Hechtpapst Jan Eggers forscht seit über 30 Jahren weltweit nach Großhechtfängen über 19 Kilo. Bild: Jan Eggers |
Hecht-Papst Jan Eggers hat im 4. Teil seiner Serie besonders ominöse Großhechtfänge aus Skandinavien unter die Lupe genommen.
Der Hecht, mit offiziellem Namen Esox Lucius, ist ein sogenannter Kaltwasserfisch, der nur auf der nördlichen Erdhalbkugel vorkommt. Dort vor allem in den Gebieten, wo das Wasser nicht zu warm wird. Früher lag die ursprüngliche Grenze seines Verbreitungsgebietes im Norden von Spanien und Italien. Durch Besatzmaßnahmen in den neu erschaffenen Stauseen im Süden dieser Länder und auch in den Bergseen Marokkos und einigen südlich gelegenen Staaten der USA, hat sich das Verbreitungsgebiet enorm vergrößert. Seit jeher sind Hechte dagegen in den nördlichen Regionen anzutreffen und können dort auch sehr groß werden.
Die skandinavische Connection
Während ich das Domesday-Book von Fred Buller las, stieß ich auf viele, außergewöhnliche Großhechte aus Skandinavien. Die Quellen dazu waren Angelsportmagazine wie Villmarksliv und Sportfiskaren, aber auch viele Male „Napp och Nytt“, die schwedische Version des deutschen Abu-Katalogs „Petri Heil“. Da ich seit den 50er Jahren ein aktiver Sammler dieser Kataloge bin, konnte ich aus den circa 100 Exemplaren die ich besitze, nicht weniger als 14 Riesenhechte ermitteln.
Diese Liste schickte ich damals zu Abu nach Svängsta in Schweden, mit der Bitte, mir die Adressen der glücklichen Fänger zu übermitteln. Am 2. April 1980 schickte mir Renate Kinski, die Advertising Managerin von Abu für das europäische Festland, die Adressen und so kam ich weiter mit meiner Suche nach Fotos und zusätzlichen Informationen. Ich kam auch noch mit Arne Broman in Kontakt, dem Chefredakteur von Fiske Journalen. Er hatte schon Fred Buller geholfen und war nun froh, mit mir auf Schwedisch korrespondieren zu können.
Aus eigener Erfahrung wusste ich, dass Kunstköderhersteller sehr interessiert an Fotos von großen Raubfischen sind, vor allem den Fangstories von Räubern, die mit ihren Ködern gefangen wurden. Daher schickte ich auch Briefe an Rapala, Nils Master, Sølvkroken und Kuusamo und die Reaktionen waren durchweg positiv.
Natürlich baten sie mich, sie darüber zu informieren, wenn große Hechte mit ihren Kunstködern gefangen würden. Dies tat und tue ich mit Vergnügen. Ich empfinde es auch als sehr erfreulich, dass ich nach 30 Jahren immer noch gute Kontakte mit den verschiedenen Managern und Redakteuren habe und sie mir immer noch Informationen über Großhechte schicken. Der große Unterschied ist, dass die Kommunikation per e-Mail nun viel schneller geht. Nun genug mit den Hintergrundinformationen und weiter mit außergewöhnlichen Geschichten von nordischen Riesenhechten.
Der größte Hecht aus Dänemark
Auf Seite 235 des „Domesday Book“ findet man ein wirklich altes Foto eines Hechtes von 26,5 Kilogramm mit einer phänomenalen Länge von 150 Zentimetern. In der „Fishing Gazette“ vom 14. September 1929 stand ein Bericht, laut dem der Angler C. M. Damkjaer aus Oesby bei Haderslev in Dänemark am 29. Juni 1929 diesen gewaltigen Fisch im Grarup-See fing. Nicht mit einer Angel, sondern mit einem Stück Holz an das ein Stück kräftiger Schnur befestigt war und daran ein stabiler Haken und ein lebender Köderfisch. Ich besitze noch einen original englischen Trimmer (siehe Foto) bei dem man die Schnur mit dem Köderfisch, durch einen Schlitz auf der gewünschten Tiefe festsetzen kann. Der Hecht löst dann unter Zug die Schnur und kann frei Schnur nehmen. Das war so ziemlich alles was ich an Informationen erhielt und ich war neugierig geworden.
