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Begegnungen am Wasser

1912

Im 9. Teil seiner Serie berichtet Jan Eggers über Großhechte im Norden Kanadas, über abgelegene Traumgewässer, fast am Ende der Welt.

Jan Eggers (rechts) mit seinem Angelfreund Bill Tenney. Beide haben zusammen viele Angelabenteuer erlebt. Bild: Jan Eggers

Ich habe bereits erwähnt, dass meine erste Reise in die USA, besonders mein Besuch in der Redaktion von “The In-Fisherman”, mein Leben grundlegend verändert hat. Nach der Veröffentlichung meines sehr ausführlichen Artikels über Europas Großhechte in meiner Lieblingszeitschrift und einem Kapitel in dem Buch “Pike, an In-Fisherman Handbook of Strategies” wurde ich immer häufiger gefragt, ob ich nicht weitere Beiträge über große Hechte schreiben kann. Diesen Wunsch erfüllte ich mit Vergnügen, denn diese Arbeit machte mir Spaß. Ich erhielt jede Menge Reaktionen und war der beste Kunde meines Briefträgers.

Bills größter Wunsch: ein 30-Pfund-Hecht

Bill Tenney mit seinem ersten 30lb-Hecht aus Schwedens Schärengärten. Bild: Jan Eggers

Am 18. Dezember 1984 schrieb mir William L. Tenney aus Crystal Bay, Minnesota, einen langen Brief voller Fragen über europäische Großhechte. Er hatte damals bereits vor einigen Jahren seine Firma teuer verkauft und machte pro Jahr fünf bis acht Hechttouren, vor allem besuchte er Lodges in Nord-Kanada. Sein Traum war der Fang eines 30lb-Hechtes, umgerechnet ungefähr 14,2 Kilo schwer sollte er sein. Er hatte meine Artikel studiert und gelesen, dass Hechte in Europa nicht so schlank sind wie in Kanada und einen viel größeren Bauchumfang besitzen. Er hat mich deshalb gebeten, ihn bei einer Hechtreise nach Schweden zu unterstützen. Ich schrieb Bill 1985 eine lange Antwort zurück, am 5. Februar folgte ein noch längerer Brief von ihm, beinahe vier Seiten. So begann ein intensiver Briefwechsel und eine Freundschaft, die bis zu seinem Tod im Juli 1993 bestehen sollte. Ich habe Bill mit der Organisation seiner Hechttour in die Schärengärten bei Trose geholfen. Ich werde nie seinen Anruf vergessen, in dem er überglücklich den Fang seines 30-Pfünders vermeldete.

Ein beeindruckender Sonnenuntergang beschließt einen erfolgreichen Angeltag. Bild: Jan Eggers
Auch im Dunkeln fängt man schöne Hechte. Bild: Jan Eggers
Das erste Treffen von Jan Eggers und Bill Tenney in Chicago. Bild: Jan Eggers

Wir schmiedeten zusammen allerlei Pläne, um gemeinsam auf große Hechte zu fischen. Ich traf dann Bill zum ersten Mal im Februar 1986 auf einer Messe in Chicago. Vor allem war ich erstaunt über den nicht zu bremsenden Enthusiasmus des über 70-Jährigen, vor allem was Hechttouren betraf. Öfters hat Bill mich zu sich nach Crystal Bay, am Rand von Minneapolis gelegen, eingeladen. Er wohnte nicht weit weg von der In-Fisherman-Redaktion in Brainerd.

Als ich im Sommer 1986 von der AFTMA-Messe über Minneapolis nach Brainerd fliegen musste, machte ich einen Tag Stopp bei Bill. Er fand das ebenfalls eine supergute Idee! Er sammelte mich mit seinem großen Cadillac am Flughafen ein und wir glitten zu seiner großen Villa am Ufer des Lake Minnetonka, ein See mit wenigen Hechten, dafür voll mit Schwarzbarschen.

