ANZEIGE

Begegnungen am Wasser

2332
Dieses Flugtaxi mit dem Baujahr 1949 brachte die Angler sicher nach Hook Island.

Im 10. Teil seiner Serie berichtet Jan Eggers über seine Reisen zum besten Großhecht-Gewässer der Welt: Das Delta des Taltson Rivers in Kanada.

Magische Schallmauer: Einer von vielen 122-Zentimeter-Hechten, die Jan in Kanada mit Dardevle-Blinkern fing. Bilder: Jan Eggers
Allein von dieser Felsspitze aus fingen die Angler hunderte Hechte.

Schon im letzten Teil habe ich darüber erzäht, wie Bill Tenney das in meinen Augen immer noch beste Großhechtgewässer entdeckt hat. Ein Gewässer, in dem ich wirklich tausende schöne Hechte gefangen habe, darunter um die 800 Meterhechte. Durch viele Umwege und mit noch mehr Geduld gelang es Bill, den Trapper Ray Beck ans Telefon zu bekommen, um mit ihm an der Flussmündung, man kann auch Delta sagen, des Taltson Rivers zu fischen. Im letzten Teil schrieb ich, dass Bill im Herbst 1988 zum ersten Mal zum Taltson River reiste, es war aber schon das Jahr 1987, wie meine Unterlagen verraten.

Spartanische Hechttour

Spartanischer geht es kaum: Das Hook-Island-Camp vom Wasser aus gesehen.

Ich fand nämlich einen Brief von Bill aus dem Oktober 1987 mit jede Menge Informationen über seinen ersten Trip zum Taltson. Zuerst ging es per Flugzeug zum Hay River, dann 12 Stunden lang mit dem Truck nach Fort Resolution, wo Ray Beck wohnte. Es folgten 15 Stunden in einem offenen Boot zusammen mit 10 Huskys über den Großen Sklaven-See, der nicht ganz so groß wie die Niederlande ist, in Richtung Taltson-Mündung. Ray besaß dort ein Holzhäuschen, das als Küche, Büro, Wohn- und Schlafkammer diente, und mit einem Öfchen ausgestattet war. Ray hatte ein paar Brote und auch einige Kartoffeln mitgenommen. Zusammen mit den Eichhörnchen und Enten, die er schoss, plus den Fischen, die Bill fing, und dem frischen Wasser aus dem Fluss, sollten sie nicht verhungern. Die Angelei rund um dieses “Camp”, mit dem offiziellen Namen “Hook Island” war phänomenal. Es bissen sehr viele Meterhechte und noch mehr Hechte zwischen 80 und 100 Zentimetern. Bill war fest entschlossen, noch einen Trip an dieses Gewässer zu organisieren, ich sollte auch mit.

Ende November rief Bill mich an und fragte, ob ich in der kommenden Woche schon etwas vor hätte? North West Airlines hätten gerade ein Schnäppchen im Angebot, um besonders preiswert von den USA nach Amsterdam zu fliegen. Daheim bleiben, würde ihn teurer kommen.

Die Sonne verschwindet im Sommer in Nordkanada nur für eine Stunde, um dann wieder aufzugehen.
Drill mit einem Meterhecht an der Superstelle Bill’s Island.
Familien Tenney und Eggers im "Het Roode Hert" in Bovenkarspel.

Ich organisierte schnell Unterkunft und Programm. Seine Frau Betty wollte alle touristischen Highlights in Amsterdam und Volendam besuchen, Bill wollte lieber mit mir auf Hecht in den Poldern fischen. Diese Wünsche konnte ich problemlos erfüllen. Bei einem Abendessen im “Het Roode Hert” hatten wir viel Gesprächsstoff. Betty war tief beeindruckt vom Rijksmuseum mit seinen vielen Rembrandts, von der Bootstour durch die Grachten Amsterdams und von den vielen Radfahrern. Bill fand die vielen Gräben und Deiche sehr beeindruckend, die unser Land trocken halten. Natürlich redeten wir auch über unseren für Juni 1988 geplanten Hecht-Urlaub am Taltson/Great Slave Lake.