Rein zufällig erhielt ich per Post vom dänischen Tourismusbüro eine Broschüre über die Angelei in Jütland. Darin befand sich auch die Adresse des Fremdenverkehrsamts in Haderslev. Ich fragte dort per Brief nach weiteren Informationen über diesen großen Hecht nach und erhielt schon bald einen netten Brief von Kerstin Petersen, einschließlich der Fotokopie eines Artikels aus der Zeitschrift „Sportfiskaren“ vom Dezember 1977. Der Artikel von Johs. Skjerbek handelte davon wie dieser Hecht gefangen wurde und was danach geschah. Aus diesem dänischen Artikel erfuhr ich einige interessante Sachen, wie diese hier:
Baumeister Damkjaer hatte sechs mit Köderfischen bestückte „Trimmer“ ausgelegt und als er am nächsten Morgen nachschaute, hing an vier Haken nichts, am fünften ein Hecht von 7 bis 8 Pfund und die sechste „Legeangel“ war spurlos verschwunden.
Gegen Mittag suchte Damkjaer nochmal das Nordufer des 9 Hektar großen Sees ab und fand dort sein Holzstück mit einem gehakten Hecht daran. Der Anblick dieses Hechtes flößte ihm so viel Respekt ein, dass er nach Hause fuhr, um… sein Jagdgewehr zu holen. Damit gab er dem Hecht den Gnadenschuss und zog ihn danach ins Boot. In Haderslev wurde der Hecht offiziell gewogen und vermessen, was 26,5 Kilogramm bei einer Länge von 150 Zentimetern und einem Bauchumfang von 61 Zentimetern ergab. Nach einer Untersuchung der Schuppen und Gräten kam man auf ein Alter von 25 Jahren, aber das glaube ich nicht. Es wurden verschiedene Fotos gemacht und neben dem unscharfen Foto aus Freds Buch und dem dänischen Artikel habe ich noch ein besseres Bild gefunden. Der Hecht wurde in Stücke geschnitten, gekocht und danach an die Hühner einer großen Hühnerfarm in Oesby verfüttert. Leider hat man damals den Hecht nicht präpariert und im örtlichen Museum für die Nachwelt aufbewahrt, was für ein Jammer!
Das Loch war zu klein
Mit der Unterstützung der Damen von der PR-Abteilung von Rapala, Sirpa Luostarinen und Sirpa Glad Staf, bekam ich nicht nur Informationen über einige finnische Riesenhechte vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie schickten mir auch noch die interessante Fanggeschichte mit Foto vom 19,170 Kilo schweren Hecht, den Kyösti Kurimo fing. Im Februar 1969 angelte der Luftwaffenoberst Kurimo zusammen mit seinem Angelpartner Aarne Astala auf dem Eis des Vesijärvi-Sees auf Barsch. Die ersten zwei Eislöcher brachten nichts, so dass sie noch ein weiteres bohrten. Der Jig von Oberst Kurimo war gerade einmal im Wasser, als ein großer Fisch ihn zwischen seine Kiefer nahm. Beide Angler dachten gleich an einen Hecht. Nach einem spannenden Drill an der kleinen Eisangel war es an der Zeit, den Hecht durch das Eisloch zu ziehen, doch das erwies sich als zu klein. Während der Oberst weiter drillte, rannte sein Angelpartner Astala zu Kurimos Haus in Vääksy, um ein Beil zu holen. Hin und zurück ungefähr 4 Kilometer.
