. Vor allem die Angelei mit Oberflächenködern in einem flachen Graben hinter dem Camp sorgte bei uns allen für zufriedene Gesichter.
Es wurde beschlossen, dass die komplette Gruppe am zweiten Tag den Taltson hinauffahren sollte, um an den bekannt guten Stellen zu fischen. Die Guides waren Ray Beck, seine Söhne Arthur, Raymond und Eric. Mit meinem bewährten Polder-Angelkollegen Joop Kragt saß ich bei Ray im Boot. Es gab noch ein Reserve-Boot mit extra Benzin, Proviant und den Guides Gus und Chummy. Bei Problemen mit den noch nicht erprobten neuen Außenbordern, konnte so das kaputte Boot in Schlepptau genommen werden. Auch hatten die Guides immer ein Gewehr bei der Hand, für den Fall, dass ein Bär oder noch lieber ein Elch uns entgegenkam. Die ersten Hechte wurden beim Schleppen gefangen, noch im Delta mit seinen vielen Verzweigungen.
Von früheren Touren wussten wir, dass die Engstelle im Taltson, die wir “Bill’s Island” genannt hatten, schon so einige Kapitale um 120cm geliefert hatte. Stand man dort auf einem der unter Wasser liegenden, glatten Felsen, dann konnte man beobachten, wie die Hechte den Kunstködern bis kurz vor die Füße folgten. Wirklich sehr spannend.
Der nächste Stopp war am Snuff Channel, einer Stromschnelle mit vielen Walleyes. Von denen fingen wir eine ganze Menge für unseren “Shore Lunch”, dem Mittagessen am Ufer. Gus und Arthur kümmerten sich um die Zubereitung, nachdem sie auf dem Fluss auch noch ein paar Enten geschossen hatten. Ich denke noch immer gerne zurück an diese einfachen Glücksmomente. Direkt neben dem Wasserfall mit den Pelikanen standen ein paar Blockhütten, die als Umschlagplatz für Tierhäute, Benzin und als Schlafplatz bei schlechtem Wetter dienten. Wegen der vielen “Whitefish” (eine wandernde Coregonenart), die hier versuchten, den Wasserfall hoch zu schwimmen, gab es dort neben vielen Pelikanen auch so einige Fischadler. Toll anzusehen, wie so ein Weißkopfseeadler mit seinen scharfen Klauen sich einen großen Fisch von der Wasseroberfläche schnappt.
Geschichten beim Lagerfeuer mit vielen Tieren, vor allem Mücken
Wir fischten von 13 bis 22 Uhr und versammelten und dann bei der größten Blockhütte. Dort hatten Gus und Chummy für eine einfache aber nahrhafte Mahlzeit und auch für ein Lagerfeuer gesorgt. Das Lagerfeuer diente vor allem dazu, die Moskitos und kleinen schwarzen Fliegen auf Abstand zu halten. Je tiefer die Sonne Richtung Horizont sank, desto mehr Geräusche hörten wir vom Wasser her und aus dem Wald. Die Wölfe heulten, die Biber klatschen mit ihren flachen Schwänzen aufs Wasser bevor sie untertauchten und sogar ein Schwarzbär schaute einmal neugierig vorbei. Unsere Guides hofften immer auf einen Elch und hatten ihr Gewehr stets zur Hand. Aber auch der imitierte Lockruf einer Elch-Dame brachte keinen Erfolg.
Die Hechte jagten die ganze Zeit über, es gab viele krumme Ruten und das Angelende wurde stets weiter hinausgeschoben. Wir waren uns alle einig, dass wir hier im Hechtparadies waren, wo keine Wünsche offenblieben. Über neue persönliche Rekorde wurde gar nicht mehr gesprochen, davon gab es zu viele. Wie viele Meterhechte einer ans Ufer oder ins Boot geholt hatte, war auch nicht mehr nachzuhalten. Die einzig feststehende Tatsache war, dass der längste Hecht 122 cm lang war. Viele Jahre später fing ich dort auch noch meinen kanadischen Rekordhecht mit 123 cm. Ehrlich gesagt sind die Rekorde und Zahlen nicht so wichtig. Was vor allem zählt, sind die Erlebnisse mit guten Freunden in der noch unberührten Natur von Nord-Kanada. Zurückdenkend an die vielen schönen Jahre auf dem runden Großen Sklavensee komme ich doch zu der Schlussfolgerung, dass es vor allem die ursprünglichen Lebensumstände zusammen mit den lokalen Naturmenschen waren, die mir aus ungefähr 30 Jahren und 19 Kanadareisen in Erinnerung geblieben sind. Heute, am letzten Tag des Corona-Jahres 2020, realisiere ich, dass ich nie mehr in mein Hechtparadies zurückkehren werde. Die Fotos, Videos und vor allem die vielen Erinnerungen, die ganz scharf in meinem noch prima arbeitenden Gehirn gespeichert sind, müssen mir genügen. Auch wenn das Eintippen dieser mit großer Freude erlebten Augenblicke in den Computer stets mühsamer wird, möchte ich meine treuen Leser auch 2021 mit Geschichten aus der Serie “Jan Eggers erzählt” versorgen. Wenn jemand an einzelnen Begebenheiten besonders interessiert ist – sei es an Polderhechten, Piranhas in Brasilien oder Lachs in Sibirien, schickt mir doch eine E-Mail an the.pike.ferret@hetnet.nl
Jan Eggers