Geklonte Fische unterscheiden sich trotz identischer Gene und gleichen Umweltbedingungen stark in ihrer Fortpflanzungsproduktivität.
Unterschiede im Erbgut oder in wesentlichen Umwelteinflüssen bestimmen die Individualität. Diese Forderung der Zwillingsforschung bröckelt zunehmend. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und des Exzellenzclusters „Science of Intelligence” (SCIoI) hat nun herausgefunden, dass sich geklonte Fische – mit identischem Erbgut – die unter den gleichen, hoch standardisierten Umweltbedingungen aufwachsen, systematisch in der Anzahl und der Größe der Nachkommen pro Laichvorgang unterscheiden; zwei entscheidende Indikatoren für die biologische Fitness. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.
Die Forscherinnen und Forscher untersuchten das Verhalten und das Fortpflanzungsprofil von 34 Amazonenkärpflingen (Poecilia formosa) über einen Zeitraum von 280 Tagen. Diese Fische pflanzen sich auf natürliche Weise klonal fort. Die Nachkommen sind also genetische Kopien der Mutter, wobei die Spezies nur aus Weibchen besteht und das Klonen der Mutter durch Spermien von Männchen ähnlicher Spezies induziert wird. Die Tiere werden lebend geboren und es findet keine Brutpflege nach der Geburt statt. Sie lassen sich also ab dem ersten Tag unter identischen, hoch standardisierten Bedingungen halten.
Die Forschenden nutzten automatisierte hochauflösende Videoaufnahmen, um die Aktivität und die Futteraufnahme über den ersten Lebensmonat zu analysieren und charakterisierten im Anschluss die Fortpflanzungsprofile der Individuen: den Beginn der Reproduktion, die Größe der Bruten und die Größe der Nachkommen. Dies sind Indikatoren für die lebensgeschichtliche Produktivität und damit letztendlich für die biologische Fitness. Das Forschungsteam untersuchte 2.522 Nachkommen aus 152 Bruten.
Individuelle Unterschiede in Aktivität und Futteraufnahme
Wie bereits in einer vorherigen Studie gezeigt unterschieden sich die einzelnen Fische systematisch in ihren Aktivitätsmustern und in ihrer Futteraufnahme. „Unser Experiment bestätigt, dass sich Verhaltensindividualität auch ohne genetische und offensichtliche umweltbedingte Variation schon sehr früh entwickelt “, sagt Max Wolf, Leiter der Studie und Forscher am IGB und im Exzellenzcluster SCIoI.
Individuelle Unterschiede in Fortpflanzung und Produktivität
Die Forscherinnen und Forscher untersuchten im Mittel vier Bruten pro Fisch und fanden, dass sich Individuen konsistent darin unterscheiden, wie groß ihre Nachkommen sind und wie viele Nachkommen sie pro Brut produzierten. Anders gesagt, Individuen unterschieden sich darin, wie produktiv sie waren.
„Dies ist der erste Nachweis, dass genetisch identische Tiere, die unter identischen Umweltbedingungen aufwachsen, sich ganz wesentlich in ihrer biologischen Fitness unterscheiden,“ sagt Ulrike Scherer, Erstautorin der Studie und Forscherin im Exzellenzclusters SCIoI und Gastwissenschaftlerin am IGB.
Und dafür gibt es auch einen Grund: Es zeigte sich, dass die Fische, die mehr Zeit mit Fressen verbrachten, größer wurden und dass größere Fische größere Nachkommen produzierten. Die größeren Fische begannen später mit der Fortpflanzung. Es gab jedoch keinen Effekt auf die Brutgröße. Im Gegensatz zur Futteraufnahme, gab es keinen Zusammenhang zwischen dem individuellen Aktivitätslevel und der Fortpflanzung.
„Unsere Studie offenbart auch“, so Ulrike Scherer, „wie wenig wir bisher über die Entstehung von Individualität und die mögliche Rolle von Epigenetik, der Stochastizität – also zufälliger Variation, und Mikro-Umweltunterschieden verstehen.“
-Pressemitteilung Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)-