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Die Riesen-Schlangen der Sommernächte

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1,6 kg Aal
Gegen Mitternacht schreckte Jörgen Larsson auf: Ein 1,6 Kilogramm schwerer Anguilla hatte die Krabb genommen.
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Kraftvoller Räuber: Dieses mal hat der Angler gesiegt, doch oft genug geht das Kräftemessen zugunsten des Fisches aus.

Laue Sommernächte bieten eine stimmungsvolle Kulisse zum Aal-Angeln. Wenn sich die blutsaugenden Mücken ein Opfer suchen, ist meist auch Mr. Schleicher auf Raubzug. Doch nicht immer endet das Duell mit dem Fisch zugunsten des Anglers.

01/1999

By Jörgen Larsson

Eigentlich stand an diesem glutheißen Sommertag kein Angeln auf dem Plan. Doch den ganzen Nachmittag schon herrscht eine drückende Schwüle. Mehrere Male hat es bereits in der Ferne gedonnert. Aber das Himmelsgrollen verhallt, und es bleibt windstill. Es scheint fast so, als würde die Natur den Atem anhalten und auf den großen Knall warten – genau das richtige Aal-Wetter!

Flugs ändere ich meine Pläne und montiere meine Ruten. Am Teich stippe ich mir noch ein paar Köderfische, denn ein großer Anguilla liebt frische und gut duftende Köder. Eine Stunde später sitze ich an meinem Lieblingsplatz. Die Verführer sind ausgelegt und die Gerten liegen in den Haltern.

Vor einigen Jahren fand ich diesen Hot Spot: eine kleine Bucht inmitten einer Schilfinsel. Die Köder platziere ich ganz dicht an der Schilfkante, denn hier habe ich bisher die besten Ergebnisse erzielt. Wahrscheinlich tummeln sich die Schleicher bevorzugt unter dem Wirrwarr der alten Äste und Schilfhalme.

Sich aalen hoch drei

Auf die Haken habe ich drei verschiedene Leckereien gespießt. An der ersten Rute ein kleines Stückchen von einem frisch gefangenen Fisch denn dieses lockt sehr selektiv die größeren Exemplare an den Haken. Anders das Tauwurmbündel an der mittleren Gerte: Darauf fallen auch die kleineren Schlängler herein. An der dritten Rute habe ich gekochte Krabben ohne Schale ausgelegt ein absoluter Geheimtipp für Mr. Schleicher!

Die Fängigkeit der drei Köder variiert von Gewässer zu Gewässer: Der Regenwurm ist ein „Allroundgenie“; und eigentlich immer für ein Prachtexemplar gut. Köderfische oder Fischfetzen können dagegen in einem Revier der absolute „Aal-Killer“ sein während sie andernorts gänzlich verschmäht werden. Die Krabben schließlich sind immer für eine armdicke Überraschung gut.

Vielleicht verführt einer der drei Top-Köder heute einen dicken Schlängler. Oder ich erwische jenen Monsteraal den ich an genau dieser Stelle vor einem Jahr verloren habe. Es war auch so ein Sommerabend mit drückender Wärme und Gewitterluft. Schon mehrere Stunden vor Sonnenuntergang hatte ich meine drei Verführer ausgelegt und war guter Dinge noch vor Einsetzen der Dunkelheit einen prächtigen Räuber ergattern zu können.

Kräftemessen mit dem Kapitalen

Aber als die Schnur dann plötzlich in einem Höllentempo von der Spule gerissen wurde wusste ich was die Stunde geschlagen hatte. Der Anhieb saß und die charakteristischen Schläge in der Rute verrieten mir schnell: Am anderen Ende der Schnur kämpfte ein alter riesiger Aal. Die unglaubliche pure Kraft dieses Tieres überraschte mich. Erst nach minutenlangem Zerren und Ziehen schaffte ich es den Riesen-Schlängler vom Grund wegzubekommen.

Anguilla tobte im Mittelwasser hin und her von Ermüdungsanzeichen keine Spur. Also verstärkte ich den Druck bis zur Bruchgrenze der Schnur und Anguilla erschien tatsächlich für einen kurzen Moment an der Oberfläche. Mir blieb die Luft weg so riesig war er. Plötzlich sprang die Rute zurück die Schnur flog mir entgegen. Weg! Der größte Aal den ich je in meinem Leben gesehen habe war verloren. Er hatte das Vorfach mit seinen kleinen spitzen Zähnen einfach durchgesäbelt.

Die Ruhe nach dem Sturm

Und heute sitze ich wieder an der gleichen Stelle des Sees und frage mich: Ist der Kapitale immer noch hier, oder hat er sich bereits auf den weiten und gefährlichen Weg in das Sargasso-Meer gemacht? Vielleicht ist er aber auch gerade dabei, sich für den nächtlichen Raubzug im See bereit zu machen. Wer weiß?

Trotz der vorgerückten Stunde ist die Wärme immer noch unerträglich. Ich lasse mich erschöpft in meinen Klappstuhl sinken. Die Dämmerung breitet sich langsam aus, und schließlich sitze ich im Dunkeln unter den Wipfeln der Bäume.

Gegen Mitternacht reißen mich die elektronischen Bissanzeiger aus dem Schlaf. Zwei jeweils 1,6 Kilogramm schwere Pracht-Aale haben kurz nacheinander gebissen, der eine auf ein halbes Rotauge, der andere auf Krabbe. Ich lande beide Tiere ohne Probleme. Zufrieden mit mir und der Welt schlafe ich wieder ein. Im Morgengrauen weckt mich Vogelgesang. Die Feuchtigkeit hängt in der Luft, und die wasserbeladenen Wolken am dunklen Himmel zeugen davon, daß zum Unwetter gestern nicht mehr viel fehlte.

Plötzlich piept der Bissanzeiger, der die Montage mit einem Stückchen Weißfisch „überwacht“. Biss! Als ich den Anhieb setze, folgen die mir vertrauten brutalen Schläge – die gleiche unbändige Kraft am anderen Ende der Schnur. Das muss er sein: der Riesen-Aal!

Der Schweiß tritt mir auf die Stirn. Mein ganzer Körper zittert, meine Knie werden weich. Die Schnur ist gespannt wie eine Violinseite, und der kraftvolle Räuber schlängelt sich im Wasser hin und her. Nach mehreren Minuten aufreibenden Kampfes knallt es urplötzlich, so als ob eine Pistole abgefeuert wird. Die Hauptschnur ist gerissen, und mit einem mächtigen Satz werde ich auf meinen Allerwertesten zurückgeschleudert. Diese Schlacht ist verloren! Der Gegner war einfach zu stark.

Mir bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als ihm eine gute und sichere Reise zur anderen Seite des Atlantiks zu wünschen und zu hoffen, dass seine Nachkommen die Bestände entlang der Küsten ein wenig auffrischen. Und wer weiß, vielleicht wählen sogar einige den langen Weg die Wassersysteme hinauf, um sich in diesem kleinen See dick und mächtig zu fressen – und sich dann mit mir in einer lauen Sommernacht zu messen.

Foto: Verfasser

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