Durch Schutzmaßnahmen sind vielerorts die Kormoranbestände regelrecht explodiert, zu Schaden für viele bedrohte Fischarten. Bild: Anglerverband Niedersachsen e.V./F. Möllers |
Wissenschaft und Anglerverband Niedersachsen widerlegen Behauptungen des NABU Niedersachsen zum Kormoran.
Aktuelle Forschungsergebnisse aus mehreren Ländern Europas belegen, dass Kormorane Fischbestände in Seen und Flüssen massiv dezimieren können. Von bestimmten Alters- und Größenklassen bis hin zur lokalen fast vollständigen Vernichtung bedrohter Arten - in Niedersachsen insbesondere der Äsche (Fisch des Jahres 2011).
Auf Berufung führender Kormoranforscher und nach Auswertung aktueller Studien widerlegt der Anglerverband Niedersachsen (AVN) in seinem „Faktencheck Kormoran“ Aussagen des NABU, die den Einfluss des Kormorans auf die heimischen Fischbestände verharmlosen.
Kernthese des NABU Niedersachsen falsch!
NABU: „Schäden an natürlichen Fischpopulationen durch Kormorane sind nicht belegt.“ „Aktuelle Gefährdungslagen von Fischarten, welche vom Kormoran verursacht werden, sind nicht bekannt.“
Wissenschaftliche Studien der letzten Jahre an verschiedenen Fischarten und Gewässern belegen eindeutig das Gegenteil: Kormorane können lokale Fischpopulationen in Seen und Flüssen dezimieren, bis hin zum fast vollständigen Verschwinden einer Art in ihrem angestammten Gewässer. Erhebliche Bestandsrückgänge und Bestandsverluste von 75 Prozent und darüber wurden ermittelt für Äsche, Bachforelle, Meerforelle, Lachs, Zander, Hecht, Barsch u.a.
Nicht auf aktuellem Stand: „Faktencheck Kormoran“ des NABU
NABU: „Der mittlere tägliche Nahrungsbedarf eines Kormorans liegt bei 330-350g.“ Alle Experten sind sich einig: Im Jahresmittel braucht ein Kormoran 450‐500g Fisch/Tag. Dabei schwankt der Bedarf im Jahresverlauf zwischen 350 und bis zu 750g/Tag, in den Wintermonaten bewegt er sich um 500g/Tag. Hochgerechnet auf ein ganzes Jahr erbeutet allein die Brutpopulation in Deutschland (22.500 BP=45.000 Einzelvögel) zwischen 7.300 und 8.200 t Fisch.
NABU: „Nicht der Kormoran ist schuld: Seltene Fischarten leiden vor allem an fehlenden Laichgewässern, mangelhaften Lebensraumstrukturen und Gewässerbaumaßnahmen wie Stauwehren.“
Tatsächlich ist die fehlende Durchgängigkeit unserer Fließgewässer ein wesentlicher Grund für den schlechten ökologischen Zustand vieler Gewässer und der dortigen Fischbestände. Der AVN kämpft daher an mehreren Fronten für die konsequente Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie ‐ mit zum Teil beachtlichen Erfolgen.
Gerade in degradierten Gewässern übt der Kormoran allerdings einen erheblichen zusätzlichen Druck auf die ohnehin geschwächten Fischbestände aus. Das belegen wiederum aktuelle Studien, und mehr: Selbst enorm aufwändige Renaturierungen und Strukturverbesserungen an Still‐ und Fließgewässern führen nur in Ausnahmen zum verbesserten Schutz von (gefährdeten) Fischen vor Kormoranfraß.
Exkurs Äsche: in Deutschland „stark gefährdet“
Die Äsche (Thymallus thymallus), einer unserer schönsten Süßwasserfische und einst so häufig, dass sie einer ganzen Lebensgemeinschaft in einem Fließgewässer ihren Namen gab, der „Äschenregion“, ist parallel zum Populationswachstum des Kormorans in fast all ihren Vorkommen in Europa sehr selten geworden. In Deutschland kletterte sie auf Platz 2 der Roten Liste und wird als „stark gefährdet“ geführt.
