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Auf der Jagd nach Riesenhechten, Teil 5

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Bild: Jan Eggers
Fred Buller (links) und Jan Eggers mit dem „neu“ präparierten Louis-Hecht, aufgenommen vor Fred Bullers Angelladen. Bild: Jan Eggers
Bild: Jan Eggers
Massiver Schädel – der Weltrekordhecht von L.Louis. Bild: Jan Eggers
Bild: Jan Eggers
Fred Buller und Richard Walker entwickelten die Großhecht-Formel Gewicht = (Länge x Bauchumfang²) : 806. Bild: Jan Eggers

 

Hechtpapst Jan Eggers hat im 5. Teil seiner Serie wie ein Kriminalist Geheimnisse hinter den kapitalsten deutschen Hechten aufgespürt.

Der „Jahrhunderthecht“ von Fänger Friedrich Witzany brachte 23,7 Kilo auf die Waage. Bild: Jan Eggers

Im „Domesday Book of Mammoth Pike“ von Fred Buller waren anfangs eher wenige Riesenhechte aus Deutschland zu finden. Es waren ursprünglich genau zwei in der „Big Pike List“ verzeichnet und dann am Ende des Buches noch einmal zwei weitere Einträge. In der allerersten Version der Liste der nordeuropäischen Großhechte fand ich auf einer der letzten Seiten noch vier weitere und vorher unerwähnte Hechte. Das ergibt dann insgesamt immerhin acht deutsche Riesenhechte.

Da ich vor allem durch das langjährige Lesen der FISCH & FANG wusste, dass viel mehr deutsche Großhechte über dem Limit von 16,2 Kilo (35 lb.) gefangen wurden, benannte ich in meinem ersten Brief an Fred Buller nicht weniger als 13 neue deutsche Großhechte.

Der schwerste deutsche Hecht aus Bullers Großhechtliste soll 31,5 Kilo gewogen haben und um 1850 herum im Rhein gefangen worden sein. Er wird sogar im Buch “Old Faces in New Masks” von Robert Blakey von 1856 erwähnt. Ich hatte allerdings recht wenig Vertrauen in die Zuverlässigkeit dieser uralten Meldungen und suchte auch nicht nach weiteren Informationen.

Der Witzany-Hecht aus einer anderen Perspektive, das Gewicht von 23,7 Kilo gilt als gesichert. Bild: Jan Eggers

Ein weiterer Großhecht aus der viel jüngeren Vergangenheit war der 23,7 Kilo schwere Hecht, den Friedrich Witzany aus Goslar am 11. September 1971 fing. In der Oktoberausgabe der FISCH & FANG von 1971 fand ich eine ausführliche Fanggeschichte dieses Superhechtes, der auf dem Foto sehr imposant aussieht. Für mich ist dieser Hecht ein Musterbeispiel für einen Großhecht, bei dessen Maßen keine Zweifel aufkommen. Die Länge war 137 Zentimeter und das Gewicht betrug 23,7 Kilo bei einem Umfang von 59,5 Zentimetern. Die größten Zähne waren 17 Millimeter lang und der Schwanz hatte eine Breite von 27 Zentimetern. Der präparierte Kopf hatte ein Gewicht von 7,25 Kilo. Der Fischereibiologe Dr. Tesch hat die Schuppen des damaligen deutschen Rekordhechtes untersucht und errechnete ein Alter von zwölf bis 13 Jahren, was noch erstaunlich jung ist. Das Gewässer in dem dieser Jahrhunderthecht gefangen wurde, war der Sieverssche Teich in Vienenburg, 9 Kilometer nordöstlich von Goslar. Die Kiesgrube ist 35 Hektar groß und an der Fangstelle zehn bis zwölf Meter tief. Erstaunlich war, dass der Köderfisch, eine Schleie von 200 Gramm, nur auf einem Meter Tiefe angeboten wurde. „Hier jagen die Hechte im Herbst sehr flach unter der Oberfläche“, erzählte der 61-jährige Autoverkäufer Witzany. Als ich den Fangbericht zum ersten Mal las, fiel mir neben dem imposanten Foto noch etwas auf. Etwas, das man in den Niederlanden noch nicht glauben will: das Hechte Schleien fressen! In vielen niederländischen Angelbüchern stand und steht noch immer, dass die Schleie der Doktor unter den Fischen ist und nicht von Raubfischen gefressen wird. Ich weiß es jetzt besser! Ich möchte noch erwähnen, dass ein Roma, der in der Nachbarschaft wohnte, sich am sehr steilen Ufer hinabgleiten ließ und den Hecht mit einer Art Kiemengriff ans Ufer beförderte. Friedrich Witzany musste in Folge des Drills und beginnender Herzprobleme eine Weile auf einem Stuhl ausruhen. Danach wurde der Hecht unter großer Anteilnahme gewogen und gemessen und der Kopf wurde später noch präpariert.