Überraschung: Hecht statt Musky

Mit Doug Stange und Al Lindner hatte ich abgesprochen, dass wir einen Tag oder so auf Muskies fischen würden. Ich hatte viel Lust darauf. Nachdem ich in Bills Haus seiner nicht angelnden Frau Patty vorgestellt wurde, folgte die erste Überraschung. “Du fliegst nicht nach Brainerd und angelst auch nicht auf Muskies”, verriet Bill.

Anflug auf die Little Churchhill-Lodge. Bild: Jan Eggers

Er holte zwei Umschläge aus seiner Tasche und zeigte sie mir. Es waren Flugtickets für eine Woche Hechtangeln in der Little Churchill Lodge in Nord-Kanada. Ein Dankeschön für meine Hilfe bei der Organisation seines Trips nach Schweden. Bill hatte meine Frau, Doug und Al schon informiert, gleich am nächsten Tag sollte es losgehen. Zufällig lernte ich abends Bills angelnden Nachbar, den Pressefotografen Art Tourangeau, kennen. Art erzählte mir, dass er 1962 Fotos vom Besuch Lauri Rapalas in den USA gemacht hatte. Die berühmten Fotos, die am 18.8.1962 in der Zeitschrift LIFE abgedruckt wurden. Diese Ausgabe mit der damals gerade verstorbenen Marilyn Monroe auf dem Cover war die meistverkaufte Ausgabe des Magazins. So schaffte Rapala den Durchbruch in den USA.

Ich freue mich noch immer über die originale LIFE-Ausgabe und über die Fotos von Lauri Rapala, die mir Art geschenkt hat. Beim Packen unseres Angelgerätes staunte ich über die großen Angelkoffer der Amerikaner, darin vor allem riesige Blinker, in einem Format, das ich in Europa noch nicht gesehen hatte. Auf die kurzen, etwa 180 Zentimeter langen Baitcaster-Ruten wurden Abu Ambassadeur-Multirollen montiert, drauf geflochtenes Dacron mit 40 bis 50 lbs Tragkraft. Ich hoffte damals nur, dass meine 270 Zentimeter lange Spinnrute mit meiner Abu 506 Kapselrolle, mit der ich sonst Polderhechte fing, stark genug für die kanadischen Hechte war.

Dieser junge Elch wurde wohl von Wölfen verspeist. Bild: Jan Eggers
Der indianische Angelguide Napoleon - es gab keinen besseren! Bild: Jan Eggers
Knallige Blinker sind in Kanada der Erfolgsköder. Bild: Jan Eggers
Rustikales Mittagessen am Ufer mit fangfrischem Fisch und Dosenbohnen. Bild: Jan Eggers

Ein Dollar für den ersten Hecht

Den Flug mit einem kleinen Wasserflugzeug zur abgelegenen Lodge fand ich besonders spannend. Damals wusste ich noch nicht, dass mir dieses Transportmittel in den kommenden 30 Jahren fast zur Gewohnheit werden sollte. Um die Angeltour noch spannender und interessanter zu machen, schlug Bill vor, dass der Angler, der morgens, mittags und abends den ersten Hecht fangen würde, mit einem Dollar belohnt werden sollte. Der Fänger des schwersten Hechtes verdiente zusätzliche fünf Dollar. Ein Hecht zählte als gefangen, wenn der Angler mit der Hand das Vorfach berühren konnte, an dem der Hecht am Kunstköder hing. Wir machten häufiger Pausen, so dass Bill, und ganz schnell dann auch ich einen “Baco”, einen Bacardi-Cola-Cocktail, genießen konnten. Unser indianischer Angelguide sorgte für den “shore lunch”, die Mittagspause am Ufer, für die wir schnell genügend Fisch gefangen hatten.

In dieser Tasche befand sich das Zubehör zum Cocktail-Mixen. Bild: Jan Eggers
Nicht schön, aber nützlich! Diese mückendichte Spezialjacke war Jans letzte Rettung. Bild: Jan Eggers
Dieser erste Hecht der Tour war einen Dollar wert. Bild: Jan Eggers

Das Boot setzte Kurs in Richtung einer Bucht voller Wasserpflanzen. Schon beim Einholen des ersten Wurfes hörte ich Bill die legendären Worte sagen: “You can’t win this dollar! (Diesen Dollar kannst Du nicht gewinnen!)” Kurz darauf fing auch ich meinen ersten kanadischen Hecht, es sollten in dieser Woche noch rund 200 weitere folgen. Sehr viele verschiedene Kunstköder-Typen habe ich an meine 15 Kilo tragende Hauptschnur gehangen, und auch gut damit gefangen. Letztendlich war aber meine Schlussfolgerung, dass Blinker zwischen 25 und 40 Gramm die besten Köder auf Kanadas Hechte sind. Mit meiner Polderausrüstung kam ich gut zurecht, ich fing damit sogar den schwersten Hecht der Tour von 9,3 Kilo. Alles in allem war ich am Schluss in der Gesamtwertung mit 3 Dollar im Plus. Das rieb ich Bill aber nicht unter die Nase. Aber was kam zwei Wochen später mit der Post: Ein Brief mit 3 Dollar darin. Bill wollte unbedingt die Chance auf eine Revanche und schrieb mir schon Ideen für neue Trips.

Massenweise neue Angelziele

Jans allererster kanadischer Hecht, es sollten noch jede Menge folgen. Bild: Jan Eggers

Natürlich fragte die Redaktion des In-Fisherman mich, ob ich meine ersten Hechterfahrungen in Kanada und die Unterschiede zur Europäischen Hechtszene auf Papier bringen möchte. Gerne wollte ich das machen, damit auch andere von der 30-jährigen Hecht-Erfahrung Bill Tenneys in Norden Kanadas profitieren. In den Wintermonaten sollte ich einen Artikel verfassen über meine Touren mit Bill. Danach sollte von uns beiden ein Beitrag über möglichst interessante Hechtstellen- und -gewässer folgen. Tja, ich werde es Euch verraten: Die Einladungen, um zusammen mit Bill kostenlos jede Menge Lodges zu besuchen, strömten nur so herein. Bill nannte mich jetzt seinen PR-Manager. Er rief aber auch selbst bei den Eigentümern der Lodges an, um alles abzuklären.

Bill mit Arktischer Äsche, man beachte die riesige Rückenflosse. Bild: Jan Eggers

Dass er vor allem interessiert war an Gewässern mit Großmutterhechten, spricht für sich selbst. Während der Wintermonate analysierte er die Rekordlisten und Fangmeldungen in den Werbebroschüren der bekannten und vor allem unbekannten Lodges.

Mitte der 80er Jahre hatten die Inhaber vieler Lodges verstanden, dass durch das Töten, Filetieren, Einfrieren und Mitnehmen der großen Fische viele Nachteile drohen. Gute Gewässer wurden so in schnellem Tempo leer gefischt. Glücklicherweise entschieden sich immer mehr Lodges für Catch & Release-Regelungen.

Vorsicht Eisberge! Morgennebel auf dem Mackenzie River. Bild: Jan Eggers

Wir waren beide der Meinung, dass ein gutes Foto eines lebenden Hechtes die schönste Erinnerung ist. Noch immer habe ich dutzende Fotos von kanadischen Hechten. Darunter auch wirklich besondere Aufnahmen, die ich gerade suche. Bei der Sichtung dieses Fotomaterials werden mir die Namen dieser Lodges aus den 80er Jahren wieder ganz lebendig. Wir fischen unter anderem bei der Brabant-Lodge, die am Mackenzie River, North West Territories, liegt. Hier erinnere ich mich vor allem an die vielen Eisberge, an die starken, aber mageren Hechte und an die bis zu 55 Zentimeter langen Arktischen Äschen mit riesiger Rückenflosse.

Ein Reiseziel mit viel Luxus, eigenen Wasserflugzeugen und zu 100 Prozent C&R war die Nueltin-Lodge unseres guten Freundes Bill Bennett und dem späteren Eigentümer Gary Gurke. Wir hatten dort unseren indianischen Stamm-Guide Napoleon, der dieses riesige Gebiet wie seine Westentasche kannte und uns viele Hechte über 20 Pfund fangen ließ. Er brachte mir auch bei, wie man mit sehr großen Blinkern und einigen 100 Gramm Blei beim Tiefenschleppen große Saiblinge fangen konnte. Bill gefiel diese Art der Fischerei nicht, deshalb angelten wir vor allem werfend auf Hecht.

Eine Woche voller Probleme

Wir erhielten auch eine Einladung, um zur offiziellen Eröffnung eine Woche lang die Gewässer der North of Sixties-Lodge zu befischen. Daraus wurde eine Woche voller Probleme. Zuerst konnte das gecharterte Wasserflugzeug die Lodge nicht finden und brauchte dabei das ganze Benzin auf. Ein Kollege musste Treibstoff bringen und wusste auch den Weg. Dann folgte eine Kaltfront mit Regen, Nebel und nassem Schnee, zusätzlich waren die Fänge minimal. Zu allem Überfluss fing sich Bill noch eine Blasenentzündung ein. Wir waren froh, als wir ein paar Tage früher nach Hause durften. Deutlich erfreulicher war unser Trip zur Silsby-Lodge. Viele schöne Hechte, warmes Frühlingswetter, dadurch bedingt natürlich auch einige Moskitos. Aber wenn man fängt, vergisst man die Plagegeister schnell.

Ich vergesse nie den Augenblick, als wir beide gleichzeitig einen großen Hecht drillten. Die Schnüre waren während des Drills seltsam nahe beieinander – das Unglaubliche war passiert: Der Hecht hatte unsere beiden Blinker mehr oder weniger gleichzeitig gepackt. Schnell waren Fotos gemacht, um die Außenwelt an unserem Erlebnis teilhaben zu lassen.

Wir besuchten noch Lodges in den Wholdaia- und Dubawnt-Fluss-Systemen und am Lake Athabasca und erwischten dort ebenfalls schöne Hechte. Aber alle diese Angelziele reichten nicht ansatzweise an das beste Gewässer für große Hechte, das Bill im Herbst 1988 entdeckte, heran: den Taltson River!

Bill Tenney mit einem übereifrigen Hecht, der fast zeitgleich zwei Löffel packte. Bild: Jan Eggers
Doppeldrill: Dieser Hecht nahm kurz hintereinander gleich zwei Blinker. Bild: Jan Eggers

Drei Zentimeter lange Zähne

Ankunft in der Silsby-Lodge im Norden Kanadas, standesgemäß mit dem Wasserflugzeug. Bild: Jan Eggers

Einer der Angewohnheiten von Bill Tenney war, auf jedem Flughafen in Kanada mit so ziemlich jedem ein Schwätzchen zu halten, der irgendwie wie ein Angler aussah. Eine hervorragende Methode um aktuelle Fanginformationen über Stellen und Köder zu bekommen. Bei diesen vielen Gesprächen hatte er einige Male das Gerücht gehört, dass im Indianer Reservat “Fort Resolution” ein Trapper wohnen soll, der mit Netzen riesige Hechte fängt, um sie lebend an seine Schlittenhunde zu verfüttern. Oft wurde noch hinzugefügt, dass die Zähne der Hechte ein Inch, fast drei Zentimeter, lang gewesen sein sollen. Bill forschte weiter nach und fand heraus, dass der Trapper Ray Beck hieß und er sein Jagdgebiet an der Mündung des Taltson River hatte. Im nächsten Teil erzähle ich, wie wir an dieses Gewässer gelangten, dort fischten und Tausende Meterhechte fingen.

Jan Eggers

Teil 8…

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