Wer sagt eigentlich, dass man zum Vertikalangeln ein dickes Hightech-Boot haben muss? Nordlicht MATZE KOCH macht das zu Fuß! Hier verrät er, wie man direkt unter der Rutenspitze mit kleinem Budget große Räuber fängt.
Dass eines Tages Bootsangler auf die Idee kommen würden, die Technik des Eisangelns zu praktizieren, ohne am Loch zu stehen, war eigentlich nur eine Frage der Zeit. Schon die ersten Versuche über Scharkanten und Löchern erwiesen sich als richtungsweisend. Manch kapitaler Räuber, der vorher als unfangbar galt, landete plötzlich doch noch im Boot. Dass man als Uferangler nicht bloß neidischer Zuschauer sein muss, weiß ich spätestens, seit ich der Leidenschaft des Uferschleppens fröne. Und senkrecht kann man natürlich auch ohne Boot bleiben. Für das Vertikalangeln vom Ufer gibt es ein spezielles Einsatzgebiet. Die zeitlupenähnliche Führung eignet sich nicht, um effektiv größere Bereiche abzudecken. Daher bietet man Vertikalköder vom Ufer aus nur ganz gezielt in Zonen an, die nach Räubern riechen.
Ein Bootsangler driftet an Scharkanten und Löchern entlang oder fischt vor Einläufen und Brücken. Der Uferangler erkennt seine Hotspots meist ganz leicht, indem er einfach nur die Augen aufmacht. Das kann eine Stelle sein, an der man einen Hecht hat rauben sehen. Fehlbisse oder Fänge in der Vergangenheit an einem bestimmten Einstand sind ebenso klare Indizien für einen Hotspot. Dabei handelt es sich nicht selten um viel beangelte Stellen, an denen geworfene Jigs oder Köderfische Esox nicht mehr aus der Deckung locken. Aber der reizend auf der Stelle und vor der Nase wippende Vertikalköder macht oft noch schwach.
Kurze plus lange Rute
Ich verwende fürs Ufer-Vertikalangeln zwei Rutentypen. Zum einen eine herkömmliche, einteilige Vertikalgerte von etwa zwei Metern Länge. Auch wenn manchmal das Gegenteil empfohlen wird, sind meine Ruten nicht allzu hart und gestatten somit auch die Führung von leichten Barschködern. Dadurch bekommt der Köder seine ganz spezielle Wipp-Bewegung, die Räuber kirre macht. Wer seine Gummis an 30-Gramm-Bleiköpfen in 20 Metern Tiefe anbietet, mag härtere Knüppel benötigen. Aber vom Ufer aus fischt man an den wenigsten Stellen tiefer als fünf Meter unter der Rutenspitze. Eine harte Gerte in Verbindung mit dehnungsarmer Geflechtschnur würde nur zu mehr Aussteigern führen. Das gilt gerade für Barsche mit ihren porösen Mäulern.
Die zweite Rute, die ich verwende, habe ich völlig zweckentfremdet. Dabei handelt es sich um eine Feederrute. Die misst 4,15 Meter, und genau dieser Länge wegen nehme ich sie als Bonusgerte mit. Denn beim Vertikalfischen vom Ufer aus ist man bei weitem nicht so mobil wie ein Bootsangler. Mit der langen Feederrute kann man zum Beispiel Bohlen, an denen Boote vor Schleusen festmachen, erreichen.
Ebenso ist es möglich, Räubern, die unter Brücken stehen, auf die Schuppen zu rücken. Wie gesagt: Beim Vertikalangeln kommt es darauf an, den Köder punktgenau zu servieren. Lange kann man eine Feederrute allerdings nicht in der Hand halten. Durch die Kopflastigkeit ermüdet der Angler bald. Zudem muss man beim Anschlag schwer auf Draht sein. Und bitte dran denken: Wird mit der langen Rute unter flachen Brücken geangelt, nicht nach oben, sondern seitwärts anhauen. Vorteilhaft ist eine rote Spitze. Daran lassen sich selbst vorsichtigste Bisse noch gut ablesen.
Gute Führung
Beim Vertikalangeln wird der Köder nicht wild nach oben gezerrt und wieder sacken gelassen, sondern bedächtig gezupft. Es ist die feinfühligste Art der Raubfischangelei. Zunächst lässt man den Köder bis auf den Grund absinken. Besonders komfortabel geht das mit einer kleinen Multi- oder Baitcasterrolle. Danach folgt ein leichter, aufwärts gerichteter Zupfer aus dem Handgelenk. In der Regel sollten die Sprünge nicht höher als 20 Zentimeter ausfallen. Dann lässt man den Köder in der Schwebe verharren, bevor wieder die nächste Absinkphase folgt.
Die Führung kann variiert werden, indem man in winzigen Schritten zupft oder den Köder leicht wippen lässt, bevor man in die Ruhephase übergeht. Zu Beginn fiel es mir besonders schwer, die Disziplin zu entwickeln, den Köder wirklich unbewegt in der Schwebe zu halten. Das ist aber enorm wichtig – der sekundenlange Stillstand gaukelt den Räubern eine leichte Beute vor. Entsprechend kommen in diesem Moment die meisten Bisse.
