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Die berüchtigte Kohlraupe

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Meine uralte Kohlraupe konnte ich in dieser verwitterten Wyers Freres-Schachtel erwerben, hergestellt in Redditch England, verkauft in Paris Frankreich. Im Hintergrund die Bastelanleitung von Max von dem Borne.

Sie ist wahrscheinlich immer noch einer der ältesten Kunstköder in meiner Sammlung. In der Ausgabe 4/2007 von DER RAUBFISCH hatte ich einmal einen Artikel in der legendären Serie „Alte Eisen“ zur Kohlraupe verfasst, den ich hier wiedergeben möchte:

Wie kann es sein, dass mit dem erfolgreichsten Äschen-Köder aller Zeiten heutzutage niemand mehr fischt? Ganz einfach: Er wurde verboten!

„Um Ihnen einen Eindruck von der tödlichen Wirkung dieser Köder an manchen Flüssen zu geben: Mit nur einer Rute konnte ein Angler damit einen 30 Pfund fassenden Korb füllen, und den musste er an einem Angeltag drei Mal leeren – alles schöne und große Fische.“ So klagte Francis Francis, Herausgeber des britischen Sportmagazins „The Field“, im Jahre 1867. Der geheimnisvolle Äschen-Killer schimpfte sich „cabbage grub“ – eine künstliche Kohlraupe, nicht viel mehr als ein mit Wolle umwickeltes Würmchen aus Blei. Die Kohlraupe war so erfolgreich, dass sie vielerorts verboten wurde.

Francis berichtete: „In der englischen Stadt Leintwardine am Fluss Teme war sie nur für kurze Zeit erlaubt, und das Abschlachten der Äschen war fürchterlich. Der Köder wurde wieder verboten. Nur an 4 Tagen im Jahr, 2 Tage vor und nach der jährlichen Abendgesellschaft der Angler, durfte er benutzt werden, sozusagen als Schmankerl für die Festgäste. Die Fänge waren ungeheuerlich.“ In seinem „Book on Angling“ beschreibt der damals in Europa wohl bekannteste Angler die Fischerei mit der Kohlraupe bis ins Detail: „Wirf Deinen Köder an jede fangträchtige Stelle, vor allem in jeden tiefen Gumpen und in jeden drehenden Kolk, führe ihn auf und ab und versetze ihm kurze Schläge aus dem Handgelenk. Lasse den Köder niemals einen Augenblick verharren, bis das ganze Gewässer gründlich abgesucht worden ist.“ Um die Kohlraupe absolut unschlagbar zu machen, empfahl der Meister dem nimmersatten Angler, ein Stück Wurm oder eine Made auf den kleinen Drilling am Seidenwurm-Seitenarm zu stecken. Die Erfindung der künstlichen Kohlraupe ist aber Hewett Wheatley zuzuschreiben, der den gefährlichen Köder 1849 zum ersten Mal in seinem Buch „Rod and Line“ erwähnte. In diesem originellen Werk, geprägt vom bissigen Humor des Autors, stellt Wheatley noch weitere Verwandte der grünen Kohlraupe vor: die Wespenlarve (wasp grub) – ein bleiernes Würmchen, umwickelt mit weißer Wolle. Und den Grashüpfer (grasshopper) – kein graziles, schwimmendes Insekt, sondern im Grunde ebenfalls eine plumpe Kohlraupe, die aber auf einen bleibeschwerten Einzelhaken gebunden wurde. Ein Freund Wheatleys tunkte mit diesem Bleihüpfer innerhalb von 3 Tagen 180 Pfund Äschen und Forellen aus einem Bach. Wheatley ist übrigens ein Name, den der Flugangler sich merken sollte: Er war der erste, der künstliche Fliegen auf Öhrhaken band. Zuvor bestand die Öse der Fliegenhaken nur aus einer mit Bindegarn angewundenen Schlaufe aus Seidenwurmdarm.

Fängiger Schädling

Auch in ihrer natürlichen Version war die grüne Kohlraupe ein beliebter Angelköder, kam sie doch massenhaft in vielen Gärten vor. Die gefräßige Larve der Kohlmotte richtete in früheren Jahrhunderten auf den Gemüsefeldern regelrechte Verwüstungen an. Angelnde Lausbuben zogen deshalb los und sammelten die saftigen grünen Kringler von den Kohlköpfen ab – eimerweise Fischfutter und ein lukrativer Nebenverdienst! Denn nur Absammeln half gegen die verfressenen Plagegeister. Das Einlegen der Kohlsamen in Karpfenblut, dressierte Störche oder das Vergraben stinkender Flusskrebse auf den Feldern nützten wenig – alle Geheimrezepte der verzweifelten Bauern versagten gegen die verfressenen Mottenlarven. Ein Eimerchen der abgesammelten Schädlingsraupen reichte satt für einen Angeltag. „Leider“ kam der Erfolgsköder nur im Sommer in großen Mengen vor. Hier trat Whaetley mit seinem künstlichen Nachbau auf den Plan. Und die Fälschung fing besser als das Original, konnte man doch mit der Bleiraupe die tiefsten Gumpen Zentimeter für Zentimeter nach feisten Äschen abklopfen. Was heute der Kormoran, war damals die künstliche Kohlraupe – dieser Vorläufer des Jigs und der Goldkopfnymphe entvölkerte zum Ende des 19. Jahrhunderts europaweit die Äschenflüsse.

Alte Bastelanleitung

Der deutsche Angelschriftsteller Max von dem Borne gibt in seinem Klassiker „Angelfischerei“ noch am Ende des 19. Jahrhunderts für die Kohlraupe eine Bastelanleitung: „Ein Stückchen geglühten Messingdraht legt man zusammen und dreht es in eine Schleife. Dann legt man um ein rundes Stückchen Holz einen Papierzylinder und klebt ihn an der Seite mit Siegellack zusammen. In diesen Zylinder steckt man den Messingdraht und schließt ersteren unten mit Siegellack so, dass die Spitze des Messingdrahtes 15 mm unten vorsteht. Darauf umhüllt man den Zylinder bis zur oberen Öffnung mit trockenem Sand, schmilzt etwas Blei in einem Blechlöffel über einem Spiritus- oder Gasbrenner und gießt den Papierzylinder voll Blei. Der Sand darf nicht feucht sein, sonst wird das geschmolzene Blei umhergeschleudert. Mit Messer, Feile und Polierstahl gibt man dem Ganzen die Gestalt und biegt das Blei.

Nachdem ein kleiner Triangel an einem Gutfaden angewunden ist, steckt man letzteren durch die Drahtöse und bindet ihn fest an. Man windet darauf unten am Messingdraht 2 Fäden von nicht zu dunkler grüner Wolle und einen von hellerem Grün an, windet beide um den Messingdraht nächst dem Blei um und biegt den 10 mm vorstehenden Draht so zurück, dass er sich fest an das Blei anlegt. Nun windet man die Wolle um das Blei bis zum Kopf und bindet sie an der Öse fest. Zugleich wird eine Faser einer Pfauen- oder Straußenfeder oder ein Stückchen Chenille befestigt, um den Kopf der Raupe zu bilden. Dann windet man mit der Federfaser oder Chenille den Kopf der Raupe, bindet zu, schneidet die Chenille und Seide ab, betupft den Kopf mit Firnis und hat die sogenannte Kohlraupe, einen der besten Köder, den es gibt.“

Wer hat ebenfalls eine Kohlraupe in seiner Sammlung? Infos an thomas.kalweit@paulparey.de

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