Heute möchte ich das zweifellos seltsamste „Relikt“ aus meiner Sammlung zum Thema Geschichte der deutschen Angelfischerei vorstellen, ein Aquarell von Otto Felix Geissler.
Das gerahmte Bild ist mit „O.F.Geissler 47“ signiert. Zugegeben, das Thema des Bildes ist etwas ungewöhnlich für eine Angelgerätesammlung. Auf der Rückseite wurde noch mit Bleistift „Ecce Homo Aquarell Otto F. Geissler Hollfeld 47“ vermerkt. Die Schrift stammt aus der Zeit, weist sie doch noch einzelne Sütterlin-Buchstaben auf. Vom Verkäufer, einem Händler für Kunstgewerbe aus Nürnberg, konnte ich erfahren, dass das Bild auch einem Nachlass stammt und vom in Hollfeld bei Bayreuth berühmten Angler Otto F. Geissler stammt, der in Nürnberg eine Fliegenfischerfirma geführt hat.
Nun zur ganzen Geschichte: Otto Felix Geissler, der Nestor der deutschen Fliegenbinderei, wurde 1881 in Chemnitz geboren. Der Sachse bereiste mit der Fliegenrute ganz Deutschland, in jungen Jahren hat er auch mehrere Jahre in Nordamerika zugebracht und dort viele moderne Entwicklungen in der Angelfischerei kennengelernt. Dort war er als Baumwoll-Kaufmann tätig. Geissler erlangte als Fliegenfischer und -binder europaweit Bekanntheit. Man kennt vielleicht heute noch seine Patria-Fliegen („vaterländische“ Fliegen, benannt nach deutsche Forellen- und Äschenflüssen) und die Muster Geisslers Ruhm oder Geisslers Hexe.
Gründer von Noris und Bavaria
Otto F. Geissler gründete bereits im Jahr 1917 in Hamburg die „Werkstätten für Flugfischereibedarf“. Aber schon drei Jahre später zog er mit seiner Firma nach Nürnberg um. Die Angelgeräteproduktion wurde dem neuen Ort gemäß in „Noris“ umbenannt, dem mythologischen Beinamen der Stadt. Noris wurde zu einer der berühmtesten deutschen Angelgerätefabriken, die frühen Ruten sind wohl die schönsten Gespließten, die jemals in Deutschland gebaut wurden. Der englische Fabrikant Hardy besuchte Geissler sogar in Nürnberg und nannte ihn wertschätzend den „deutschen Hardy“. Aber schon 1925 musste Geissler Konkurs anmelden und an Witt & Führmann in Hamburg verkaufen. In Gesprächen mit Bert Rost, dem letzten Inhaber von Noris und zeitweiligen DAM-Mitarbeiter, habe ich erfahren, dass der berühmte Fliegenfischer zu dieser Zeit wohl ein gesundheitliches Problem gehabt haben soll. Danach hat Geissler bei der DAM in Berlin angeheuert. Er übernahm dort die Fliegen-Fabrikation. Es existiert ein kleines DAM-Faltblatt von DAM, dass Otto F. Geissler den Freunden der Fliegenfischerei gewidmet hat. Mit epochemachenden Diavorträgen zum Thema Fliegenfischerei zog er damals durch Deutschland. Seine Fachaufsätze in der Angelpresse zum Thema Fliegenruten und Fliegenbinden sorgten für Aufsehen.
Neubeginn in Hollfeld
Bereits 1942, als in Berlin durch die Bombenangriffe kein Arbeiten mehr möglich war, durfte er im Einvernehmen mit der DAM in Hollfeld eine Kleingerätefabrik neu aufbauen. Durch den Krieg war dieses Vorhaben aber anfänglich nur von nur kurzer Dauer. Nach dem II. Weltkrieg, im Jahr 1949, gründete Geissler dann in Bayreuth zusammen mit der Familie Bischoff die Firma Bavaria. Der Fischmeister und Fischereisachverständige Konrad Bischoff war Geisslers Freund. Dort wurden in der Folgezeit von bis zu 40 Frauen Fliegen gebunden. Sogar Charles Ritz hat dort seine Muster bestellt. 1951 verstarb die Fliegenfischer-Legende Otto F. Geissler im Alter von 70 Jahren in Holfeld bei Bayreuth, dem Ort des letzten Bavaria-Firmensitzes. Der Verband Deutscher Sportfischer hat „als Zeichen der Anteilnahme aller deutscher Angler“ an seinem Grab einen Kranz mit besonderer Widmung niedergelegt.
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