Als Faustregel gilt: Ein wenig mehr Bewegung als im Boot darf es zwar schon sein. Denn die Bewegung des Schwimmgefährts überträgt sich ja auf den Köder und sorgt für zusätzliche Impulse. Aber auch beim Uferangeln sind wilde Pilkbewegungen fehl am Platze – Ostfriesen-Pilken hat nicht viel mit Ostsee-Pilken gemein!
Wenn ich gezielt auf größere Hechte aus bin, setze ich neben den erwähnten Ruten auch eine leichte Jerkbaitrute ein. Die ist straffer und erleichtert die Drillkontrolle bei kapitalen Fischen. Das gilt besonders dann, wenn zwischen Bohlen geangelt wird und sich die Hechte dort festsetzen können. Dann sollte man über enstprechende Reserven verfügen, um im Drill Paroli zu bieten. Der Nachteil einer Jerkrute liegt in der Köderführung. Der steifere Stock ist für größere Köder ausgelegt. Deshalb verwende ich die Jerkrute immer dann gerne, wenn etwas schwerere Bleiköpfe mit üppigeren Gummis für die gezielte Hechtjagd zum Einsatz kommen. Zum Vertikalangeln vom Ufer braucht es nicht unbedingt eine Multi- oder Baitcasterrolle zu sein. Für den Anfang reicht schon eine kleine Stationärrolle. Die hat den Vorteil, dass man die Rute in der „Füllfederhaltung“ greifen kann, was eine noch sensiblere Köderkontrolle ermöglicht. Bespult wird die Rolle mit 0,17er Geflecht. Mit der dehnungarmen und starken Schnur lassen sich Hänger oft noch lösen. Als Vorfach dient weiches Stahlmaterial, das bei mir für diesen Zweck 30 Zentimeter misst. Ist am Angelplatz nicht mit Hechtbissen zu rechnen, schalte ich ein Stück Fluorocarbon in einer Stärke von 0,40 Millimetern vor den Köder.
Hotspots unter der Spitze
Prinzipiell ist es wichtig, tiefe Stellen in Ufernähe zu finden. Zum Beispiel an und unter Brücken sowie den umliegenden Bohlen. Auch vor Spundwänden findet man oft tiefes Wasser direkt unter der Rutenspitze. Noch heißer wird dieser Hotspot, wenn es hier eine Verladestation für Getreide gibt. In diesem Fall lockt das indirekte Anfüttern Futterfische und im Gefolge auch ihre Jäger an. Ebenfalls interessant sind fürs Angeln frei gegebene Schleusen. Vor der Mauer ist der Grund meist hart, und es gibt Muscheln, die besonders Barsche, aber auch Zander anziehen. Daneben lohnen Steganlagen in Bootshäfen einen Versuch. Besonders Barschliebhaber finden hier ein reiches Betätigungsfeld, das allerdings mit leisen Sohlen zu betreten ist …
Auch an Brücken, unter denen der Boden meist härter und das Wasser tiefer ist, steht die Vertikalrute öfter krumm.
Bleibt noch die Köderfrage. Prinzipiell kann man viele Verführer für das Vertikalangeln gebrauchen. Allerdings dominieren Gummiköder zu Recht die Vertikalszene. Die speziellen Shads haben oft nur wenig Eigenaktion. Ihr Schwanz endet vielfach in einer Gabel oder einem Pin, während der Rücken abgeflacht ist. Letzt genannter Faktor bewirkt beim Anheben eine bessere Wasserverdrängung. Dadurch wird dem Köder zusätzlich Stabilität verliehen, die in den reizenden Ruhephasen zum Tragen kommt.
Bei mir haben die 18 Gramm schweren Bleikopfhaken einen extrem kurzen Schenkel. Den hinteren Teil des Gummifisches sichert ein Drilling. Ich platziere ihn, je nach Form des Köders, gewöhnlich im letzten Drittel. Keinesfalls darf jedoch die Bewegung des Schwanzendes beeinträchtigt werden! Die Drillinge passe ich der Ködergröße an, meist tut es ein 6er Eisen. Diese Montage bietet mir alle Vorteile: Der kurze Bleikopfhaken versteift das Gummi nicht, sondern hält es in sanfter Bewegung. Außerdem bleibt der Schwerpunkt weit vorne. Das ist wichtig für die waagerechte Haltung unter Wasser. Ferner ist mein Shad gegen die beim Vertikalfischen häufigen Kopfbisse gerüstet. Drohen am Angelplatz nicht viele Hänger, steche ich den Drilling unten ein, andernfalls wird er in den Gummirücken gepiekt.
Ohne hier Schleichwerbung machen zu wollen, möchte ich abschließend noch ein paar Ködertipps zum Vertikalangeln geben. Als Klassiker gilt der „Kopyto“, ein guter Allroundverführer, der eine lebhaftere Aktion als die meisten seiner Konkurrenten aufweist. Dann der „Saltshaker“, ein sehr schlanker Shad, den Zander ganz besonders mögen. Nicht zu verachten ist auch der „Hardnose“ von Manns. Ein eher ruhiger Vertreter speziell für den Winter. Und nicht zuletzt der „Fin-S“ mit seinem markanten Gabelschwanz. Bei der Köderfarbe verlasse ich mich auf zwei Töne: einen natürlichen, gerne grünlich, sowie einen schockigen, zum Beispiel in Orange oder Gelb, und etwas Glitter kann nie schaden.