Derbe Diskussionen

Wir hatten mit Ray abgesprochen, dass unsere Gruppe aus sechs Mann bestehen soll, denn er besaß drei Boote. Neben ihm sollten seine Söhne Arthur und Eric als Guides fungieren. Wir trafen uns im Hotel Chateau Lacombe in Edmonton. John Barzen, Mike Ellis, Jim Sowers, Steve Dusek und Bill waren echte Kanada-Veteranen mit großer praktischer Erfahrung.

Die Schlittenhunde ernährten sich von herumliegenden Meterhechten.

Steve und ich waren mit 45 Lenzen die jüngsten Teilnehmer, die anderen vier waren schon um die 75 Jahre alt. Von Hay River aus sollte uns das Single Otter-Wasserflugzeug der Carter Air Services zum Taltson bringen, aber dichter Nebel sorgte für eine 26-stündige Verspätung. Zudem hatten wir zu viel Gepäck dabei, die Schwimmkörper lagen zu tief im Wasser. Wir mussten viele Kunstköder und Angezeug in Hay River zurücklassen. Der Flug dauerte nur ein Stündchen, dann landeten wir auf der Bucht in der Nähe des Camps. Die Guides entluden blitzschnell unser Flugzeug.

Zwei Eindrücke des ersten Treffens werde ich nie mehr vergessen: Doris, Rays Frau, die für unser Essen sorgen sollte, schnitt mit einem scharfen Messer dünne Scheiben von einer Elch-Keule, die sie in den Sträuchern roh zu Trocknen aufhängte. Das war unser Brotbelag in den kommenden Tagen. Auch sah ich tote Meterhechte herumliegen, von denen die Hunde bereits etwas gefressen hatten. Ich fragte Eric, wo er diese Hechte gefangen habe, und er verwies auf das Ufer, an dem wir gerade standen. Ich baute mir schnell eine Rute zusammen. Meinen Mepps Lusox montierte ich an ein 40 cm langes, 30lb tragendes Stahlvorfach mit einem Crosslock-Wirbel. Beim ersten Wurf hatte ich einen Fehlbiss. Kein Grund zum Ärgern, der zweite Wurf brachte einen 99er Hecht.

Ray hatte auf einem flachen Stückchen Fels drei kleine Zelte aufgebaut. Wir mussten selbst Zweige von Bäumen und Sträuchern abschneiden, um den harten Boden etwas aufzupolstern. Durch die Zelttür sahen wir nachts Mond und Sterne, zum Glück blieb es trocken.

Der Drill meines ersten Hechtes war für unsere Guides das Signal, aktiv zu werden. Eric packte die Schnur und das Vorfach, um den Hecht an Land zu ziehen. Arthur landete den Hecht mit einem geübten Augengriff. Es entbrannte eine wilde Diskussion, wollten wir Angler doch die Fische gut behandeln und wieder zurücksetzen. Ray und seine Söhne sahen in unseren Fängen aber eine willkommene Bereicherung ihres Hundefutter-Vorrates. Wir versuchten ihnen zu verdeutlichen, dass gerade die großen Hechte sehr wichtig waren für die zukünftige Entwicklung ihres Angel-Camps. Wir einigten uns darauf, dass eine bestimmte Zahl von Hechten unter 30 Inches, ungefähr 75 Zentimeter, als Futter für die Hunde entnommen wurden. Wir vermittelten unserem Gastgeber auch, was auf den Gebieten von Unterkunft, Verpflegung, Kommunikation, Sicherheit und Service getan werden müsse, um den Preis von 1.800 Dollar pro Angler und Woche zu rechtfertigen. Für Ray waren diese neumodischen Dinge nicht nötig. Besonders schwierig war es, diese Naturburschen mit einem hohen Prozentsatz Indianerblut, davon zu überzeugen, dass sie im allerbesten Großhecht-Gebiet wohnten, und sie sich unbedingt die Fischereirechte sichern sollten.

Arthur Beck war an Jan Eggers' Rute mit einem Jerkbait erfolgreich.
Doris musste diese Hechte für das Abendessen filetieren.
Bill und Ray mit ein paar schönen Hechten, unmittelbar am Camp gefangen.
Steve Dusek vor seiner übergroßen "Badewanne". Waschen musste man sich in der freien Natur.

