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Die Wahrheit über Fluorocarbon

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Kaum Unterschiede in der Sichtbarkeit. Von links: 0,18er FC, 0,18er Mono, 0,23 FC, 024er Mono, 0,31er gefärbtes FC, 0,33er Mono.
Kaum Unterschiede in der Sichtbarkeit. Von links: 0,18er FC, 0,18er Mono, 0,23 FC, 024er Mono, 0,31er gefärbtes FC, 0,33er Mono.

Was ist dran am Schnur-Wunder? UWE PINNAU, Präsident des Deutschen Hechtangler-Clubs, nimmt die vermeintliche Superleine unter die Lupe.

Wer in den Anglerfachzeitschriften blättert, wird früher oder später das schwierige Wort Fluorocarbon (kurz: FC) lesen. Darunter versteht man jenes noch relativ neue Schnurmaterial, dem vielfach wundersame Eigenschaften zugesprochen werden. Selbst Angelprofis preisen das „unsichtbare“ Wundermaterial. Oft hört man sogar, dass ohne FC gar
nichts mehr geht. Komisch nur, dass wir auch früher schon gut gefangen haben, als es nur gewöhnliches Monofil gab.

Was genau soll jetzt das Besondere an FC sein? Befürworter argumentieren mit der Unsichtbarkeit der Schnur unter Wasser, die in der Angelpraxis mehr Bisse bringe. Mit solchen Allgemeinplätzen wollten wir uns nicht zufrieden geben. Deshalb habe ich meinen guten Freund, den Diplom-Physiker Christoph Schütter, als kompetente Fachkraft zu Rate gezogen. Zusammen haben wir eine Menge Versuche sowie ausgiebige Praxis-Tests mit den unterschiedlichsten Fabrikaten und Angelmethoden absolviert. Wir haben FC beim Spinn- und Fliegenfischen, aber auch zum Matchen und Feedern vorgeknüpft.

Eine meiner Grundvermutungen ist von Anfang an gewesen, dass es sich bei der ganzen Euphorie über das neue Schnurmaterial zu einem nicht geringen Teil um ein klassisches Trendfolge-Phänomen handelt. Da wird dann nicht gründlich hinterfragt, leider! In diesem Fall haben Werbung und Marketing wohl ziemlich gut funktioniert…

Die Redaktion FISCH & FANG ist allerdings sofort zu einer kritischen, gleichwohl wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Überprüfung bereit gewesen und gab mir grünes Licht für die Recherche.

Gut zu erkennen: der Schattenwurf beider Schnurtypen bei mittig ausgestrahltem Licht.
Gut zu erkennen: der Schattenwurf beider Schnurtypen bei mittig ausgestrahltem Licht.

Das Material

Fluorocarbone (FC) gehören zu jenen Kunststoffen, die sich durch die gemeinsame Eigenschaft definieren, perfluorierte Kohlenwasserstoffe in ihren Molekülen zu enthalten. Entsprechend dieser losen Definition gibt es auch eine große Gruppe der FC mit den  unterschiedlichsten Eigenschaften. Die wichtigste Gemeinsamkeit liegt darin, dass das Material kein Wasser aufnimmt sowie gegenüber UV-Strahlen und aggressiven Chemikalien stabil ist. Darüber hinaus weisen FC auch eine hohe Temperaturfestigkeit auf. Sie sind unbrennbar. Bekannt wurden die FC denn auch durch den Einsatz in Teflonpfannen. Dagegen wird nur ein kleiner Teil der weltweiten Produktion für Angelschnüre eingesetzt. Es gibt nur wenige Hersteller, die sich auf diese Nische der FC spezialisiert haben. Zum besseren Verständnis, wie Fische Angelschnüre unter Wasser wahrnehmen, ist ein kleiner Einblick in die Physik erforderlich.

Die Sichtbarkeit

Neben den eingangs erwähnten Eigenschaften besitzen FC eine weitere, die man als optischen Brechungsindex oder Brechzahl bezeichnet. Die Zahl gibt an, um welchen Faktor die Vakuumlichtgeschwindigkeit in diesem Medium heruntergesetzt wird. Im Süßwasser (n = 1,33) würde das Licht dann rund 225.500 Kilometer in der Sekunde zurücklegen. Die Brechzahl für Wasser ist zudem auch von der Wellenlänge des Lichts abhängig, so dass man sich bei weniger genauen Angaben oft auf eine mittlere Brechzahl bezieht.

FC besitzt einen wesentlich geringeren Brechungsindex als herkömmliches Monofil (n = 1,5). Je nach Hersteller, finden sich Angaben über einen Brechungsindex zwischen 1,4 und 1,43. Daraus wird dann fix abgeleitet, dass die Schnüre aufgrund des geringeren Unterschiedes in Bezug auf den Brechungsindex von Wasser zu FC viel weniger sichtbar seien als Mono. Das ist aber leider nicht der Fall! Denn aufgrund der geometrischen Form der Schnur und des zwar geringen, aber eben doch vorhandenen Unterschiedes im Brechungsindex zu Wasser, kommt es zu einem Linseneffekt. Der lässt FC unter Wasser alles andere als unsichtbar erscheinen.

Auch unter Tageslicht zeigen sich keine gravierenden Unterschiede zwischen Fluorocarbon und Mono.
Auch unter Tageslicht zeigen sich keine gravierenden Unterschiede zwischen Fluorocarbon und Mono.

Der Labor-Versuch

Für unseren Versuch wurden die Schnüre in eine mit Leitungswasser gefüllte Wanne aus Laborglas gegeben. Dann betrachteten und fotgrafierten wir das Ergebnis. Das Foto zeigt, dass FC kaum weniger auffällig ist als gewöhnliches Monofil. So genannte photochrome Einfärbungen, die die Sichtbarkeit über Wasser erhöhen, aber im Wasser verschwinden sollen, zeigen in dem lichtdurchfluteten Becken keine Wirkung. Eingefärbte Schnüre haben nun einmal eine Farbe und behalten diese auch. Sicher ist jedenfalls, dass die „Unsichtbarkeit“ nicht begünstigt wird. Zwischenfazit: In Bezug auf diesen Faktor bleiben transparente Schnüre immer noch die beste Wahl.

Dass FC-Schnüre in Puncto der optischen Wahrnehmung durch Fische keine Wirkung zeigen, erkennt man am deutlichsten anhand des Schattenbilds der Schnüre. Fakt ist, dass Schatten nur durch undurchsichtige oder teilundurchsichtige Körper entstehen und die Schatten aller Schnurtypen deutlich zu sehen sind. Lediglich mit Abnahme des Durchmessers fällt die Sichtbarkeit etwas geringer aus. Feiner fischen zahlt sich also aus – mehr jedenfalls, als FC vor den Köder zu schalten. Eine Erkenntnis, die auch in der Angelpraxis durch Studien an klaren Gewässern belegt werden konnte. Die Barsche stupsten das FC-Vorfach regelmäßig an, obwohl sie ja, schenkt man einigen Angelgeräteherstellern Glauben, die Schnur gar nicht hätten sehen können. Wir wissen es besser: Die unsichtbare Angelschnur bleibt vorerst ein Mythos.

Wozu noch Fluorocarbon?

Welche Argumente bleiben noch, FC in der Angelpraxis einzusetzen? Nimmt man das steife Material zwischen die Finger, fällt zunächst einmal die mangelnde Geschmeidigkeit auf. Kein Vergleich zum Mono! FC wirkt hart, widerspenstig und spröde, dafür aber auch ziemlich dehnungsarm.

Die vielfach angepriesene Abriebfestigkeit lässt sich allerdings bei genauerer Prüfung nicht unbedingt attestieren. Das Material neigt dazu, sich – ähnlich wie Holz – zum Teil spanweise ab zuhobeln und faserig einzureißen. Ich meine auch, dass Perücken auf der Rolle mit FC ungewohnt häufig vorkamen und besonders schlecht zu entwirren waren. Durch das Gefummel schien die Schnur auch mehr Schaden zu nehmen als andere Typen.

Kleine Rolle, bespult mit FC. Zum ultrafeinen Spinnfischen ist das sinkende Material erste Wahl.

Bei allem Contra gibt es jedoch auch einige Pro-FC-Argumente. Unbestritten ist neben der grundsätzlich durchaus geringen Sichtbarkeit (abhängig von Färbung und Durchmesser) die Tatsache, dass das Material in der Regel sinkt. Beim Nassfliegenfischen und ultraleichtem Barschangeln sind das sicher zwei Trümpfe, die stechen. Hier muss die Nymphe oder der Miniwobbler nicht erst die Schnur zum Sinken bringen, um auf Fangtiefe tauchen zu können. Zudem macht sich eine unauffällige Schnur vor den kleinen Ködern viel besser als eine womöglich gefärbte geflochtene, zumal im klaren Wasser.

Wenn man sich sicher ist, dass keine Hechte vorkommen oder nicht zu erwarten sind, kann FC meinen Erfahrungen nach als Vorfach vertretbar und sinnvoll sein.

