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Biozide aus Fassadenputz gelangen in Gewässer

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Nadine Kiefer (links) und Fabienne Reiß untersuchen in Coburg, wie sich giftige Substanzen aus Farben und Baustoffen auf Lebewesen auswirken. Bild: Natalie Schalk/Hochschule Coburg

Als vor einiger Zeit in Schweizer Gewässern bestimmte Substanzen festgestellt wurden, war die Überraschung groß. Es handelte sich um Biozide, die in der Landwirtschaft nicht mehr eingesetzt werden dürfen.

Woher konnten sie kommen? Und wie wirken sie sich aus? Ein Forschungsprojekt der Hochschule Coburg liefert neue Erkenntnisse über Biozide in Baustoffen.

Gifte stecken in Baustoffen

Etwa ein Viertel der hergestellten Biozide wird im Bausektor verwendet. In Putz und Fassadenfarben verhindern sie, dass zum Beispiel Algen und Bakterien als grün-braune Biofilme an der Hauswand wuchern. Das ist nicht nur ein optisches Problem; Pilze beispielsweise können die Fassade tatsächlich beschädigen. Dagegen wirken Chemikalien in Baustoffen langfristig. Regen wäscht sie im Lauf der Zeit aus – und sie landen in Boden und Gewässern. Aus dieser Erkenntnis entwickelte sich ein Forschungskonsortium, an dem die Hochschule Coburg im Rahmen des Projekts BayÖkotox unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Kalkhof arbeitet.

Wirkung auf Leben in Wasser und Boden

Wie Biozide auf Wasserlebewesen wirken, bezeichnen Forschende als „aquatische Toxizität“. Sie ist bereits gut untersucht. Aber zu den Effekten auf die Mikroorganismen im Boden, der so genannten „terrestrischen Toxizität“, gibt es bisher kaum Daten. „Vor zwei Jahren haben wir dazu einen großen Freilandversuch auf dem Parkplatz in der Sonneberger Straße aufgebaut“, erzählt Fabienne Reiß. Sie kommt aus den nahegelegenen Haßbergen, hat in Coburg bereits ihren Bachelor und Master in Bioanalytik absolviert und promoviert im Projekt BayÖkotox bei Prof. Dr. Matthias Noll. Ihre Kollegin Nadine Kiefer kommt aus der Nähe des baden-württembergischen Reutlingen, ist Chemikerin und promoviert bei Prof. Dr. Stefan Kalkhof. Die Bioanalytikerin und die Chemikerin ergänzen sich, sind dankbar für die Möglichkeit, sich miteinander wissenschaftlich auszutauschen.

Regen spült Biozide von Fassaden ab

Sobald es anfing zu regnen, wusste das Tandem: Es steht Arbeit an. Schon wieder. „Wir haben den Freilandversuch 2021 gemacht. Dieses Jahr war sehr, sehr… “ Reiß schaut gequält, dann lacht sie ironisch: „…feuchtfröhlich! Wir sind fast in Baustoff-Eluaten ertrunken, wussten nicht mehr, wo wir sie lagern können, geschweige denn, wie wir sie analysieren, so lange alles noch stabil ist.“ Die Eluate, eine Flüssigkeit, die für weitere Tests aufbereitet und verdünnt ist, gewann Kiefer aus dem Regenwasser, das von der Test-Fassade lief und in speziellen Behältern aufgefangen wurde. Die Test-Fassade bestand aus L-Steinen aus Beton, die mit verschiedenen Prüfmustern verputzt worden waren: mal nur im Unterputz mit Bioziden, mal auch in Oberputz und Fassadenfarbe. Außer im Freilandversuch wurde das Auswaschungsverhalten auch in einer „Bewitterungskammer“ im Labor ermittelt. Insgesamt 350 Proben haben die Wissenschaftlerinnen analysiert.

Baustile und Alternativen

Um für den europäischen Markt zugelassen zu werden, muss bei einem Biozid nachgewiesen werden, dass es nicht besonders schädlich ist. Wie sich durch die Kombination verschiedener Biozide („Co-Toxizität“) die Wirkung möglicherweise verändert, wird mit verschiedenen Modellen simuliert. Kiefer glich die Coburger Ergebnisse mit den Modellierungen ab, die für die Zulassung solcher Stoffe eingesetzt werden. Sie entwickelte ein Setup zur experimentellen Validierung, überprüfte spezifische Einflussparameter, kombinierte Modelle und kam zu einem eindeutigen Schluss: „Aktuelle Abschätzungsverfahren spiegeln die realen Effekte nicht wider.“

Grundsätzlich liefern Daten aus der ökotoxikologischen Forschung Entscheidungsgrundlagen für die Frage, wo eine stärkere Regulierung im Umgang mit solchen Substanzen nötig ist. „Es gibt biozidfreie Alternativen, rein mineralische Putze zum Beispiel“, sagt Kiefer. Reiß zuckt die Schultern: „So wie früher.“ Problematisch sei auch die derzeitige Bauweise: „Jeder möchte diese eckigen Häuser, clean und gerade in Bezug auf die Biozide ist das der worst case. Man kann sich nicht vorstellen, wie sehr ein Dachüberstand die Auswaschung reduziert!“ Kiefer ergänzt, dass auch begrünte Fassaden nicht nur für die Klimabilanz, sondern auch für die Fassade selbst positiv sind. „Aber solche Alternativen sind teurer und den meisten Verbraucherinnen und Verbrauchern ist gar nicht bewusst, dass biozide Verfahren eingesetzt werden.“

-Pressemitteilung Hochschule Coburg-

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