Ein abgelehnter Riese und ein neuer Rekordhecht

Der 26,8 Kilo schwere Hecht von J. Brauel schaffte es in Fred Bullers Großhechtliste. Bild: Jan Eggers

Ich glaube nicht, dass es in Deutschland eine offizielle Organisation gibt, die sich damit befasst, deutsche Rekordfische zu registrieren und zu kontrollieren. Soviel ich weiß, sind es vor allem die verschiedenen Angelzeitschriften, die einem großen Fisch das Prädikat „Deutscher Rekord“ verleihen. Soweit ich es nachvollziehen konnte, bestand am Großhecht von Friedrich Witzany kein Zweifel und die Medien waren sich einig, dass dies der neue deutsche Rekordhecht war. Warum der schwerere Hecht von J. Brauel aus Jesteburg nicht das Prädikat „Jahrhunderthecht“ erhielt, ist mir immer noch nicht bekannt. Vielleicht erhalte ich ja noch 36 Jahre nach dem Fang dieses 26,8 Kilo schweren Hechtes eine Antwort darauf.

Schauen wir erst einmal, was wir alles an Informationen und Daten zusammenkriegen. Am Ende des Domesday Books finden wir eine Reihe von “late entries” – späten Einträgen – und unter der Überschrift “The Hamburg Pike” sieht man ein Foto des präparierten Hechtkopfes und noch weitere Daten. Der Hecht soll am 3. Januar 1978 mit einem 40 Gramm schweren Abu Hi-Lo Wobbler in einem See nahe Winsen an der Luhe, unweit von Hamburg, gefangen worden sein, daher der Name. Beim Namen Abu Hi-Lo fiel fiel mir damals wieder der „Abu Dream Trip“, die Traumreise von Abu ein und ich schaute in den Abu Petri Heil Katalog von 1979. Und tatsächlich las ich auf Seite 12, dass J. Brauel aus Jesteburg mit einem Hecht von 26,8 Kilo eine Traumreise nach Island gewonnen hatte. Zu meinem großen Erstaunen, entdeckte ich aber auf Seite 11, dass derselbe J. Brauel mit einer Regenbogenforelle von 10,7 Kilo eine weitere Traumreise gewonnen hatte. Mein Erstaunen und eine große Portion Zweifel führten dazu, dass ich Anfang 1984 einen Brief an J. Brauel schrieb. Er enthielt eine Reihe Fragen. Auf meine Fragen erhielt ich keine deutliche Antwort und noch undeutlicher war das kleine Foto mit dem Angler und einem Hecht, der wirklich nicht nach einem Jahrhunderthecht von 26,8 Kilo und 146 Zentimetern Länge aussah. Merkwürdig erschien mir auch der Bauchumfang von 112 Zentimetern und der Fluss Alte Ilmenau als Fangplatz, also doch nicht der angebliche See bei Winsen a. d. Luhe. Im Brief war auch noch ein Presseartikel über den Fang der 10,7 Kilo schweren Regenbogenforelle, die er während seines Urlaubs am Walchensee noch im letzten Moment gefangen habe. Jetzt, gut 30 Jahre später, zweifle ich noch mehr an diesen Superfängen, deshalb befindet sich dieser Hecht auch nicht mehr in der „Big Pike List“.