Von Vorteil ist auch die Steifigkeit des Materials, wenn es um das Renkenfischen mit der Hegene geht. Die „Zügel“ genannten Seitenarme stehen schön von der Hauptschnur ab, und es besteht eine viel geringere Verhedderungsgefahr als bei entsprechendem Nylon.

Für Montagen mit Seitenarm, hier Hegenen zum Rekenfang, eignet sich das steife FC prima. Es lässt die Nymphe gut abstehen.
Für Montagen mit Seitenarm, hier Hegenen zum Rekenfang, eignet sich das steife FC prima. Es lässt die Nymphe gut abstehen.

Schlussbetrachtung

Kopfschütteln hinterlässt bei mir allerdings, wenn FC als Raubfischvorfach verwendet wird, weil das Material so unauffällig sei. Sorry, aber in Kalibern von über 0,50 Millimetern, wie es beim Hechtangeln mindestens zum Einsatz kommen muss, ist dieser Vorteil überhaupt nicht mehr gegeben! Dazu kommt, dass für die Verarbeitung entsprechend große Klemmhülsen verwendet werden müssen. Breit gequetscht, gleichen die dann kleinen Münzen – auffälliger geht‘s kaum noch.

Nach längerer Nutzung neigt das Material zudem dazu, etwas „blind“ zu werden; zerschrammt wie ein lange im Schrank stehendes Weinglas. Ganz abgesehen von der Tragkraft. Die ist im Vergleich zur „alten“ Monofilschnur eher mäßig, ebenso die Knotenfestigkeit. Umso teurer ist FC im Vergleich zu Mono. Was die Abrieb- und Bissfestigkeit des Materials betrifft, kann ich es nicht wirklich guten Gewissens für die Hechtangelei empfehlen. Eine Ausnahme bilden vielleicht noch sehr große, schnell geschleppte Köder, bei denen der Hecht das FC-Vorfach eher selten zwischen die Zähne kriegt. Richtig wohl ist mir bei dem Gedanken allerdings auch nicht. Am bedenklichsten empfinde ich es, wenn FC für Naturködermontagen herhalten muss. Köfis werden ja öfter tief geschluckt, und wenn die scharfen Hechtzähne schon in Kontakt mit dem Vorfach geraten, fühle ich mich mit Stahl einfach sicherer.

Dazu zwei einschneidende Erlebnisse aus der Praxis. Letztes Jahr angelte ich in den USA und musste mich darüber belehren lassen, dass ich mit meinem 15-fädigen Titanvorfach keinen Fisch fangen würde. Zu auffällig, so die abschätzige Bemerkung des amerikanischen Kollegen. Zwar hatten wir am Ende des Tages beide keinen Fisch gefangen. Aber die zwei Nachläufer und den Fehlbiss registrierte ich! Das andere Mal wurde ich Zeuge, wie ein französischer Angeljournalist in Irland ein Hohelied auf FC sang. Bis ihm nach viertelstündigem Drill ein Großhecht mitsamt Köder und halbem Vorfach abriss!

Mein Fazit: Flurocarbon ist kein Wundermaterial und schon gar nicht unsichtbar für die Fische. Dennoch ist es nicht überflüssig und hat in bestimmten Situationen durchaus seine Berechtigung.

Der Autor Uwe Pinnau mit einer Renke, die auf eine Nymphe an einer Hegene aus FC hereinfiel.

Vor- und Nachteile von Fluorocarbon (FC)

Pro:

■ Im klaren Wasser und in transparenter Form unauffälliger als Geflochtene (aber alles andere als unsichtbar, ähnlich wie Mono!)
■ FC sinkt und eignet sich deshalb ganz besonders zum Nass-Fliegenfischen mit Nymphe und Streamer sowie zum ultraleichten Spinnfischen auf Barsche, da es den Köder zügiger auf Fangtiefe bringt.
■ Bei Beifänger-Montagen (z.B. Hegenen) erweist sich das steife Material als vorteilhaft, da es
den Seitenarm gut abstehen lässt.

Zweifelhaft:

■ Die angeblich erhöhte Abriebfestigkeit gegenüber Mono
■ Die Bissfestigkeit gegenüber Hechtzähnen

Contra:

■ Weniger Tragkraft als Mono gleichen Durchmessers (dadurch bedingte dickere Kaliber heben den Vorteil der geringfügigeren Sichtbarkeit von FC wieder auf)
■ Vergleichsweise teuer
■ Steif, dadurch schlechter zu knoten/verarbeiten als Mono

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