Jan Eggers konnte auch diesen 108-Zentimeter-Hecht in einem Polder überlisten. Mit einem seiner Lieblingsköder: einem Tandem-Spinner. Bild: Jan Eggers |
Mathias Fuhrmann an einem kleinen Graben im Polder Het Grootslag. Die kleine Windmühle im Hintergrund pumpt das überschüssige Wasser ab. Bild: Jan Eggers |
Dieser kleine See an der Innenseite des Westfriesland-Deiches ist nach einem Deichdurchbruch vor ein paar hundert Jahren übrig geblieben. Bild: Jan Eggers |
Jan Eggers berichtet im ersten Teil seiner neuen Serie über die Entstehung seiner Lieblingsgewässer, der Gräben und Kanäle im niederländischen Poldergebiet.
Sicher haben viele Leser über die Angelei in den Poldern der Niederlande bereits einiges gehört und gelesen. Wenn ich einen solchen Leser jetzt aber fragen würde, was ein Polder eigentlich ist, dann würde ich viele unterschiedliche Antworten erhalten, die sicher nur zu einem Teil richtig sind. Selbst Redakteure von Angelzeitschriften wissen oft nicht, was der Begriff Polder eigentlich genau bedeutet. Ich höre sie noch fragen, ob wir nicht an einen anderen Polder umziehen könnten, dabei meinten sie nur einen anderen Graben im gleichen Polder-System. In diesem Artikel werde ich nicht nur genau erklären, was ein Polder ist, ich werde auch verraten, wo man dort als Angler besonders erfolgreich ist.
Der niemals endende Kampf gegen das Wasser
Die Niederlande sind im Grunde ein großes Fluss-Mündungsgebiet. Dieses Delta wird gebildet durch die Flüsse Rhein, Maas und Ijssel sowie durch eine Reihe Dünen, die das Land gegen die Nordsee abschirmen. Vor tausenden Jahren siedelten die Bewohner vor allem auf den höher gelegenen Sandwällen. Sie schütteten auch Hügel an, “terpen” (Warften) genannt, auf denen Bauerhöfe und kleine Dörfer entstanden, deren Bewohner auch bei Hochwasser keine nassen Füße bekamen. Solche Warften finden wir vor allem in der niederländischen Provinz Friesland. Wenn wir auf eine Landkarte der Niederlande von anno 1300 schauen, dann sehen wir, dass die heutigen Provinzen Noord- und Zuid-Holland, Utrecht, Zeeland und Noord-Brabant damals vor allem aus Sumpfgebieten und großen und kleinen Seen bestanden. Man muss bedenken, dass dieses ganze Gebiet unter dem Meeresspiegel liegt. Eine Kombination aus West-Sturm und Springflut konnte damals große Gebiete, komplett mit Dörfern, in neue Seen und Sumpfgebiete verwandeln. Das überflutete Land sah dann so aus wie heute der Nationalpark de Biesbosch bei Rotterdam.
Um sich gegen diesen unersättlichen “Wasserwolf” zu schützen, begannen die Niederländer mit dem Deichbau, zuerst in kleinem Maßstab rund um ihre Bauernhöfe und Dörfer, dann wurden auch ganze Regionen eingedeicht. Vor allem die Gründung von sogenannten “Waterschappen” (Wasserbehörden) hat hier unterstützend gewirkt. Diese Wasserbehörden hatten und haben noch immer sehr viel Macht, wenn es um die Beherrschung der Wassermassen und die Trockenhaltung des Landes geht. Ich kann von einigen Beispielen aus meiner Region West-Friesland berichten, dem Gebiet zwischen Enkhuizen, Hoorn, Alkmaar, Schagen, Kolhorn und Medemblik. Auch hier wurde viel getan, um das Land sicher und bewohnbar zu machen. Im 13. und 14. Jahrhundert hat man damit begonnen, die verschiedenen kleinen Deiche miteinander zu verbinden. So entstand der monumentale, 126 Kilometer lange Westfriesische Deich (West-Friese Omringdijk), der die genannten Orte schützt. Dieser Deich musste West-Friesland gegen das Wasser der Nordsee und gegen die damalige Zuiderzee, das heutige Ijsselmeer, schützen. Im Lauf der Jahrhunderte hat es so einige Deichdurchbrüche gegeben, der letzte 1916 bei Andijk. Anfang 1600 waren die Niederlande sehr reich und die reichen Kaufleute aus Amsterdam suchten ihr Glück im Trockenlegen vieler Seen in Noord-Holland. Mit der Hilfe von vielen Arbeitskräften und Windmühlen wurden viele große Seen (“meren”) wie Beemster, Schermer, Wormer, Heer Hugowaard und auch kleinere Gewässer trockengelegt. So entstand fruchtbares Land für den Ackerbau. Anno 1630 hatten diese Polder, durch Eindeichung gewonnenes Neuland, eine Fläche von 8.000 bis 12.000 Hektar, der neue Ijsselmeer-Polder des vergangenen Jahrhunderts nahm dann schon eine Fläche von 40.000 bis 50.000 Hektar ein… Ja, unser Herrgott erschuf die Welt, aber die Niederländer erschufen Holland.