Jan Eggers ist nicht davon überzeugt, dass der Hecht von D. Kralik 24,320 Kilo gewogen hat. Bild: Jan Eggers

Im Frühjahr 1981wurde mir ein neuer deutscher Rekordhecht präsentiert. D. Kralik aus Griesheim fing am 25. März im Wolfskehlener Baggersee bei Darmstadt einen Hecht von 24,320 Kilo, bei einer Länge von 127 Zentimetern. Ich erinnere mich noch, wie begeistert ich war, als ich den Anruf mit der Neuigkeit erhielt, dass ein Riese von 48 Pfund und 320 Gramm gefangen worden sei. Ich weiß auch noch, dass das erste Foto, das ich von dem Hecht sah, mich ziemlich enttäuschte. Auf dem Bild hielt der Vater von D. Kralik den 48 Pfund schweren Fisch scheinbar mühelos mit einer Hand hoch. Die Länge von 127 Zentimetern entsprach bei dem hohen Gesamtgewicht nicht meinen Vorstellungen. Mit einer von Richard Walker und Fred Buller entwickelten Formel zur Berechnung des Gewichts von Hechten versuchte ich, trotz fehlendem Bauchumfang, das Gewicht zu rekonstruieren. Bei diesem Gewicht müsste der Bauchumfang 75 Zentimeter betragen. Man erinnere sich an das tolle Foto von Josef Schrank mit seinem 20-Kilo-Hecht aus dem zweiten Teil dieser Serie. Dieser leichtere und längere 138-cm-Hecht sah doch viel imposanter aus und hatte „nur“ einen Bauchumfang von 68 Zentimetern…

Der Hecht von Kralik wurde bei einem der drei Mitangler zuhause auf einer digitalen Waage gewogen, mit dem bereits genannten Gewicht als Resultat. Ob die Waage genau war und geeicht, geht aus der Geschichte nicht hervor. Ein paar Wochen später schickte ich einen Brief an den Darmstädter Angelladen, der den kaum einen Hektar großen Baggersee gepachtet hatte. Ich wollte Fotos und weitere Informationen.

Ende April 1981 erhielt ich einen netten Brief mit weiteren Daten und sieben Farbfotos. Aber bis heute konnte mich keines der Fotos überzeugen, dass dieser Hecht 24,320 Kilo wgewogen hat. Ich wurde eher davon überzeugt, dass in Deutschland der Bedarf für ein unabhängiges Komitee für Rekordfische besteht, mit Personen die Ahnung von großen Fischen haben und vom richtigen Verhältnis von Gewicht, Länge und Bauchumfang.

50 Pfund, ein neuer Weltrekord und eine Rückfahrkarte nach England

Bild: Jan Eggers

L. Louis mit seinem kapitalen Großhecht. Bild: Jan Eggers

Als ich im Januar 1987 die ersten Fotos und Berichte von einem möglicherweise neuen deutschen Rekordfisch erhielt, war ich sehr begeistert. Die Basisdaten und vor allem die Fotos des 25-Kilo-Fisches von L. Louis gaben mir wenig Grund zu zweifeln. Von der FISCH & FANG-Redaktion erhielt ich die Adresse des glücklichen Hechtanglers und noch am selben Tag ging ein Brief mit vielen Fragen in Richtung Bühl-Weitenung in die Post. Ich erhielt einen ausführlichen Bericht mit Fotos über den Fang dieser Esox-Großmutter und ihre Maße waren: Gewicht 25 Kilo, Länge 136 Zentimeter und Bauchumfang 82 Zentmeter. Gefangen am 12. Oktober 1986 auf einen 20 Gramm schweren Mosca-Safir-Löffel im Baggersee des ASV Greffern. Später am Mittag wurde dieser Fisch auf der geeichten Waage von Metzger Karl Meister gewogen und die anwesenden Zeugen bestätigten, dass der Hecht exakt 25 Kilo wog. Daraufhin half ich L. Louis, den Hecht als offiziellen neuen Weltrekord bei der IGFA anzumelden. Im Laufe des Jahres 1987 erhielt ich einen Brief von der IGFA mit der guten Nachricht, dass dieser Hecht nun der offizielle neue All-Tackle-Weltrekord sei. L. Louis war damit sehr zufrieden.

Dünn, wie ein Hering: Leider konnte das Präparat nicht überzeugen. Bild: Jan Eggers

Während einem der diversen Telefongespräche, die wir führten, äußerte er sich sehr unzufrieden über die Arbeit und das Resultat des Hobby-Präparators, der den Hecht in seinem Auftrag präpariert hatte. Louis fand den ausgestopften Hecht viel zu mager und nachdem ich ein Foto sah, konnte ich das bestätigen. Es kam die Frage auf, ob ich wüsste, was man da vielleicht machen könnte. Glücklicherweise hatte ich von dem Präparator Gustav Moser aus Linz in Österreich gehört und dort gesehen, dass wirklich alte, ausgestopfte Fische „restauriert“ werden konnten. Ich rief auch meinen guten Freund, den bekannten Angler und Präparator Peter Stone in England an und fragte ihn, ob sein Angebot, das er mir 1983 machte, noch galt? Das Angebot lautete, dass sofern ein Angler einen Hecht von 50 lb, also ungefähr 22,7 Kilo finge, er ihn kostenlos präparieren würde. Nun ging es also um den mangelhaft präparierten Weltrekordhecht, dessen richtige Maße ja bekannt und gute Fotos verfügbar waren. Peter Stone stimmte zu und nahm den Auftrag an.