Vorsichtig wurde das Loch vergrößert, dann war es nicht mehr schwierig, den ausgedrillten Hecht auf das Eis zu ziehen. Danach gingen sie mit dem Hecht zum örtlichen Lebensmittelladen, um ihn dort zu wiegen und auch gleich auszunehmen. Neben 4,5 Pfund Laich fand man im Magen die Reste von acht Aalquappen, die größte wog circa 300 Gramm. Der Hecht wurde in Stücke zerteilt und neun Familien hatten ein gutes Essen davon. Soweit die Geschichte, die ich von den Sirpas erhielt. Eigentlich war damit die Geschichte zu Ende, aber da kam noch was. Vom finnischen Außenhandelsministerium erhielt ich eine Einladung im Herbst 1983 nach Finnland, nicht nur, um auf Hecht zu angeln, sondern auch, um einige Firmen zu besuchen, die Kunstköder herstellen. So kam ich auch nach Vääksy, um dort zum ersten Mal die Rapala-Fabrik zu besuchen und zu meiner großen Ehre und Überraschung hatte Sirpa Luostarinen für den Abend ein Treffen mit Oberst Kurimo vereinbart. In schillernden Farben wurde mir die Fanggeschichte nochmal weit ausgebreitet und ich erhielt als Souvenir den Operculum-Knochen und einen Rückenwirbel dieses Riesenhechtes.
Mein Staunen wurde noch größer, als dann noch aus dem Kühlschrank ein eiskaltes Bier geholt wurde und dazu noch aus dem Gefrierfach ein Strauß eingefrorene, junge Birkenzweige. Beides nahm ich mit in die vorgeheizte Sauna und machte dort meine erste Bekanntschaft mit diesem typisch finnischen Phänomen, das mir gut gefiel.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit
Im ersten Teil dieser Serie berichtete ich über den Riesenhecht den Ruud van Dort und Thijs Zwart fingen und ihm den Beinamen „Abu-Hecht“ gaben, da er zweimal mit einem Abu-Blinker gefangen wurde und auch zweimal eine Abu-Traumreise einbrachte.
Als ich vor 25 bis 30 Jahren mit der Tatsache konfrontiert wurde, dass mit dem Fang, oder vielmehr mit der Meldung eines großen Hechtes für diese Traumreisen-Verlosung nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein könnte, glaubte ich es zunächst nicht. Aber jetzt, viele Jahre Praxiserfahrung reicher auf dem Gebiet der Registrierung von Rekordhechten, denke ich anders darüber. Ich kann jetzt sagen, dass die Regeln, die 1980 für den Traumreise-Wettbewerb galten, viel zu locker waren. Dazu muss man sagen, dass die Angelgeräte-Firma vor allem an schönen Fotos für Werbezwecke interessiert war, deshalb wurden die Fangmeldungen nicht besonders gründlich geprüft.
Der schwedische Hechtspezialist Peter Grahn, mit dem ich regen Kontakt hatte, tauschte sich mit mir regelmäßig über die Liste aus. Wir schrieben auch Briefe an die Sieger. Der schwerste Abu-Hecht der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wog 22,740 Kilo und wurde von R. Tait aus Oslo im norwegischen Tyrifjord mit einem Blinker gefangen. Eder Fisch wurde auch zum norwegischen Rekordhecht ernannt. Ich weiß noch gut, wie ich mich über den Brief und das kleine Foto von diesem imposanten 147-Zentimeter-Hecht freute, das mir R. Tait zur Verfügung stellte.
Dass der Hecht etwas merkwürdig an den Kiemendeckeln gehalten wurde, fiel mir zunächst nicht auf. Peter Grahn hatte schon von Anfang an seine Zweifel an der Richtigkeit der Geschichte um diesen Rekordhecht und er sollte Recht behalten. An einem Septemberabend in 1969 blätterte Peter in alten Ausgaben von „Sportfiskaren“. In der Ausgabe vom März 1952 sah er ein Foto von einem schönen Hecht der ihm bekannt vorkam, 10,75 Kilo schwer und 117 Zentimeter lang. Es schien exakt derselbe Hecht zu sein, mit dem auch Tait auf seinem Bild zu sehen war, nur um 180 Grad gespiegelt. Mit diesem Foto konfrontiert, blieb dem angeblichen Fänger nichts anderes übrig, als zuzugeben, dass er eine Fotomontage angefertigt hatte, um die Traumreise zu gewinnen. Der Rekord wurde wieder aberkannt und wir hörten nie wieder von diesem Hechtangler.