Pumpen oder absaufen!
Man kann sagen, dass ein Polder ein tiefgelegenes Stück Land ist, das von einem Deich und einem Ringkanal umgeben ist, aus dem mit einem Pumpwerk, früher mit Windmühlen, überschüssiges Wasser abgepumpt wird. In extrem trockenen Sommermonaten kann so auch Wasser in die Polder hineingelassen werden.
Um das überschüssige Wasser schnell zum Pumpwerk abführen zu können, gibt es in jedem Polder ein Netzwerk von Entwässerungskanälen. Der größte und tiefste Kanal ist der sogenannte “Molensloot” (Mühlengraben), an dessen Ende und am gleichzeitig am tiefsten Punkt des Polders befindet sich das Pumpwerk. Alle kleineren Poldergräben führen das Zuviel an Wasser in den Mühlengraben ab. Die modernen Zentrifugalpumpen im Pumpwerk haben genügend Kapazitäten, um das Land trocken zu halten. Das war früher, in der Zeit der Windmühlen, viel problematischer. Gab es keinen Wind oder war der Sturm zu stark, dann konnten die Mühlen nicht arbeiten, und das war schlecht für Vieh und Feldfrüchte.
Weil das schnelle Abführen des überschüssigen Wassers für die Niederländer überlebenswichtig ist, gibt es strenge Regeln für das Ausbaggern und Entfernen von Wasserpflanzen in Poldergräben. In der letzten Oktoberwoche findet die jährliche “Herbstschau” statt. Grundeigentümer und Gewässer-Anrainer müssen zuvor dafür gesorgt haben, dass das Schilf und andere Wasserpflanzen gemäht und entfernt wurden. Tut man das nicht, riskiert man eine hohe Strafe und muss zudem die Reinigung des Grabens durch die Wasserbehörde bezahlen. Saubere Gräben, die schnell überschüssiges Wasser abführen können, sind in den wasserreichen Gebieten unter dem Meeresspiegel überlebenswichtig.
Unterschiedliche Polder, unterschiedliche Fischbestände
Ich habe bereits geschrieben, dass Polder in der Größe stark variieren können. Ich kenne einen Polder in meiner Heimatregion, der keine 100 Hektar groß ist, er besitzt aber ein eigenes Pumpwerk und liegt mitten in meinem 8.000 Hektar großen “Hauspolder” Het Grootslag. Wir können annehmen, dass ein größerer Polder auch ein größeres System von Entwässerungsgräben und Kanälen besitzt, weil mehr Wasser abgeführt werden muss. In diesen größeren und so auch tieferen Kanälen können die Fische im Allgemeinen größer abwachsen, als in kleinen, flacheren Gräben und Kanälen. Noch wichtiger für das Größenwachstum der Fische ist folgendes: Handelt es sich um einen Polder in einem Niedermoor-Gebiet mit saurem Wasser und geringem pH-Wert, dann wachsen die Fische hier langsam. In einem Polder mit Kleiboden (entwässerter toniger Meeresschlick) und höherem pH wachsen die Fische viel schneller. Hier ein Praxisbeispiel: Die ersten 27 Jahre meines Anglerlebens wohnte und fischte ich im 2.200 Hektar großen Niedermoor-Polder (laagveenpolder) rund um meinen Geburtsdorf De Rijp. In diesem sogenannten Eilandspolder fing ich hunderte Hechte, aber kein Fisch war größer als 90 Zentimeter.
Wegen meiner Arbeit zog ich 1971 nach Bovenkarspel und fischte im Polder Het Grootslaag mit Kleiböden. Ich fing Fischgrößen, wie ich sie zuvor noch nie gesehen hatte. Barsche über 40 Zentimeter, Brassen so groß wie Fußmatten, Rotaugen und Rotfedern von 35 Zentimetern und mehr, einen 96er Polderzander und natürlich auch Meterhechte!