Die englische Angler-Legende Peter Stone versuchte, das Präparat noch zu retten. Leider fiel das Schuppenmuster etwas unnatürlich aus. Bild: jan Eggers

Ich erledigte den notwendigen Papierkram, damit der Hecht in Deutschland abgeholt, zu Peter Stone gebracht und er dessen Empfang gegenzeichnen konnte. Die geschätzte Dauer des Auftrags wurde auf ungefähr ein Jahr geschätzt. Dann sollte ich den Hecht wieder abholen und zurückbringen. Im Oktober 1988 sah ich dann den Hecht wieder, der inzwischen eine „Botox-Behandlung“ erfahren hatte und war sehr zufrieden mit den Formen, aber nicht mit den Farben. Vor allem der Schwanz und die Flossen waren unnatürlich gefärbt. Auf dem Rückweg schaute ich noch bei Fred Buller vorbei, der derselben Meinung war.

Ein weiterer Brief mit einer anderen Fanggeschichte und noch ein 26-Kilo-Hecht

Ich beschäftige mich jetzt seit 34 Jahren mit dem Sammeln von Daten von Großhechten über 18 Kilo und habe gelernt, dass vor allem bei den wirklich großen Hechten oft Unregelmäßigkeiten über das Wiegen, Messen, Fangen usw. ans Licht kommen. So war es auch, obwohl unerwartet, mit diesem Weltrekordhecht. Ende März 1988 erhielt ich einen Brief von einem gewissen A. Montes aus Baden-Baden, in dem er mir davon berichtete, das er am 12. Oktober 1986 am Baggersee Greffern war und dort L. Louis antraf, der ihm einen bereits toten Hecht, den späteren Rekordhecht zeigte. Herr Louis berichtete dem Angler und anderen Anwesenden, dass dieser Hecht an der Oberfläche zu sehen war, er dann seinen Blinker auswarf und ihn von außen hakte. Danach wurde der halbtote Hecht schnell herangekurbelt. Ich habe diesem Brief nicht allzu viel Beachtung geschenkt, zumal er erst 18 Monate nach dem Fang geschrieben wurde und es mir mehr um das Gewicht des Hechtes ging und nicht wie er gefangen wurde. Beim Aufräumen meines Briefarchivs stieß ich wieder auf diesen Brief und vielleicht kommen noch weitere Reaktionen.

W. Dietz mit seinem 26-Kilo-Hecht. Bild: Jan Eggers

Beim Ordnen meines mittlerweile überquellenden Archivs fand ich auch noch Fotos eines noch schwereren Hechtes wieder. Er wog 26 Kilo, um genau zu sein, und ist nicht in der „Big Pike List“ verewigt. Es handelt sich um den 144 Zentimeter langen Hecht, den W. Dietz am 1. Januar 1988 mit einem 40 Gramm schweren Effzett-Blinker im von ihm gepachteten Tüschenbroicher Ölmühlensee fing. Dieser Teich ist nur 1 Hektar groß, dort wird vor allem auf Forellen geangelt. Ich weiß noch, dass ich seinerzeit das Gefühl hatte, dass dieser Hecht vor allem für Werbezwecke genutzt wurde. Weil der Hecht auf dem Foto auch noch eine Reihe von Beschädigungen vorwies, habe ich mich ehrlich gesagt nicht weiter damit befasst. Aber nun kann ich den Lesern verraten, dass dieser 52 Pfünder in die „Big Pike Liste“ aufgenommen wird. Besser spät als nie! Ich habe noch mehr interessante Daten von noch größeren deutschen Hechten, aber noch etwas Geduld, die kommen später in einem meiner nächsten Artikel.

Jan Eggers

Der Autor Jan Eggers sucht ständig weitere Informationen über Großhechte über 18 Kilo. Alle Infos per Mail an: the.pike.ferret@hetnet.nl

Hier geht es zum 4. Teil der Serie…

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