Zusammen mit Daniel Günther, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, informierte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über die Forschung des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.
„Hier in Kiel muss man die Menschen nicht davon überzeugen, wie wichtig Meeresforschung ist“, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er sei gekommen, um zu sehen, wie der Neubau die verschiedenen Standorte des GEOMAR zusammenführt und auf diese Weise die Forschungsbedingungen noch verbessert. Seine Reisen ins Ausland haben ihm außerdem gezeigt, wie wichtig die Kooperationen des GEOMAR in Westafrika und Cabo Verde seien. „Ich freue mich darüber, dass Forschung hier betrieben wird – und ich freue mich auch darüber, wie Nachwuchsförderung hier stattfindet“, so Steinmeier weiter. „Schülerinnen und Schüler aus den umliegenden Schulen hier in Kiel, die sich an kleineren Forschungsprojekten beteiligen und das offensichtlich mit Lust, Neugier und Ehrgeiz. Die Gespräche haben mir gezeigt, dass viele, die hier eine Weile mitgearbeitet und mitgeforscht haben, sich durchaus auch vorstellen können, einen Studiengang im naturwissenschaftlichen Bereich zu gehen. Und das sind genau die jungen Menschen, die man in Zukunft hier am GEOMAR braucht.“
Im Oktober 2023 hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Rahmen eines Staatsbesuchs auf Cabo Verde bereits das Ocean Science Centre Mindelo (OSCM) kennen gelernt, welches das GEOMAR seit 2017 auf der Insel São Vicente gemeinsam mit dem kapverdischen Instituto do Mar (IMar) betreibt.
Renaturierung von Seegraswiesen
Dass zusätzlich zum intensiven internationalen Engagement regionale Themen eine wichtige Rolle spielen, zeigte der Blick auf die Forschung des GEOMAR in der Ostsee. Das Meer dient der Wissenschaft als „Zeitmaschine“: Hier sind schon jetzt viele Veränderungen zu beobachten, die anderen Regionen noch bevorstehen. So ist zum Beispiel an der Langzeit-Beobachtungsstation „Boknis Eck“ in der Eckernförder Bucht die Temperatur in einem Meter Tiefe seit Beginn der Messungen vor mehr als 65 Jahren bereits um zwei Grad Celsius angestiegen. Und obwohl die Nährstoffeinträge langsam zurückgehen, werden Phasen extremer Sauerstoffverarmung häufiger und länger.
Neben Auswirkungen des Klimawandels und weiterer menschlicher Einflüsse untersuchen Forschende in der Ostsee auch marine Ansätze zur Kohlendioxid-Speicherung. Die Renaturierung von Seegraswiesen gilt dabei als eine von mehreren Maßnahmen – verbunden mit vielseitigen Zusatznutzen. Neben ihrer Bedeutung für die Kohlendioxid-Speicherung schützen sie Küsten, indem sie Wellen ausbremsen und den sandigen Untergrund mit ihren Wurzeln festhalten. Sie bieten vielen Meerestieren Schutz und Nahrung und stärken auf diese Weise die Artenvielfalt des Meeres. Außerdem können sie Krankheitserreger aus dem Wasser filtern.
60 Prozent der Seegraswiesen schon verloren
In der deutschen Ostsee gibt es derzeit nur noch weniger als 300 Quadratkilometer Seegraswiesen. Etwa 60 Prozent der Anfang des 19. Jahrhunderts noch von Seegras bewachsenen Fläche ist bereits verlorengegangen. Weltweit könnten diese Ökosysteme jedoch ungefähr 150 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr zusätzlich speichern. Diese Menge entspricht ungefähr dem, was der Verkehrssektor in Deutschland derzeit an Treibhausgasen ausstößt.
Damit sich eine Renaturierung langfristig auswirkt, versuchen Forschende, Pflanzen mit Genen heranzuzüchten, die auch höheren Temperaturen standhalten. Die derzeit in der Ostsee verbreiteten Populationen sterben ab, wenn das Wasser über längere Zeit 25 Grad Celsius übersteigt. Diese Zusammenhänge erforscht auch ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördertes Projekt am GEOMAR.
Zusammenarbeit mit Schulklassen
Von der Nähe zur Ostsee und der unmittelbaren Lage an der Schwentine, wenige hundert Meter von der Mündung des Flusses in die Kieler Förde entfernt, profitieren auch die Schulprogramme des GEOMAR. Schülerinnen und Schüler des Freitags-Forschungs-Club, einem Angebot für besonders interessierte Jugendliche, zeigten dem Bundespräsidenten etwa ihre Projekte zur Bestimmung von Plankton oder zur Messung von Nährstoffeinträgen aus der Landwirtschaft. Neben diesem Angebot existieren am GEOMAR seit 2004 Projektkooperationen mit Schulen und Jugendlichen in Form von Projekttagen, Ferienschulen oder Fortbildungen für Lehrkräfte zu meeres- und klimarelevanten Themen.
Tiefseeschutz und Tiefseebergbau
Zum Abschluss des Besuchs konnte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von den wichtigen Beiträgen des GEOMAR zum Diskurs über Tiefseebergbau und den Schutz der Tiefsee überzeugen. Im Zuge der Entwicklung „grüner Technologien“ zeichnet sich eine steigende Nachfrage nach speziellen Metallen und Metalloiden ab, die auch am Boden der Tiefsee lagern. Beispielsweise kommen Mangan, Kupfer, Nickel und Kobalt in polymetallischen Knollen vor, deren größtes Vorkommen in der Clarion-Clipperton-Zone im Nord-Ost-Pazifik bekannt ist. Dort verfügt die Bundesrepublik Deutschland über ein Lizenzgebiet zur Erkundung. Auch der Einsatz eines prototypischen Kollektor-Fahrzeugs wurde dort unter wissenschaftlicher Begleitung bereits erprobt. Um Fragen nach einer sicheren, umweltverträglichen und nachhaltigen Nutzung besser beantworten zu können, bringen Forschende des GEOMAR ihre Ergebnisse auch in Verhandlungen und Prozesse bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) ein und beraten die Politik in Fragen des Tiefseeschutzes.
-Pressemitteilung GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel-