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Begegnungen am Wasser

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Fred Buller (rechts) war auch eng mit Altmeister Richard Walker befreundet. Hier beide beim Hechtangeln auf dem schottischen Loch Lomond. Bild: Jan Eggers

Im zweiten Teil seiner Serie schreibt „Hechtpapst“ Jan Eggers über den kürzlich verstorbenen „Hechtprofessor“ Fred Buller. Beide verbindet eine langjährige Freundschaft.

Hecht aus Lough Mask. In Irland besaß Fred Buller ein Ferienhaus. Bild: Jan Eggers

In diesem Teil schreibe ich über den Mann, der mein Leben komplett verändert hat, und dafür bin ich ihm sehr dankbar. In den mehr als 35 Jahren, in denen wir uns kennen durften, ist meine Bewunderung und Wertschätzung für diesen “Hechtprofessor” immer größer geworden. Man sollte diesen Beitrag deshalb vor allem als eine Ehrerbietung an Fred Buller betrachten, meinem großen Vorbild und bestem Freund.

Adresse stand im Domesday-Book

Jetzt, nachdem die ersten Zeilen auf dem Bildschirm geschrieben stehen, frage ich mich, wie ich nur alle Fakten und Anekdoten, die ich über diesen Historiker des Angelsports in Erfahrung gebracht habe, auf vier Seiten pressen soll (inzwischen habe ich die vier Seiten geschrieben und kann verraten, dass es eine weitere Folge geben wird).

Ein Buch, das Jan Eggers' Leben veränderte. Bild: Jan Eggers
Diese Hecht-Bücher von Fred Buller hat Jan Eggers regelrecht wie ein Heiligtum verehrt. Bild: Jan Eggers

Ende 1978 schickte mir Sandy Leventon, Chefredakteur der Zeitschrift Angling, ein Exemplar des „Domesday Book of Mammoth Pike“ von Fred Buller. Das Buch erhielt ich als Dank für eine Liste mit Adressen niederländischer Angelläden, die ich ihm geschickte hatte. Es war ein Brocken von einem Buch, voll mit großartigen Geschichten über mehr als 230 Großhechte, die schwerer als 35 englische Pfund (lb) geworden waren. Vorne im Buch stand Freds Adresse in Great Missenden, mit der Bitte, ihm Informationen über Hechte von über 35lb zu schicken. Ich las zu dieser Zeit viele Angelzeitschriften, darunter auch FISCH & FANG, und wusste genau, dass hier auf dem Kontinent viele Hechte über 35lb (16,2 Kilo) gefangen worden waren.

Anfang 1980 habe ich viele Zeitschriften durchsucht und am 25. Februar des Jahres schickte ich einen achtseitigen Brief mit 32 neuen Großhechten zum Haus Hollytree nach Great Missenden.

Ich hatte ein zufriedenes Gefühl, jetzt konnte England sehen, dass der Rest von Europa auf Großhechtgebiet mithalten kann. Ich erwartete keine Reaktion auf mein Schreiben. Zu meiner großen Überraschung schrieb mir Fred am 29. Februar einen langen, interessanten Brief und bat mich um Hilfe.

Vor zwei Jahren habe ich von Fred Kopien unserer Korrespondenz erhalten, deshalb kann ich genau nachsehen, was ich damals mit schneller Hand geschrieben habe. Nun ja, das waren viele Briefe mit wirklich einer großen Menge an Daten über Großhechte, nach und nach folgten auch immer mehr Fotos. Geplant war, dass diese neuen Fakten ins neue Buch “Pike and the Pike Angler” kommen sollten. Dieses neue Buch sollte eine stark verbesserte Version seines Buches “Pike” von 1971 werden… Es folgten noch weitere Meldungen von Großhechten, neue Fotos, auch musste noch ein neues und passendes Buch-Cover gefunden werden. Ich erlebte dies alles aus größter Nähe, näher geht es kaum, denn es ging Anfang 1981 zum ersten Mal nach England zu Fred.

Ein Koffer voller Hechtgeschichten

"Chubbs of Edgeware", Fred Bullers erster Jagd- und Angelladen. Bild: Jan Eggers

Im ersten Jahr meiner Suche nach Informationen und vor allem nach Fotos von Hechtgroßmüttern habe ich die meisten Infos über die Redaktionen von Angelzeitschriften erhalten. “Nimm all die Zeitschriften, Kataloge, Bücher und Fotos mit, wenn Du auf Besuch kommst”, hatte Fred mir einige Male geschrieben. Das war einfacher gesagt, als getan. Eine Reise mit dem Flugzeug wäre wegen dem superschweren Koffer, und der dadurch anfallenden Übergepäckgebühr, eine teure Reise geworden.

