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Begegnungen am Wasser

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Im siebten Teil seiner Serie nimmt uns Jan Eggers mit in die USA. Er verrät, wie er auch in Amerika zum anerkannten Hechtpapst wurde.

Alles begann mit einem Brief

Bei meinem allerersten Besuch bei Fred Buller habe ich ihn nicht nur über die vielen Großhechte auf dem europäischen Festland informiert. Er war auch an Informationen über Hechte von über 35lb aus den USA und Kanada interessiert. Ich hatte seinerzeit nicht einmal daran gedacht, ihm diese Fanginfos anzubieten.

Ich erinnerte mich daran, dass ich von Jarmo Rapala ein Büchlein mit Praxistipps über das Fischen mit Rapala-Wobblern in Nord-Amerika bekommen hatte. Nun, dieser Rapala Fishing Guide sollte der Schlüssel werden, mit dem ich mir die hechtangelnde USA erschließen sollte.

Informationen gehen über den Atlantik

Ein gewisser Al Lindner hatte einen Artikel über das Angeln auf Hecht und Walleye, der amerikanische Neffe unseres Zanders, geschrieben. Abgebildet war Lindner mit vier großen Hechten auf einem Foto. Am Ende dieses Artikels stand eine Adresse, über die man eine Gratis-Broschüre über moderne Techniken des Großhechtfangs anfordern konnte. An diese Adresse der US-Angelzeitschrift „In-Fisherman“ in Brainerd, Minnesota, kann ich mich noch immer erinnern. Wie die Adresse von Fred Buller hat sie mein Leben komplett verändert. Im ersten Brief an Al Lindner forderte ich nicht nur die Broschüre an, ich fragte ihn auch nach Informationen über kapitale „Northern Pike“, das ist der amerikanische Name meines Freundes Esox lucius, für die Big Pike Liste.

Ein paar Wochen später war die interessante Broschüre in der Post. Zusätzlich die Information, dass der amerikanische Rekordhecht, gleichzeitig auch der Weltrekord, 46lb 2oz gewogen hat. Gefangen wurde er im Sacandaga-Stausee im September 1940 von Peter Dubuc. Auch schickte Al mir eine der ersten Ausgaben des damals erst kürzlich gestarteten Magazins “The In-Fisherman” zu. Ich war sehr beeindruckt von der wissenschaftlichen Herangehensweise, mit der dort Angelthemen behandelt wurden. Doch davon später mehr!

Ich schickte einen für die Amerikaner schockierenden Brief, in dem ich mitteilte, dass ihr Dubuc-Rekordhecht in der Liste von Fred Buller nur auf Platz 55 stehen würde. Die Reaktion, die ich erwartete, kam nicht per Brief sondern übers Telefon. Ein sehr enthusiastischer Al Lindner fragte mich nach europäischen Großhechten aus. Seine Kernfrage war, ob ich einen detaillierten und exklusiven Artikel über die 100 größten Hechte, am besten mit möglichst vielen Fotos, für sein Magazin „In-Fisherman“ schreiben könne.

Natürlich fiel meine Antwort positiv aus und ich fühlte mich sehr geehrt. Eine Woche nach diesem Telefongespräch erhielt ich einen Brief mit der offiziellen Bestätigung, noch vielen weiteren Fragen und Richtlinien für den Artikel. Bei Fragen sollte ich mich direkt an den Chefredakteur Doug Stange wenden.

Ron (links) und Al Lindner (rechts) zusammen mit Jan Eggers in der Redaktion des “In-Fisherman”. Bild: Jan Eggers
Al Lindner mit einem guten Walleye. Er wurde als Angelautor, TV- und Radio-Kommentator, erfolgreicher Wettangler und Ködererfinder (Lindy Rig) weltbekannt. Bild: Jan Eggers

Artikel sorgt für Aufsehen

Doug Stange mit einem Hecht, der sich in den Wasserpflanzen verstecken wollte. Bild: Jan Eggers

Heute, im Spätsommer 2016, dauert die Zusammenarbeit mit Doug bereits ungefähr 35 Jahre an. Wir sind inzwischen richtig gute Freunde geworden. Ich habe damals den Artikel “The biggest pike of Europe” mit der Hand geschrieben. Als er publiziert wurde, sorgte er für großes Aufsehen. Angler schickten mir Bilder von Hechten über 35lb. Es meldeten sich auch Hechtangler, die einmal in Europa fischen wollten. Aber auch offizielle Stellen meldeten sich, wie die Departments of Natural Resources verschiedener US-Staaten, um PR für sich zu machen.

