ANZEIGE

DAFV reicht EU-Beschwerde gegen Deutschland ein

19570
Binnengewässer machen nur 0,8% der globalen Gewässer aus, aber sie sind der Lebensraum für 40% aller vorkommenden Fischarten. Das Artensterben im Wasser ist dabei 5-mal schneller als an Land. Foto: Olaf Lindner, DAFV
Binnengewässer machen nur 0,8% der globalen Gewässer aus, aber sie sind der Lebensraum für 40% aller vorkommenden Fischarten. Das Artensterben im Wasser ist dabei 5-mal schneller als an Land. Foto: Olaf Lindner, DAFV

Am 3. Juli 2018 hat der Deutsche Angelfischerverband Beschwerde bei der EU gegen Deutschland eingelegt.

Sauberes Wasser und naturnahe, lebendige Gewässer sind nicht verhandelbar, sondern ererbte Güter, die geschützt und erhalten werden müssen. Bäche und Flüsse sind Lebensräume für zahlreiche Lebewesen – keine bloßen Transportwege für Wasser. In diesem Sinne wurde im Jahr 2000 die Wasserrahmenrichtlinie in der EU ins Leben gerufen. Die Freude unter den Anglern und zahlreichen Umweltverbänden war groß. Das ambitionierte Ziel lautete: Alle Gewässer in der EU bis zum Jahr 2015 in einen „guten ökologischen Zustand“ zu versetzen und diese Errungenschaft durch ein Verschlechterungsverbot langfristig zu sichern.

Alles was bleibt, ist Ernüchterung

Achtzehn Jahre später ist alles was bleibt Ernüchterung. „In Deutschland sind wir dem Ziel in achtzehn Jahren nur in wenigen Ausnahmen nähergekommen. Laut den letzten Bewertungsergebnissen befinden sich nur 8,4% der Wasserkörper in dem geforderten guten beziehungsweise sehr guten ökologischen Zustand.“[1], so Dr. Christel Happach-Kasan, Präsidentin des Deutschen Angelfischerverbandes (Quelle: Europäische Umweltagentur (EEA), „Die europäischen Gewässer werden sauberer, aber große Herausforderungen bleiben bestehen“). „Deutschlands Gewässer landen damit europaweit nur auf dem drittletzten Platz.“

Hauptursache: Fehlende Durchgängigkeit

Eine wesentliche Ursache neben dem Eintrag von Schadstoffen ist die fehlende Durchgängigkeit der Gewässer. Vor allem die vielen kleinen Wasserkraftwerke (Leistung kleiner 1 MW) verursachen in den Gewässern enorme ökologische Schäden und leisten dabei kaum einen Beitrag zur Energieversorgung in Deutschland (Quelle: Umweltbundesamt, „Nutzung von Flüssen: Wasserkraft“).

Radikales Umdenken gefordert

„Ohne ein radikales Umdenken im Bereich der kleinen Wasserkraft, haben die Flüsse und deren Bewohner in Deutschland keine Zukunft. Die massiven ökologischen Schäden der kleinen Wasserkraft wurden jahrelang unterschätzt. 2004 wurde mit dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) wirksame Anreize für den Ausbau der kleinen Wasserkraft geschaffen. Mit der Aussicht auf langjährige garantierte Einspeisevergütungen zu Lasten der Verbraucher, ließen bereitwillige Investoren nicht lange auf sich warten. Mit dem Ergebnis, dass vielen Fischen und anderen aquatischen Lebewesen in unseren Flüssen die Lebensgrundlage entzogen wurde. 55.000 registrierte Querbauwerke und ca.7600 kleine Wasserkraftanlagen1 haben Flüsse in eine Kette von Staustufen verwandelt. Geeignete Fischschutzanlagen bzw. Fischtreppen gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen. Nicht umsonst wird die Wasserkraft durch die Richtlinie über die Umwelthaftung in die Kategorie „gefährliche berufliche Tätigkeit“ mit Haftung für Umweltschäden durch die Betreiber eingestuft.“, erläutert Gerhard Kemmler, Sachverständiger des DAFV und Mitglied im Verband Hessischer Fischer.