Mich mit dem eigenen Auto durch den dichten Londoner Linksverkehr zu quälen, fand ich nicht wirklich ratsam. Glücklicherweise wusste mein Angelkollege und Geschäftspartner Herman Groot eine prima Lösung. Seine Transportfirma hatte neben ihrer Zentrale in Hoorn in Friesland eine Zweigstelle außerhalb von London. Mehrere Male pro Woche fuhren Lkws hin und her. Ich konnte am Donnerstagnachmittag in Hoorn einsteigen, mit der Fähre von Hoek van Holland nach Harwich fahren, um am Freitagmorgen in Nord-London anzukommen. Fred hatte mir eine Metro-Station angegeben, an der der Fahrer mich absetzen sollte, damit Fred mich aufsammeln konnte. Diese Operation verlief wie geplant. Am Freitagmorgen blickte ich zum ersten Mal dem Mann in die Augen, den ich bewunderte.

Ich hatte schon im ersten Jahr unserer gemeinsamen Kapitalenjagd erfahren, dass Fred viel mehr tut, als Bücher mit Hechten über 35 Pfund zu schreiben. Fred war Baujahr 1926, 2016 sollte er 90 Jahre alt werden. Nach der Schule arbeitete er für die Freshwater Biological Association in Windermere.

Fred Buller testet seine Hardy-Rute "Fred Buller Pike" am Ufer von Loch Lomond. Bild: Jan Eggers

Er forschte dort über Hecht- und Barsch-Populationen. Nach dem Krieg heiratete Fred Pauline, zusammen bekamen sie zwei Töchter und einen Sohn. Zur gleichen Zeit gründete er sein Geschäft “Chubbs” in London, eine Firma, die Jagdgewehre herstellte und reparierte, aber auch Angelgeräte verkaufte. 1961 wurde er zusammen mit Leslie Moncrieff von der Firma Hardy beauftragt, neue Rutenmodelle zu entwerfen. Neben dem Bücherschreiben, 1980 waren es schon fünf, führte Fred auch einen Großhandel mit Angel- und Jagdbüchern und er vertrieb die von Richard Walker entwickelten Perma-Produkte für Fliegenfischer. Kurzum, ich hatte es zu tun mit einem sehr aktiven Tausendsassa, der obendrein noch verschiedene administrative Funktionen innehatte.

Unter den wachsamen Augen von Clarissa

In den oberen Etagen von “Chubbs of Edgeware”, so hieß seine Firma offiziell, befanden sich einige Büroräume, in denen wir zusammen meine mitgebrachten Unterlagen durchsahen. Wir planten, nach der bestehenden Big Pike-Liste für England und Irland, eine neue Liste für Europa und Nord-Amerika herauszubringen. Die Mindestgröße für die englische Liste war und blieb bei 35lb, ungefähr 16,2 Kilo. In Anbetracht der großen Menge an kontinentaleuropäischen Hechten beschlossen wir das Limit dieser Liste anfangs auf 17,5, ein Jahr später auf 18 Kilo festzusetzen. Fred hatte eine Art Standard-Formular in DIN A5-Größe erstellt, auf dem alle notwendigen Informationen, sofern bekannt, vermerkt werden konnten.

Eine zeitraubende Arbeit war das Umrechnen von Kilos und Gramm in Pfund und Unzen, und auch von Zentimetern in Fuß und Inches. Und da haben wir noch nicht über die Namen der Fanggewässer gesprochen.

Alle Fanginfos mussten per Hand notiert werden - es gab noch keine Computer. Bild: Jan Eggers

Fred hatte überhaupt keine Ahnung davon, wie Lough, Stausee, Teich oder Baggersee auf Deutsch, Französisch, Finnisch, Niederländisch oder Schwedisch heißen könnten, deshalb musste ich mich um die Übersetzung kümmern. Nachfolgend wurden die ausgefüllten Formulare in der Reihenfolge des Gewichtes in eine Kiste gepackt. Das Gleiche geschah mit Fotos, Zeitungsausschnitten und Kopien aus Büchern. Als wir diese Arbeit hinter uns hatten, begannen wir damit, diese ganzen Fänge auf einer Art “Master-Blatt” zu erfassen. Auf einem der Fotos ist dieser große Bogen Papier voller handgeschriebener Daten gut zu sehen.