Larry Ramsell, der damalige Präsident von "Musky Inc.", beim Archivieren von kapitalen Muskies. Bild: Jan Eggers

Es war auch ein Brief von Larry Ramsell dabei, der Präsident, der mir damals noch unbekannten „Musky Inc.“ Organisation. Larry hatte mehr oder minder das gleich Hobby wie ich, mit dem Unterschied, dass er Informationen über die größten Muskies, Esox musquinongy, sammelte.

Larry zog seine Infos aus den Rekordlisten der Zeitschriften Field an Stream, Outdoor Life, Sports Afield und Fishing Facts. Ein Glück für mich, denn in diesen Listen waren auch kapitale Hechte aufgeführt. Wie viele Kopien Larry von diesen Listen für mich gemacht hat, weiß ich nicht mehr. Aber es ist immer noch ein beeindruckender Stapel. Anfang der 1980er Jahre gab es noch kein Fax, Internet, SMS, E-Mail oder Social Media. Alle Informationen mussten per Post oder Telefon ausgetauscht werden. Dass ich zu dieser Zeit viele Gulden für Briefmarken und Telefongebühren ausgeben musste, betrachte ich noch immer als eine prima Investition.

Das Internationale Musky Symposium

Larry schickte mir alte Ausgaben seiner Clubzeitschrift und ich erfuhr daraus viel über neue Techniken, um mit großen Kunstködern kapitale Muskies und auch Hechte zu fangen. Ich denke da an große Jerkbaits, wie den 9 Inch langen Suick. Mit Staunen sah ich die enormen Bucktail-Spinner und die noch größeren Spinnerbaits. Von Backtrolling und wie man Hechte mit der Figure 8 direkt neben dem Boot fangen kann, hatte ich auch noch nie gehört. Ich las über die Vorbereitungen für das Internationale Musky Symposium, das im Frühjahr 1984 in LaCrosse, Wisconsin, stattfinden sollte. Alle Hecht-Wissenschaftler von Rang und Namen sollten dort vier Tage lang zusammenkommen. Man konnte von morgens bis abends Präsentationen, Seminare, Diskussionen und Kunstköder-Demonstrationen in Schwimmbädern besuchen.

Als Larry mich fragte, ob ich dort einen Dia-Vortrag über europäische Großhechte und eine Demonstration über das Hechtangeln mit totem Köderfisch in einem Schwimmbad halten wolle, sagte ich nicht sofort zu.

Diesen kapitalen Musky fing Larry Ramsell im Hayward Lake. Bild: Jan Eggers
Die Organisation "Musky Inc." hat das Catch & Release maßgeblich in den USA vorangebracht. Bild: Jan Eggers

Zu allererst wollte ich wissen, was meine Frau davon hielt und ob mein Arbeitgeber Solvay mir einige Tage frei geben konnte. Ich wollte die Reise mit ein paar Tagen Raubfischangeln kombinieren. Auf alle meine Fragen erhielt ich eine positive Antwort. Anfang April 1984 flog ich zusammen mit meiner Frau nach LaCrosse, wo ich im Radisson Hotel zuerst den Jetlag kennenlernte, dann auch sehr viele Esox-Freunde. Meine Dia-Präsentation lief prima und jeder staunte über die viel dickeren europäischen Hecht-Großmütter. Ich hatte gute Gespräche mit Dr. Ed Crossman, John Casselman, Gill Hamm, dem Gründer von Muskies Inc. und vielen Chefs von Angelfirmen, etwa den Direktoren von Berkley, Zebco, Lowrance und Plano. Ich habe es bereits im ersten Teil dieser Serie erwähnt: Hier wurde die Idee geboren, als freier Angeljournalist und Berater zukünftig meine Brötchen zu verdienen.

Korrespondent für Europa

In der Folgezeit merkte ich, dass mir der Titel “Europäischer Korrespondent des In-Fisherman” viele Türen öffnete. Meine Frau vertrug sich gut mit Larrys Frau Caroline. Deshalb akzeptierte sie auch die Einladung, nach dem Symposium seine Heimat in Huston, Texas, zu besuchen. Danach sollte es mit Doug Stange nach Brainerd gehen, um die Redaktion meiner Lieblings-Angelzeitschrift kennenzulernen. Schlussendlich sollten dann noch ein paar Angeltage auf Hecht folgen. Während der langen Autofahrt von Wisconsin nach Minnesota hatte ich jede Menge Zeit, um mit Doug über die angeltechnischen Unterschiede zwischen Europa und den USA zu quatschen. Wir freuten uns beide auf die anstehende Hecht-Tour!