Hechtangeln in den Stromschnellen

Bei unserem ersten Trip fischten wir vor allem rund um das Camp, in der flachen Bucht und um die Inseln, die die Grenze zwischen dem Taltson-Delta und einem 40.000 Quadratkilometer großen See bildeten. Warum sollten wir auch weiter fahren? Wir fingen direkt am Camp jede Menge große Hechte und auch schöne Walleyes am laufenden Band! Als dann an einem eiskalten Morgen, der See war fast zugefroren, die Temperatur bis zum Gefrierpunkt fiel, wollte Ray mit uns den Fluss hinauffahren. Wir sahen am Ufer die Reste des kleinen Dorfes und Handelspostens Rocher River, in dem Ray als Kind aufgewachsen ist. Nach anderthalb Stunden erreichten wir eine felsige Insel inmitten von Stromschnellen. Bill fing hier im Nu sechs Meterhechte zwischen 106 und 118 Zentimetern.

Zwei Würfe hintereinander brachten diese schönen Hechte.

Seit diesem Tag wurde diese Insel Bill’s Island genannt. Nach weiteren anderthalb Stunden stromaufwärts erreichten wir ein Gebiet mit wilden Wasserfällen und hübschen Nebenflüssen, wie dem Snuff Channel und dem Rat River. Ray besaß hier ein paar Blockhütten, weil er in dieser Gegend immer Fallen stellte und Schlingen legte, um einige Biber zu fangen. Auch gab es hier jede Menge Whitefish, eine große wandernde Maränen-Art, deshalb auch eine große Pelikan-Kolonie. Wirklich, die Natur mit Weißkopfseeadlern, Schwarzbären, Elchen und Wölfen, war überwältigend. Man will gleich wieder zurück. Natürlich haben wir auch einen kleinen Wettkampf durchgeführt. Jeder Angler musste 5 Dollar in einen Topf geben. Der Fänger des schwersten Hechtes wurde dann mit 30 Dollar belohnt. Steve Dusek war mit seinem 25lb-Hecht der Gewinner, ich verbesserte meinen persönlichen Rekord auf 122 Zentimeter. Ich fing in dieser kurze Woche von nur fünf Tagen nicht weniger als 66 Meterhechte!!! Viele hundert Meterfische sollte ich in den Folgejahren in diesem Gebiet noch fangen. Erst 2013 glückte es mir, dort einen 123-cm-Hecht zu fangen, endlich!

Ich hatte Ray versprochen, dass ich in verschiedenen Angelzeitschriften in Europa und den USA über diesen erfolgreichen Trip schreiben werde. Ray sicherte mir dafür zu, dass “meine” Gruppe immer die erste Gruppe der neuen Angelsaison sein wird.

An einigen Stellen bemerkten wir nach einiger Zeit, dass die Hechte auf das intensive Beangeln mit Dressur-Effekten reagierten, und nicht mehr so leicht zu fangen waren, deshalb diese Absprache. Meine Artikel über dieses Revier erschienen in einigen Zeitschriften, ich hielt Dia-Vorträge, gab Informationen auf Messen und per Telefon weiter. Im Nu war die zweite Tour zum Taltson ausgebucht. Ray konnte im Winter über das bis zu zwei Meter dicke Eis Vorräte, Zelte, Fässer mit Benzin und Schlafsäcke zu seinem Camp bringen.

Verschiedene Probleme

In den 1990er Jahren wurden Blockhütten auf Hokk Island errichtet, eine deutliche Verbesserung.

Die zweite Gruppe bestand aus acht Personen aus fünf verschiedenen Ländern. Ich fühlte mich immer mehr wie der Inhaber eines Reisebüros. Ray hatte mittlerweile bessere Zelte und Schlafsäcke organisiert. Die Reisegesellschaft wurde in zwei Vierer-Gruppen aufgeteilt, die abwechselnd an der Mündung und an den Wasserfällen angelten und schliefen. Die Fänge waren weiterhin außerordentlich. Noch selten habe ich so viele enthusiastische und zufriedene Angelgäste erlebt. Bis zu unserer fünften Tour im Jahr 1992 fischte ich immer zusammen mit Bill im Boot. Ray war unser fester Guide.