Das war eine sehr positive Erfahrung, dass man in dem trüb-grauen Wasser viele schöne Kapitale fangen konnte. Dank der erfolgreichen Hechtseminare in meinem Poldergebiet konnten viele RAUBFISCH- und FISCH & FANG-Leser ebenfalls diese Erfahrung machen. Will man also einen Angelurlaub in einem holländischen Polder buchen, sollte man sich also vorher nach dem Gewässertyp erkundigen. Die flachen Veenpolder in torfigen Moorgebieten haben in der Regel klares Wasser mit vielen Wasserpflanzen. Rotfeder, Hecht und Schleie fühlen sich hier wohl. Die trüb-grauen Kleipolder werden vor allem von Brassen, Rotaugen, Zandern und auch Barschen besiedelt.
Jetzt habe ich eine ordentliche Portion Basisinformationen über das Phänomen holländische Polder geliefert. Es wird nun aber Zeit, ein paar Praxistipps zu geben, wie man den verschiedenen Raubfischen in den Poldern nachstellen kann.
Ich bin und bleibe ein Polderjunge
Als Angler und besonders als Kunstköderangler auf Raubfische kann ich mich nicht beschweren. Ich habe Atlantische Lachse in Sibirien, Pfauenbarsche in Brasilien, Tigerfische im Okavango-Delta in Botswana, Muskies in den USA und mehr als 1.000 Meterhechte in 19 verschiedenen Ländern fangen dürfen. Aber immer noch fühle ich mich am wohlsten, wenn ich in der flachen, weiten und unverwechselbaren Polderlandschaft Hollands mit meiner Spinnrute auf der Suche nach Raubfischen bin.
Weil diese kleinen, flachen Poldergräben mit stehendem Wasser für Gastangler komplett ungewohnt sind, im Vergleich zu ihren Baggerseen und strömenden Flüssen in der Heimat, ist oft die Wahl der richtigen Angeltechnik und des richtigen Kunstköders für manche ein Problem. Eine Sache habe ich bei meinen vielen Angelreisen im In- und Ausland gelernt: Viele Angler, auch die Angelgeräte-Hersteller, denken, dass im Rest der Welt genauso gefischt wird, wie bei ihnen daheim! Eine ziemlich falsche Annahme. Als ich mit schweren Abu-Spinnern und schlanken Toby-Blinkern in den 1950er Jahren versucht habe, im Eilandspolder Hechte zu fangen, fing ich eher den Grund und verlor so viele Kunstköder. Als ich dann fünf Jahre später mit unbeschwerten Spinnern und leichten, dünnblechigen Löffeln, die so erfolgreich in meinen Poldern waren, meinen ersten Schwedentrip antrat, um in schnell strömenden Flüssen wilde Forellen zu fangen, lag mein Fang-Ergebnis bei Nullkommanichts. Ich träumte mich damals an meine nur 50 Zentimeter tiefen und kaum zwei Meter breiten Poldergräben zurück, an denen ich gelernt hatte, Hechte und Barsche mit meinen Kunstködern zum Anbiss zu verleiten.
Ich bekam immer mehr das Gefühl, vor allem das Verhalten der Polderhechte immer besser zu begreifen. Ich begann mehr zu denken, als der Hecht. Ich bekam ein Auge dafür, an welchem Ort ich sie zu den verschiedenen Jahreszeiten am besten aufspüren konnte. Aber der wichtigste Faktor ist meines Erachtend die richtige Präsentation des Kunstköders. Ich lernte, und fühlte an der Rutenspitze, wie Spinner, Wobbler oder Blinker auf die beste Art und Weise geführt werden mussten. Beobachter fanden, dass ich meine Kunstköder viel zu schnell führen würde. Auf diese Einwände hatte ich eine Antwort parat: Wer fängt, hat Recht! Inzwischen sind 45 bis 50 Jahre vergangen und ich fühle in mir immer noch den Teenager, der mit der Spinnrute durch die Polder streift, auf der Suche nach meinem Freund Esox lucius. Vor einigen Jahren schrieb ich mit viel Freude das Praxisbuch “Poldersnoek” (Polderhecht). In den nächsten Artikeln hier auf Fischundfang.de werde ich die wichtigsten Praxistipps, um an den Poldern Erfolg zu haben, an die deutschen Leser weitergeben. Nur noch etwas Geduld.
Jan Eggers