600 Kilometer für einen Angeltag

Aber zuerst musste ich die Mitglieder der Redaktion kennenlernen und alle Hände schütteln. Hinter dem Namen Al Linder stehen sein Burder Ron, Dave Csanda, Bob Ripley und nicht zu vergessen Larry Tople, der alle Cover zeichnete. Alle waren Angler durch und durch, die alle mit Erfolg an Schwarzbarsch-, Walleye- und anderen Raubfisch-Turnieren mitgefischt hatten. Auf meine Frage, was sie von unserer anstehenden Angeltour zum Lake Oahe erwarten würden, verriet mir Fotograf Jimmy Lindner, Sohn des Chefs Ron, dass der dort am letzten Wochenende mit totem Köderfisch schon schöne Hechte gefangen hatte.

Jans erste Hechte aus dem Lake Oahe. Bild: Jan Eggers

Das gab mir ein gutes Gefühl und am nächsten Morgen ging es im Dunkeln nach Pierre, in die Hauptstadt von South Dakota. Die Fahrt ging über breite Straßen mit sehr wenig Verkehr, die Höchstgeschwindigkeit war 80 km/h und jeder hielt sich auch daran. Nach ein paar Stunden hielten wir an, nicht um zu angeln, nein, um zu frühstücken. Ich erfuhr, dass wir noch nicht einmal die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten. Erst um 14 Uhr sollten die 600 Kilometer überwunden sein. Eine vergleichbare Idee wäre es, mal eben von Holland aus rund um Paris auf Hecht zu fischen. Das wäre für einen kurzen Tages-Trip nicht so mein Fall.

Pionier des Deadbaiting

Zum Glück hatte der lokalen Angelguide Steve Nelson schon alles organisiert. Ich konnte einen toten Stint an mein Eigenbau-Stahlvorfach ködern und an meiner 360 cm langen Karpfenrute mit 2 1/2lb Testkurve viel weiter auswerfen als die Amerikaner. Schon bald meldete der Bissanzeiger, dass jemand Interesse an meinem Stint hatte, und ich schlug an. Die krumme Rute zeigte an, dass ich meinen ersten amerikanischen Fisch gehakt hatte. Es war ein schön gezeichneter Hecht von 65 Zentimetern. In diesem Tag bekam ich um die Mittagszeit 43 Bisse an meinem viel feineren System. Meine amerikanischen Angelkollegen fischten deutlich grober. Auch konnten sie die meisten Bisse nicht verwandeln. Ich hatte einen „Score“ von 100 Prozent, fing also 43 Fische. Nein, keine 43 Hechte. Auch die Quappen waren in dem eiskalten Wasser bei Randeis noch sehr aktiv.

Nach dem Abendessen habe ich verraten, wie ich meine Vorfächer herstelle und wie damit gefischt wird. Am nächsten Tag fingen sie mit diesen Sofortanschlag-Systemen mit zwei Drillingen auch deutlich mehr. Es wurden auch gleich einige 360 cm lange Karpfenruten in Europa bestellt.

So richtige große Hechte haben wir auf diesem Trip nicht gefangen. Aber das macht nichts, der Austausch von Angeltechniken und –geräten, das schonende Zurücksetzen von nur knapp am Maul gehakten Fischen ergab interessanten Stoff für neue aufschlussreiche Artikel in The In-Fisherman.

Über die Folgen meines ersten USA-Trips und die weiteren Entwicklungen werde ich in den nächsten Teilen dieser Serie noch erzählen. Als wir wieder zurück in Brainerd waren, packten wir schnell unsere Koffer. Doug brachte uns zum Flugplatz nach Minneapolis. Von dort aus flogen wir ins sonnige, warme Houston. Unsere Damen beschäftigten sich prima mit Shopping, Sonnen und Sightseeing.

Mit diesem Stint am Sofortanschlag-System verwandelte Jan in kurzer Zeit 43 Bisse. Bild: Jan Eggers
Mit diesem Material baute Jan Eggers damals seine Stahlvorfächer selbst. Bild: Jan Eggers
Die Hechte aus dem Lake Oahe mögen gerne Quappen. Bild: Jan Eggers

Und Larry war froh, dass er jemanden hatte, mit dem er über Hechte und Muskies quatschen konnte. Die wenigen verbleibenden Urlaubstage besuchten wir die Raumfahrt-Basis bei Cape Caneveral, den Strand am Golf von Mexiko und auch Museen. Woran ich mich am meisten erinnere, ist die unglaubliche Weite dieses Landes. Vor allem im Vergleich zu den klitzekleinen, überfüllten Niederlanden. Riesig waren auch die T-Bone-Steaks, die wir bei jeder Malzeit serviert bekamen. Was bei meiner Frau am meisten hängen geblieben ist? Die sehr große Zahl enorm dicker Menschen, mit Abmessungen und Gewichten, die man in Europa selten sieht. Beim nächsten Mal werde ich mehr berichten über Filme, die ich zusammen mit The In-Fisherman machte, Messen und Firmen, die ich dort besucht habe und wie ich völlig ungeplant in Kanada erfolgreich auf Hecht geangelt habe.

Jan Eggers

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