Die jahrelangen Anstrengungen der Angler, sich gegen den schleichenden Verlust der Fischarten und -bestände zur Wehr zu setzen, waren nicht von Erfolg gekrönt. Zahlreiche Stellungnahmen, Beschwerden und Klagen der Anglerverbände blieben erfolglos. Dabei erwies sich das vielversprechende Verschlechterungsverbot in der Praxis oft als stumpfes Schwert. Unzählige Ausnahmeregelungen und advokatische Winkelzüge haben das Verschlechterungsverbot in der praktischen Umsetzung ad absurdum geführt. „Wir wurden mit pauschalen Argumenten wie „übergeordnetes öffentliches Interesse“ abgespeist, oder es wurden von den Gerichten neue Definitionen für Wasserkörper erfunden, nach dem Motto: „Das Gewässer ist bereits in einem schlechten Zustand, da kann man eh nichts mehr verschlechtern.““, so Kemmler.

Wasserkraft ist keine „Grüne Energie“

Auch Alexander Seggelke, Geschäftsführer des DAFV übt deutliche Kritik: „Für einen Anteil von nur 0,3% der Stromerzeugung in Deutschland haben wir weite Bereiche unsere Flüsse geopfert. Mit dem massiven Preisverfall und der Weiterentwicklung von Solaranlagen, Windkraft und Biogas gibt es heutzutage deutlich bessere Umweltoptionen im Bereich der regenerativen Energien. Das Wasserkraftwerke besonders Klimaschonend sind, kann man bezweifeln. Im Bereich der Stauhaltung und an den Schaufeln der Turbinen kommt es zu Entgasung von Methan. Methan ist deutlich klimaschädlicher als CO2. Unternehmen wie McDonalds oder die Deutsche Bahn führen die Verbraucher aus unserer Sicht in die Irre, wenn sie mit “Ökostrom aus Wasserkraft“ oder „Umweltfreundlicher Mobilität“ werben.“.

Der DAFV will die Missstände nicht länger hinnehmen, Happach-Kasan: „Nach jahrelangen Bemühungen sehen wir keine andere Möglichkeit, als eine Beschwerde bei der EU gegen Deutschland einzureichen. Wir können nicht länger stillschweigend zusehen, wie den Fischen in unseren Gewässern die Lebensgrundlage entzogen wird. Der guten Idee der Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahre 2000: „Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme“ sind in Deutschland leider kaum Taten gefolgt. Es reicht nicht, die Verwaltung entsprechend den Flussgebietseinheiten neu zu organisieren, aber ansonsten die alte Politik fortzusetzen. Wir erreichen jetzt den dritten und damit letzten Bewirtschaftungszeitraum, das ist die letzte Möglichkeit für Deutschland wirksame Fortschritte in der Umsetzung zu erzielen. Bis im Jahr 2027 müssen die Ziele erreicht werden, danach drohen Vertragsstrafen. Aber so lange können wir und vor allem die Fische in unseren Gewässern diesen Zustand nicht hinnehmen.“

Info-Box: Negative Auswirkungen der kleinen Wasserkraft

  • Dem Gewässer wird durch die Wasserkraft die Fließenergie entzogen. Flüsse benötigen diese Energie zur Qualitätserhaltung. Dazu wird ein Wanderhindernis installiert.
  • Vor den Kraftwerken entstehen ausgiebige Staubereiche. Dort lagern sich Sedimente ab und das Wasser erwärmt sich zusätzlich. Die Selbstreinigungskraft des Fließgewässers entfällt.
  • Zahlreiche Fische und andere aquatische Lebewesen kommen durch die Wasserkraftanlagen zu Tode. Geeignete Fischschutz-, Fischaufstiegs- und Fischabstiegsvorrichtungen gibt es nur in wenigen Einzelfällen.
  • Viele Fischarten sind auf durchgängige Gewässer zwingend angewiesen. In erster Linie um ihre angestammten Laichplätze zu erreichen, aber auch um neue Gewässerabschnitte zu besiedeln oder im jahreszeitlichen Verlauf den Standplatz zu wechseln.
  • Für den flussreichen Süden von Deutschland führt die „Rote Liste für Baden-Württembergs Fische, Neunaugen und Krebse“ elf Fischarten mit ausgeprägtem Wanderverhalten auf. Der Stör ist in Baden-Württemberg bereits ausgestorben. Lachs, Meerforelle, Maifisch und Huchen sind vom Aussterben bedroht. Die anderen Arten gelten als stark gefährdet. Die Zahlen belegen den hohen Gefährdungsgrad von wandernden Fischarten in Deutschland (Quelle: Baer, J. & Blank, S. & Chucholl, C. & Dußling, U. & Brinker, A. (2014): Die Rote Liste für Baden-Württembergs Fische, Neunaugen und Flusskrebse – Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg).

EU-Beschwerde gegen Deutschland als pdf…

Pressemitteilung des DAFV-

ANZEIGE
Abo Fisch&Fang