Riesenhecht aus der Tiefkühltruhe
Wenn ein und derselbe Hechtangler in kurzer Zeit mehrere Hechtriesen fängt, die schwer genug für die Big-Pike-Liste sind, wird man automatisch etwas misstrauisch.
In der Abu-Liste stieß ich auf einen Angler, der zwei Hechte mit über 20 Kilo Gewicht gemeldet hatte. In den ersten Jahren meiner Jagd auf die Riesenhechte wurden solche Fänge problemlos in die Big-Pike-Liste aufgenommen und auch Fred Buller akzeptierte sie direkt. Ich darf sagen, dass ich weniger Vertrauen in diese Super-Hechtangler hatte als Fred und das mit Recht, wie sich später rausstellte. Von den zwei Hechten von P. Erlandsen aus Norwegen war nicht mehr bekannt, als dass der Hecht vom 20. April 1975 21,230 Kilo gewogen hat und 141 Zentimeter lang war.
Der Hecht vom 9. Oktober 1976 ließ die Nadel der Waage bei 20,630 Kilo anschlagen und war ganze 150,5 Zentimeter lang. Ich bekam Kontakt zu zwei guten norwegischen Hechtdetektiven, die mir gerne helfen wollten. Mit ihnen wollte ich diese Sache weiter untersuchen. Sie hörten von anderen Hechtanglern aus der Region um den Vannsjö-See, dass Erlandsen seinen großen Hecht nach eigenen Angaben eingefroren haben soll. Anderthalb Jahre später habe er ihn dann wieder für den Traumreise-Wettbewerb herausgeholt.
Das erklärt dann auch die Bemerkung in der Fangmeldung von 1976, dass der Hecht in einem sehr schlechten Zustand gewesen sein soll und praktisch keinen Widerstand im Drill leistete. Ich hoffe, dass ich mit dieser Enthüllung Anglern nicht eine neue Idee liefere!
Drei Riesen an einem Sommermittag?
Ja, es ist durchaus möglich, daß ein erfahrener Hechtangler an einem Mittag drei Riesenhechte fangen kann. Aber dann kommt auch die Frage auf: Was versteht man unter dem Begriff Riese? Für viele Angler ist ein Hecht von einem Meter ein Riese und ich kann dann auch ohne zu lügen sagen, dass ich in Kanada schon mal zehn Riesen von 100 Zentimetern und mehr an einem Angeltag hatte. Wenn wir aber von Riesen von 19 Kilo und mehr sprechen, dann sieht das schon ganz anders aus.
Nun gut, ich erhielt die Meldung, dass H. Rode an einem Augustmittag drei Hechte von 19, 20 und sogar 21,5 Kilo mit einem Abu Hi-Lo Wobbler gefangen hatte, im August 1976 im Öyeren-See in Norwegen. Das einzige Foto zeigt einen imposanten Hecht. Zweifel hatte ich, wegen dem ungewöhnlichen Abstand zwischen Angler und Hecht. Wir kennen alle die Fotos von Fischen, die extrem weit nach vorne gehalten werden, damit sie größer wirken. Auch diesem Angler schickte ich einen Brief, um etwas mehr Hintergrundinformationen zum Fang zu bekommen. Ich weiß noch, dass ich vor allem die Einzigartigkeit des Fanges von drei so gewaltigen Fischen betonte und dem Fänger einen großen Artikel für viele Magazine vorschlug. Eine Antwort mit Fotos kam dann gleich, der Fänger wollte gerne an so einem großen Artikel mitarbeiten. Leider musste ich erfahren, dass nur der erste Hecht auf provisorische Art und Weise mit einer einfachen Federwaage gewogen wurde. Nicht gerade eine präzise Methode. Auf einen weiteren Brief mit den nötigen kritischen Fragen, erhielt ich widersprüchliche Antworten und zweifelte noch mehr. Wie auch immer, das Endresultat bleibt dasselbe: in einer neuen Big-Pike-List suchte man den Namen dieses Angler vergeblich.
Jan Eggers