Bill Tenney mit einem 20-Pfünder aus den Schärengärten bei Eriksberg, Schweden, aus dem April 1993. Das letzte Foto, das Jan Eggers von seinem liebsten Angelfreund machen konnte.

Bill war noch immer auf der Jagd nach Hechten über 30 Pfund. Die Fänge von Hechten von 40 und 50 Pfund in den schwedischen Schärengärten durch Fehmi Varli waren dafür verantwortlich, dass wir im April 1993 zusammen in der Region Karlshamn fischten. Wir fingen einige kampfstarke Hechte von 25lb, aber keine riesigen Traumfische. Wegen einer Hochzeit in der Familie begleitete uns Bill im Juni nicht nach Kanada, dafür buchte er Ende Juni einen Trip an den großen Baikalsee. Er hoffte, dort einen Rekordhecht zu fangen. Auf dem Rückweg rief er bei mir daheim an und mein Sohn Stefan ging an den Apparat. Ich war gerade im Urlaub am Ossiachersee. Er erzählte Stefan, dass er schöne Hechte gefangen hatte und bald wieder dorthin zurückkehren wollte.

Der zweite Trip zum Baikalsee im Juli 1993 sollte sein letzter werden. Am 24. Juli bekam er beim Angeln im Boot einen Herzanfall. Er starb so, wie er es sich gewünscht hat, darüber hatten wir vorher schon einige Gespräche geführt. Die Überführung seines Leichnams gestaltete sich sehr schwierig. Sein Gepäck und seine Angelgeräte sind dabei verloren gegangen.

Seit 1993 habe ich dann die Buchungen zum Taltson geregelt. Es fuhren noch einige Gruppen, aber vor allem Stammkunden, die dort schon gewesen sind. Zu dieser Zeit gab es Probleme mit den Fischereirechten und den Angellizenzen im Gebiet rund um Hook Island. Es gab inzwischen Konkurrenz vor Ort und die Atmosphäre wurde immer feindseliger. Bevor das Desaster seinen Lauf nehmen konnte, erkrankte Campinhaber Ray an Krebs. Er kam ins Krankenhaus in Hay River und starb dann Ende der 90er Jahre. Seine Söhne Arthur, Raymond und Eric zerstritten sich in der Folgezeit, sie konnte sich nicht einigen, wie das Hook Island-Camp geführt werden sollte. Schlussendlich übernahm Arthur das Camp, aber die Unternehmung wurde kein Erfolg. Anfangs regelte seine Frau den Schriftverkehr mit den Gästen. Nach der Scheidung beantwortete Arthur keine Briefe, Mails und Telefonanfragen mehr. Alkohol, Drogen und Gewalt sorgten für noch mehr Probleme, dann verlor er seine offizielle Lizenz. Ab 2002 gab es keine Angelreisen mehr zu dieser einzigartigen Location. Ich musste viele interessierte Hechtangler enttäuschen…

Eine neue Lodge

Aber es geschehen noch kleine Wunder. Ende 2007 erhielt ich eine Mail von Jack Penney, der früher einige Trips mit Bill Tenney unternommen und auch schon einige Male mit Ray gefischt hatte. Er erzählte mir, dass Eric Beck zusammen mit seiner Frau Kim eine neue Lodge bei den Wasserfällen mit den Pelikanen aufgebaut hatte. Er hatte schon eine Woche bei dieser Aurora Night Lodge gebucht und war voller Lob. Ich habe gleich versucht mit Eric und Kim Kontakt aufzunehmen, die ich beide schon seit 1988 kenne. Zusätzlich habe ich einige der früheren Stammgäste kontaktiert und für acht Personen die zweite Juniwoche 2009 reserviert. Über diesen und die folgenden Reisen zur Aurora Night Lodge und einige sehr spezielle Guides und Gäste werde ich im nächsten Teil berichten.

Jan Eggers

Teil 9…

ANZEIGE
Abo Fisch&Fang