Im Büro von Fred Buller: Der berühmteste Karpfen der Weltgeschichte, Clarissa, gefangen von Richard Walker. Bild: Jan Eggers

Wenn etwas korrigiert werden musste, dann musste mit Tipp-Ex der alte Text erst weiß gemacht werden. Ein Computerprogramm wie Excel wäre dafür ideal gewesen, damals hatten wir aber noch keinen Computer. Fred hatte in seinem Büro auch ein Bett stehen, in dem ich die erste Nacht verbringen konnte. Was ich noch vergessen habe: Keine zwei Meter neben meinem Bett hing Clarissa an der Wand. Für die, die es nicht wissen: Clarissa war der von Richard Walker gefangene, damalige englische Rekordkarpfen. Er lebte nach dem Fang noch viele Jahre im Zoo von London, dann wurde er ausgestopft. Am nächsten Tag haben wir weiter an der Europa-Liste gearbeitet. Nachmittags ging es zum Haus von Fred Buller. Dort lernte ich seine Frau und die jüngste Tochter Ruth kennen. Wir hatten einen schönen Abend.

Das Forschen geht weiter

Am Dienstagmittag fuhr ich mit dem Lastwagen wieder zurück in die Niederlande, ich hatte meiner Familie viel zu erzählen. Eine lange Liste mit Anmerkungen, Fragen und Ideen von Fred hatte ich mit im Gepäck. In Anbetracht der sich schnell nähernden Deadline für die Drucklegung des Buches “Pike II” war ich jeden Abend bis nach Mitternacht beschäftigt.

Eines hatte ich von Fred gelernt: Dass man in jedem Land mit einem Korrespondenten zusammenarbeiten muss. Die enthusiastischen Hechtangler, die ernsthaft bei der Jagd nach Riesenhechten mithelfen wollten, erhielten zu allererst als Belohnung eine Gratis-Ausgabe des Domesday-Book. Ende 1981 hatte ich ein Netzwerk aus 15 europäischen und amerikanischen “Mitarbeitern” geknüpft, der Postbote brachte mir jeden Tag schöne Überraschungen.

Fred Buller war total erstaunt über die große Zahl der Hechte über 20 Kilo vom europäischen Festland. Viele dieser Fische waren größer als der englische Rekordhecht. Wenn ich zu den Körpermaßen eines Hechtes für die Liste endlich ein schönes Foto erhalten hatte, dann war Fred im siebenten Himmel und glücklich. Ich habe einige seiner Briefe aus dieser Zeit noch einmal gelesen. Immer spürt man seinen Wunsch, vor allem gute Fotos von den schwersten Hechten zu bekommen. Im Frühjahr 1982 kam dann mit etwas Verzögerung “Pike and the Pike Angler” heraus. Ich flog nach London, um ein signiertes Exemplar in Empfang zu nehmen.

Nicht nur ein einfaches Exemplar, ich bekam Nummer 13 der 20 besonders edel gebundenen Autoren-Exemplare. “Mit Komplimenten und Dank und den allerbesten Wünschen”, hatte Fred Buller mir ins Buch geschrieben. Aber die größte Überraschung und Wertschätzung konnte man fünf Seiten weiter lesen: “Für Richard Walker, Hugh Falkus und Jan Eggers.”

Da stand mein Name neben zwei englischen Berühmtheiten, besser gesagt Ikonen der internationalen Angelsportwelt. Nochmals danke dafür, Fred. In der europäischen Big Pike-Liste standen nun 190 Großhechte, und viele Fotos, die mir sehr bekannt vorkamen, illustrierten dieses mittlerweile klassische Hechtbuch.

Hecht-Forscher Jan Eggers in seinem Element. Dieses Bild wurde damals für eine niederländische Tageszeitung aufgenommen. Bild: Jan Eggers
Auch für große Lachse interessierte sich Fred Buller sehr. Darüber mehr im nächsten Teil! Bild: Jan Eggers

Mit der Veröffentlichung dieses Buches war der erste Druck aus dem Kessel. Wir hatten nun Zeit für andere Sachen, wie etwa ein Jagdausflug mit Fred Taylor, oder den Umzug von “Chubbs” nach Amersham, außerhalb von London. Fred zog ebenfalls um, nach Great Missenden, dort lebte übrigens auch der Schriftsteller Roald Dahl. Fred Buller bezog dort ein Cottage aus dem 15. Jahrhundert.

Er nahm mich mit zu einem Treffen des PAC, des Pike Anglers Club. Wir verbrachten dort einen schönen Abend und diskutierten mit bekannten Größen aus der Angelwelt. Wir planten auch eine gemeinsame Hechttour an den Lough Mask in Irland, dort besaß Fred ein Ferienhaus. Kurzum, er hatte immer genug zu tun, auch das Sammeln immer weiterer Großhechte für die Big Pike-Liste ging weiter. Weitere interessante Einzelheiten werde ich demnächst verraten, im zweiten Teil über meinen großen Freund und mein Vorbild Frederic Buller MBE.

 

Jan Eggers

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