Zunehmende Lieferengpässe bei Chemikalien für die Phosphorfällung stellen die deutsche Abwasserwirtschaft aktuell vor erhebliche Probleme. Übergangsweise soll mehr Phosphor in die Fließgewässer eingeleitet werden dürfen.
Ohne diese Fällmittel können die Einleitegrenzwerte für Phosphor nicht eingehalten und damit der Schutz der Gewässer vor Eutrophierung nicht gewährleistet werden. Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) setzt sich ausdrücklich für einen bestmöglichen Gewässerschutz ein. „Bund, Länder und die Wasserwirtschaft müssen alle Kräfte mobilisieren, um die Abwasserentsorger, aber auch Schlachthöfe und Molkereien, mit den nötigen Fällmitteln zu versorgen. Höchste Priorität hat, die Knappheit schnellstmöglich zu beenden, um die betriebsübliche Phosphor-Elimination störungsfrei zu gewährleisten,“ fordert DWA-Präsident Prof. Uli Paetzel. „Dies haben Vertreter der Wasserwirtschaft sowie der Bundesministerien für Umwelt und Wirtschaft Mitte September bei einem Krisentreffen einstimmig betont.“
Lieferengpässe durch Energiekrise
Kurzfristig können die Engpässe auf den Liefermärkten nicht behoben werden, dies haben die Hersteller der entsprechenden Betriebsmittel gegenüber der DWA ausdrücklich betont. Es fehlen insbesondere Eisensalze, die als Nebenprodukte bei der Herstellung von z.B. Titandioxid für Farben und Lacke anfallen. Eine deutlich verminderte Nachfrage nach diesen Produkten sowie unterbrochene Lieferketten und Preisexplosionen u.a. bei Salzsäure führen zu extremen Lieferengpässen für Eisensalze. Auch alternative Fällmittel sind auf dem Markt kaum zu bekommen. Eine repräsentative Umfrage der DWA zeigt, dass bereits heute ein Viertel der Kläranlagen Ausfälle von Lieferungen meldet. Bis Oktober erwartet jeder zweite Kläranlagenbetreiber den Ausfall von Lieferungen beziehungsweise wurde ihm dieser von den Lieferanten angekündigt.
Vorgeschriebene Phosphorwerte können nicht garantiert werden
Aufgrund der Ausnahmesituation kann die Einhaltung der Überwachungswerte für Phosphor derzeit nicht in jedem Fall garantiert werden. Die Politik muss zeitnah handeln, um den ordnungsrechtlichen Druck auf die Betreiber für unvermeidbare Notsituationen und mögliche unverschuldete Betriebsstörungen zu nehmen. Die norddeutschen Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie Nordrhein-Westfalen haben bereits entsprechende Erlasse an die zuständigen Wasserbehörden geschickt. Andere Länder wollen dies kurzfristig tun. Die DWA begrüßt die pragmatische Herangehensweise der Landesumweltministerien zur Duldung unter strengen Auflagen ausdrücklich. Gleichzeitig ist aber auch der Bund gefordert, bundeseinheitliche Regelungen für die Krise zu initiieren.
Drastische Erhöhung der Abwassergebühren verhindern
Mit einer Duldung unter strengen Auflagen muss gleichzeitig auch eine drastische Erhöhung der vom Kläranlagenbetreiber zu entrichtenden Abwasserabgaben, die über die Abwassergebühren vom Bürger getragen werden, verhindert werden. Die Branche spricht hier von einer „Rakete“. Diese gilt es, in der aktuellen von den Betreibern nicht verschuldeten Notlage zu vermeiden.
Überschreitung der Werte keine Dauerlösung
Die Duldung von Überschreitungen der Einleitegrenzwerte unter strengen Auflagen darf aber keine Dauerlösung sein, die Gewässer müssen unbedingt geschützt werden. Es gilt, alle anderen Instrumente zur Einhaltung der P-Vorgaben einsatzbereit zu machen und zu prüfen, was vor Ort funktioniert. Dazu setzt sich die DWA für die Bildung von Runden Tischen in den Ländern ein.
Möglich ist beispielsweise ein reduzierter Fällmitteleinsatz oder eine optimierte Regelung zur Werteeinhaltung ohne Sicherheitspuffer. Ordnungsrechtlich kann dies aber aufgrund der Regelungen des Abwasserabgabengesetzes problematisch sein. Aktuell liegen die Ablaufwerte der Kläranlagen in Deutschland bei etwa 50% der Mindestanforderung. Dieser Sicherheitspuffer wird benötigt, um gegebenenfalls auftretende Belastungsspitzen aufzufangen.
Denkbar ist auch eine „Nachbarschaftshilfe“ unter den Kläranlagen. Diese kann aber nur mit entsprechender Unterstützung durch die Behörden funktionieren. Insbesondere der Transport muss fachgerecht erfolgen. Auch der verstärkte Einsatz von Bio-P-Verfahren ist zu prüfen. Hier übernehmen spezielle Mikroorganismen den Phosphatabbau, ein Einsatz von Fällmitteln ist nicht notwendig. Es müssten aber anaerobe Zonen ausgebildet werden, Bio-P-Verfahren sind daher nicht auf allen Kläranlagen einsetzbar und gewährleisten nicht das jederzeit sichere Einhalten der Grenzwerte. Auch können hiermit negative Auswirkungen auf die Entwässerbarkeit der Klärschlämme verbunden sein.
Parallel zu diesen Bemühungen muss sich der Bund für die Salzsäureproduktion einsetzen, um unter anderem Eisen aus Eisenschrott lösen zu können. Auch der verstärkte Bezug von alternativen Fällmitteln über den Weltmarkt sind vom Bund zu forcieren, beziehungsweise finanziell zu unterstützen.
Phosphor-Belastung steigt
Wichtig: Bei Phosphor handelt es sich um einen Nährstoff, Phosphor ist grundsätzlich nicht toxisch. Insbesondere in der anstehenden kalten Jahreszeit, in der kaum Algenwachstum stattfindet, ist das Risiko einer Eutrophierung der Gewässer durch höhere Phosphoreinträge gering. Mittel- und langfristig würden höhere Phosphoreinleitungen jedoch insbesondere bei empfindlichen Gewässern sehr problematisch, zudem gelangen über die Flüsse die Nährstoffe in die Meere und gefährden vor allem die Randgebiete der Nord- und Ostsee und belasten diese nachhaltig.
-Pressemitteilung DWA-