Neue Forschungsergebnisse aus Dänemark benennen den Kormoran als Hauptverursacher für die aktuelle Gefährdung. Dr. Matthias Emmrich, Verbandsbiologe beim AVN, und Leiter des „Artenschutzprojekt Äsche“, erläutert: „Die Befunde aus Dänemark sind 1:1 auf viele Äschengewässer in Niedersachsen übertragbar. Die Jagdstrategie des Kormorans passt perfekt zum Verhalten der Äsche in den
Wintermonaten ‐ zum Nachteil der Fische. Diese stehen dann in Schwärmen im Freiwasser, ein wirksames Feindvermeidungsverhalten fehlt ihnen. Die dänischen Studien und etliche Beobachtungen aus dem gesamten Bundesgebiet, der Schweiz und Österreich zeigen, dass wenige Tage Kormoranpräsenz an mittelgroßen Fließgewässern ausreichen, um einen Großteil der Äschenpopulation des Gewässers zu vernichten.“
Am Dümmer See hat der AVN mit Erfolg Methoden getestet, die ‐ bei größtmöglicher Schonung für die Wasservögel vor Ort ‐ Fische mittels Seil‐Abspannungen in den Wintermonaten schützen. „Unsere Methode lässt sich womöglich auch zum Schutz der Äsche auf Fließgewässer übertragen. Diesen Ansatz würden wir gerne testen und einen Beitrag dazu leisten, die Wirksamkeit der Kormoranverordnung zu überprüfen wie vom Landtag gefordert,“ so Emmrich.
Anglerverband wirbt für Zusammenarbeit beim Schutz der Biodiversität
Florian Möllers, Pressereferent beim AVN, Verhaltensbiologe und Botschafter der UN Dekade für Biodiversität in Deutschland: „Als Gesellschaft tragen wir die Verantwortung für das Wohlergehen und den Erhalt unserer heimischen Artenvielfalt - Fische eingeschlossen. Es wäre hinderlich für unser aller Bemühungen zum Erhalt der Biodiversität, wenn sich anerkannte Naturschutzverbände wie hier der NABU den Fakten und einem konstruktiven Dialog in Sachen Kormoran verschließen.“
Forderungen des Anglerverbandes an Landes‐ und Bundesregierung
AVN‐Präsident Werner Klasing: „Deutschland hat die EU Direktive zum Kormoran unnötig verschärft und den dort eingeräumten Handlungsspielraum zum Management der Art erheblich eingeschränkt; zum Leidwesen vieler Fischarten, nicht nur in Niedersachsen.“
Klasing verweist auf das Urteil der Experten: Aufgrund der aktuellen Bestandssituation in Europa und in Deutschland könne der Kormoran nicht länger als geschützte Art eingestuft werden. Der Anglerverband Niedersachsen fordere daher die Bundesregierung auf, die Schutzbedürftigkeit des Kormorans unter Abwägung aktueller Forschungsergebnisse auf den Prüfstein zu stellen.
Bis dahin fordert der AVN, die Kormoranverordnung in Niedersachsen zukünftig fristlos zu verlängern. Und das Aufrechterhalten von Vergrämung und Abschuss in Naturschutz- und FFH‐Gebieten, in denen der Kormoran nicht Teil des Schutzzweckes ist. Klasings Appell: „Im Wissen um die Forschungsergebnisse der letzten Jahre erwarten wir von der Politik, den übergeordneten Fachbehörden und allen Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene: Urteilen Sie im Fall Kormoran bitte anhand der Fakten. Sie sind eindeutig.“
Europas führende Kormoranforscher geben Anglerverband Niedersachsen recht. Der Kormoran ist eine der am besten und längsten erforschten Vogelarten Europas. Der AVN hat die aktuellsten Studien ausgewertet, Experten interviewt und die Ergebnisse für seinen „Faktencheck Kormoran“ zusammengefasst.
Bilder: Anglerverband Niedersachsen e.V./F. Möllers
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