Für Lachse sind durchgängige Flüsse überlebenswichtig. Bild: Michel Roggo |
Zum Internationalen Tag der Wanderfische am 21. Mai 2016 bezieht der Landesfischereiverband Baden-Württemberg e.V. (LFVBW) Stellung gegen kleine Wasserkraftanlagen.
Viele Fischarten sind auf durchgängige Gewässer zwingend angewiesen. In erster Linie um ihre angestammten Laichplätze zu erreichen, aber auch um neue Gewässerabschnitte zu besiedeln oder im jahreszeitlichen Verlauf den Standplatz zu wechseln.
Seit hunderten von Jahren verändern Menschen Gewässer zu ihrem Nutzen. Die Maßnahmen dienen unterschiedlichen Zwecken: Wasserversorgung, Bewässerung, Energieerzeugung, Transportwege, Hochwasserschutz und Fischerei. Die Veränderungen haben für die angestammten Fischarten oft einen hohen ökologischen Preis. Weniger als 10 Prozent der Fließgewässer in Baden Württemberg sind in einem „guten ökologischen Zustand“. 90 Prozent weisen mehr oder weniger große Defizite auf.
Fehlende Durchgängigkeit
Der mit Abstand häufigste Grund ist die fehlende Durchgängigkeit der Gewässer. Viele Flüsse gleichen heute einer endlosen Kette von Staustufen. Es gibt in Baden-Württemberg praktisch kein Fließgewässer mehr ohne die intensive Nutzung der Wasserkraft. Jedes Kraftwerk – sei es noch so klein – ist dabei ein schwerwiegender Eingriff in das Ökosystem Fluss.
„Dem Gewässer wird durch die Wasserkraft die Fließenergie entzogen und ein Wanderhindernis installiert. Vor den Kraftwerken entstehen ausgiebige Staubereiche. Dort lagern sich Sedimente ab und das Wasser erwärmt sich zusätzlich. Viele Fische kommen in den Turbinen zu Tode.“, erläutert Reinhart Sosat, Geschäftsführer des LFVBW.
Atomausstieg und das erneuerbare Energien Gesetz (EEG)
Nach Fukushima wurde in Deutschland der Atomausstieg beschlossen und das EEG verabschiedet. In der Folge gab es einen regelrechten Boom der so genannten „kleinen Wasserkraft“. Das sind Wasserkraftwerke mit einer Leistung unter 1 Mega Watt. Unrentable Wasserkraftanlagen wurden durch die garantierten Fördergelder wieder in Betrieb genommen. Ohne die garantierte Einspeisevergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2014) wären wohl die meisten kleinen Wasserkraftwerke für ihre Betreiber hoffnungslos unrentabel. Dazu ist die Vergütung umso höher, je kleiner die Leistung der Anlage.
Setzt man den Nutzen der kleinen Wasserkraft zu den negativen ökologischen Auswirkungen in Bezug, steht das nach Ansicht des LFVBW in keinem Verhältnis. So erzeugen 1.700 Anlagen der kleinen Wasserkraft gerade einmal so viel Strom wie das Großkraftwerk in Iffezheim am Rhein.
Zweifelhafter Nutzen der „kleinen“ Wasserkraft
Im Jahr 2014 wurden in Baden-Württemberg rund 4,6 TWh Strom aus Wasserkraft erzeugt. Der Anteil der Wasserkraft an der Bruttostromerzeugung beläuft sich somit auf ca. 7,84 Prozent. Etwa 80 Prozent des Stroms werden von 68 Anlagen, die der großen Wasserkraft (Leistung > 1 MW) zugerechnet werden, erbracht. (Quelle: Kleine Anfrage an den Landtag von Baden-Württemberg 29.10.2015, Drucksache 15 /7630)
Allein das Wasserkraftwerk Iffezheim am Rhein hat eine installierte Leistung von 148 MW: Ungefähr so viel, wie alle 1.700 Kleinwasserkraftwerke in Baden-Württemberg zusammen! Quelle: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/erneuerbare-energien/wasserkraft/)
Angler arbeiten für die Wiederansiedlung von Wanderfischen
Die Wanderfische Baden-Württemberg gemeinnützige GmbH (WFBW) wurde im Jahr 2008 vom Landesfischereiverband Baden-Württemberg e.V. gegründet. Lachse werden vermehrt und in geeigneten Zuflüssen am Oberlauf des Rheins ausgewildert. Die jungen Lachse wandern den Rhein abwärts bis in die Nordsee und kehren nach Jahren in ihr Heimatgewässer zum Laichen zurück. Dabei legen sie eine gefährliche Wanderung über mehrere tausend Kilometer zurück.
Am so genannten Fischpass am Kraftwerk in Iffezheim am Rhein werden die wandernden Lachse mit einer Kamera gefilmt. Das Material wird von einem Biologen ausgewertet und so der Erfolg der Maßnahme kontrolliert. So konnten im Jahr 2015 bereits 228 „Rückkehrer“ gezählt werden. Auch die aktuellen Zahlen für 2016 bestätigen den positiven Trend, bis zum Stand 30. April wurden schon 108 Lachse gezählt. „Die Zahlen machen Mut und untermauern die Erfolge der ehrenamtlichen Arbeit der Angler in Baden-Württemberg.“, so Sosat.
Wandernde Fischarten sind vom Aussterben bedroht
Die „Rote Liste für Baden-Württembergs Fische, Neunaugen und Krebse“ führt für Baden-Württemberg elf Fischarten mit ausgeprägtem Wanderverhalten auf. Der Stör ist in Baden-Württemberg bereits ausgestorben. Lachs, Meerforelle, Maifisch und Huchen sind vom Aussterben bedroht. Die anderen Arten gelten als stark gefährdet. (Quelle: Rote Liste für Baden-Württembergs Fische, Neunaugen und Flusskrebse)
Höchste Zeit zum Handeln
Fische kann man in der Regel nicht sehen und somit entziehen sie sich dem öffentlichen Interesse. Der Naturschutzgedanke endet daher oft an der Wasseroberfläche.
Nach Ansicht des LFVBW ist es höchste Zeit zum Handeln. Die Förderung und der Erhalt heimischer Fischarten ist ein wichtiges Ziel, dem sich die Angler seit vielen Jahren verschrieben haben. Dabei leistet der LFVBW als anerkannter Naturschutzverband mit 60.000 Mitgliedern in Baden-Württemberg einen wesentlichen Beitrag in unzähligen Projekten.
Welche Begeisterung und Emotionen Fische bei den Menschen auslösen können zeigt folgende Begebenheit: Als im Jahr 2011 zwei kapitale Lachse mitten im Örtchen Willstätt in der Kinzig eine Laichgrube schlugen, war das öffentliche Interesse überwältigend. Neben einem Fernsehteam kamen mehrere hundert interessierte Bürger zusammen um das Naturschauspiel von der Brücke zu beobachten. Ein älterer Anwohner, der als kleiner Junge um 1920 selbst noch Lachse in der Kinzig mit seinem Vater gefangen hat, konnte sein Glück kaum fassen und sagte sichtlich gerührt: „Ich hätte nie geglaubt, dass ich das noch mal erleben darf!“.
-pm/lfvbw-