Die Stadt Osnabrück hat Angel-Angebote aus dem Ferienpassprogramm für Kinder und Jugendliche gestrichen. Es gebe ethische Bedenken.
Bedenken, die möglicherweise auf eine Anzeige der Tierrechtsorganisation „People for the Ethical Treatment of Animals“ (PETA) gegen einen Veranstalter einer der Angel-Aktionen aus dem Jahr 2016 zurückgehen. Scharfe Kritik an der Streichung der Angebote übt Niedersachsens größter Naturschutzverband, der Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN): Es gebe etliche Studien, die das Angeln als pädagogisch wertvolles Instrument der Umweltbildung ausdrücklich empfählen.
Angeln fördert persönlichen Reifeprozess bei Kindern
Minister Christian Meyer (Ministerium für Landwirtschaft) als auch jüngst Minister Stefan Wenzel (Ministerium für Umwelt) loben die Bedeutung der Angler für den Arten- und Naturschutz und ganz besonders ihren wichtigen Beitrag zur Umweltbildung.
Eine repräsentative Umfrage im Rahmen einer Studie von Dr. Carsten Riepe und Prof. Dr. Robert Arlinghaus (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei), haben die Akzeptanz des Angelns in Deutschland untersucht. Ergebnis: Eine große Mehrheit der Bevölkerung steht hinter dem Angeln als Freizeitbeschäftigung(Riepe, C., und R. Arlinghaus. Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland zum Tierschutz in der Angelfischerei. Berichte des IGB, Heft 27. Berlin: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) im Forschungsverbund Berlin e.V., 2014a).
Prof. Dr. Wilfried Bos und Dr. Siegfried Uhl, Wissenschaftler und Dozenten aus dem Bereich der empirischen Bildungsforschung, stellen fest: „Frühzeitiges Angeln kann bei Kindern Verständnis für die Belange von Natur- und Tierschutz und den persönlichen Reifeprozess fördern“ (Bos, Wilfried, und Privatdozent Dr Siegfried Uhl. „Die erzieherische Bedeutung des Angelns.“ Sozialwissenschaftliche Forschung in Diskurs und Empirie, 2011).
Wie klingt da das Zitat von Stadtjugendpfleger Hans-Georg Weisleder (NOZ vom 17.03.): „Ins städtisch organisierte Ferienprogramm sollten nur pädagogisch sinnvolle Angebote aufgenommen werden.“?
Ponyreiten verbieten? Den Besuch beim Imker? Oder die Lesenacht im Zoo?
Interessant genug, dass es laut Amtsleiter Hermann Schwab vorrangig „ethische“ und nicht „pädagogische“ Gründe sind, die für den Ausschluss aus der Ferienpassaktion der Stadt Osnabrück angeführt werden.
Bemüht die Stadt 2017 die gleichen ethischen Bedenken auch für das Angebot von Ferienpass-Aktionen wie „Besuch beim Imker“ (30.06.2016) oder „Ponyreiten“ (27.06.2016) oder gar eine „Lesenacht im Osnabrücker Zoo“ (06.07.2016)?
Das wäre nämlich ganz im Sinne der anfangs erwähnten Tierrechtsorganisation, die das Imkern und das Reiten und Zoos sowieso verbieten will; ganz zu schweigen von der Ausbildung und dem Einsatz von Blinden- und Rettungshunden und der Nutzung von Tieren allgemein. Hier geht es nicht um Tierschutz! Hier geht es um Tierrechte, im speziellen Fall um die Gleichstellung von Tier und Mensch.Ist das die ethische Deutungshoheit, der sich die Stadt Osnabrück neuerdings unterordnet?
AVN fordert sofortige Rücknahme der Entscheidung
„Die ethischen Bedenken der Stadt Osnabrück können wir weder fachlich noch menschlich nachvollziehen“, kritisiert Werner Klasing, Präsident des AVN. „Wir fordern die Entscheidungsträger der Stadt Osnabrück zu einem klaren öffentlichen Bekenntnis für das Angeln auf und für seinen erzieherischen Wert für Kinder und Jugendliche. Und wir erwarten eine umgehende Wiederaufnahme der Angel-Aktionen in das diesjährige und zukünftige Ferienpassprogramm als Teil dieses Bekenntnisses.“ Der AVN biete gerne beratende und fachliche Unterstützung an, die sicher dazu beitragen könne, Bedenken zu zerstreuen, so Klasing.
Erkenntnisse zum Angeln aus der Bildungs- und Schulungsentwicklungsforschung:
„Das Angeln – sachgerecht ausgeübt – eignet sich als Erziehungsmittel möglicherweise sogar besser als andere Tätigkeiten.
Als Angler nimmt man nicht nur von der Natur oder betrachtet sie als Mittel der Unterhaltung, sondern man dient ihr und pflegt sie.
Das setzt ein erhebliches biologisches und ökologisches Wissen, solide Kenntnisse über Gewässer und ihre Reinhaltung und physikalisches und technisches Verständnis voraus.
Durch die Einblicke in den Kreislauf des Lebens, die das Angeln mit sich bringt, kann es vor sentimentaler Naturschwärmerei und wirklichkeitsfernen Idealisierungen der Tierwelt bewahren.
Jugendliche haben über das Angeln u. a. die Möglichkeit, realistische Vorstellungen über die Gewinnung von Nahrungsmitteln und deren Herkunft zu erlangen.
Angeln kann hier im Erziehungsprozess eine ähnliche Aufgabe wie der Schulgarten zukommen.
So ist gerade durch die enge Vertrautheit mit den Vorgängen in der Natur zu erwarten, dass ihr Eigenwert erlebt, die Ehrfurcht vor dem Leben geweckt und der Wille zur Erhaltung seiner Vielfalt gestärkt wird.
Je früher die Kinder mit der Natur vertraut werden, desto besser. Denn die Ergebnisse der Forschung deuten darauf hin, „dass wohltuender Naturerfahrung, vor allem aus früher Kindheit, noch am ehesten [der] Antrieb zur Natur- und Landschaftserhaltung zugeordnet werden kann“.“
Aus: Bos, Wilfried, und Privatdozent Dr Siegfried Uhl. „Die erzieherische Bedeutung des Angelns.“ Sozialwissenschaftliche Forschung in Diskurs und Empirie, 2011
Prof. Dr. Wilfried Bos, Institut für Schulungsentwicklungsforschung der Uni Dortmund & Privatdozent Dr. Siegfried Uhl, Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft und Empirische Bildungsforschung an der Pädagogischen Hochschule Frankfurt
-pm/Anglerverband Niedersachsen-