Hart muss er sein. Hart und kernig.
Nein, nicht der angelnde Mann, wir Angler sind ja eh alle Weicheier 😉 Ich rede vom Rutenblank! Wer einen weichen Blank benutzt, gehört nicht zur Szene. 3,5lb! Das Maß aller Karpfenangler. 3lbs! Minimum! Alles was darunter liegt, wird mitleidig ausgebuht.
Trendsetter?
Es ist schon lustig, wie Modeerscheinungen manchmal entstehen. In meiner Jugend war ich „HiFi-Freak“, guter Klang bei der Musik mein erklärtes Ziel. Schon damals störte mich eines: Die Klangeigenschaften von guten Boxen wurden sogar in der „Szene“ (die es eigentlich besser wissen müsste) nach „Watt“ beurteilt. Wer die Box mit höherer Leistung hatte, war der „Sieger“. Dass die elektronische Leistung kaum etwas über die Klangqualität aussagt, war nebensächlich. Mit Ruten und „Libsen“ ist es nicht anders. Über die Aktion sagt die „Testkurve“, gemessen in pound (warum auch immer, kurz „lbs“) ab-so-lut nichts aus.
Weit, weit raus!
„Harte Ruten sind besser um weit zu werfen“, das sei der Grund für den fragwürdigen Trend, argumentieren Befürworter der Modewelle „hart oder gar nicht“. Dass die erzielte Weite vielmehr von der perfekten Abstimmung des Bleigewichtes zum Blank, der richtigen Wurftechnik und den Schnureigenschaften abhängt, gerät ins Hintertreffen. Auch die verwendeten schweren Bleie der Karpfenangler von meist über 100 Gramm erfordern es nach Ansicht vieler Angler, schwere Ruten zu verwenden. Komplizierte Formeln kommen auf den Tisch, die dann belegen sollen, das man mit einer 2,5lb Rute maximal 60 Gramm werfen kann. Komisch. Merkwürdigerweise fliegen meine 110 Gramm Bleie daran problemlos auf Distanz, wenn auch nicht auf über 70m. Aber muss das denn überhaupt sein?
Drill oder Wurf?
Was ich mich viel mehr frage: Warum vernachlässigt man die Drilleigenschaften so sträflich? Ich habe viele Jahre lang nicht mit Karpfenruten über 2lbs (!) gefischt, und kann mich nicht daran erinnern jemals einen Fisch verloren zu haben, weil meine Rute nicht hart genug war. Dafür pufferten die Blanks hervorragend die Fluchten ab, und ermüden den Fisch viel schneller. Das ist physikalische Gewissheit. Probieren Sie es doch mal selber aus: Schlagen sie mit der Hand hart eine Wäscheleine stramm, und dann ein Gummiband. Sie werden nicht lange brauchen um klar zu sagen, was mehr ermüdet. Dazu kommt, dass ich auch gerne spüre, wie der Fisch ins Geschirr geht. Das ist für mich ein entscheidender Faktor für das Drillerlebnis. Die Weitenjäger unserer Zeit stehen da mit Ruten, denen nicht die Spur einer Biegung anzusehen ist, während sie einen 30pfündigen Karpfen drillen.
Ich habe mittlerweile eine eigene Spinn- und Ansitzrutenserie, die sehr erfolgreich ist. Das liegt daran, dass Spinnruten straff und hart sein müssen. Das ist auch meine Meinung. Die ideale Spinnrute biegt sich nur unter Volllast bis über die Steckverbindung hinweg und federt kein Stück nach. Große Firmen können aber nicht nach „Matze Koch Wünschen“ produzieren, sondern müssen sich an die Gesetze des Marktes halten. So blieb mein Karpfenrutenwunsch bis heute im ersten Stadium der Entwicklung liegen, weil niemand einen weichen Blank bauen möchte. „Liegt wie Blei im Regal“, sagen die Marketingspezialisten.
So wird „meine“ Traum-Karpfenrute wohl ein Einzelstück bleiben, denn ich bin ein bekennendes Weichei. Jedenfalls beim Karpfenansitz.
Richtig ist, dass es erforderlich sein kann, auf große Weite zu kommen. Besonders an großen Seen. Fraglich ist dabei jedoch, gelingt es dabei auch die Köder direkt am Hakenköder zu platzieren? Mit Sicherheit nicht, denn für 100m und mehr Distanz, kommt nur ein Boilie Wurfrohr in Frage, und auf die Distanz füttert niemand mehr gezielt um den Hakenköder. PVA scheidet ebenfalls aus, denn damit verhungert jeder Wurf bei spätestens 60m.
Mein Wunsch für die Zukunft der Angelbranche: Das sich, außerhalb der Spinnfischerei, die Angler mal wieder darauf besinnen, wie nützlich es sein kann, weiche Ruten einzusetzen für die Angelei auf Karpfen, auf Schleie, auf Zander oder auf Barsch.