Matze ist mit der Markerpose (links) und der klassischen Segelpose für alle Fälle gerüstet. |
Wie man den toten Köderfisch mit neuem Leben erfüllt und raffiniert für Hechte präsentiert, verrät der ostfriesische Ansitz-Spezialist Matze Koch.
Ganz ruhig steht der Räuber am Grund des Gewässers. In einer Rinne hat er es sich bequem gemacht. Hin und wieder berührt der Bauch den Grund, und die Flossen wedeln in Zeitlupe. Der Herzschlag ist heruntergefahren, die Körpertemperatur liegt bei kaum vier Grad. Eine ganze Schar von Egeln hat sich auf seiner Schleimhaut festgesetzt. Was auch immer dem Hecht jetzt vor die Nase schwimmt, er wird es ignorieren. Kräfte sparen muss er. Möglichst wenig Energie verbrauchen, wenn er den Winter überleben will…
So oder ähnlich stellen sich wohl viele Angler den typischen Winterräuber vor. Ich kann Ihnen jedoch versichern: Es ist definitiv anders! Fische halten keinen Winterschlaf, wie zum Beispiel Säugetiere. Auch wenn sie sich kaum bewegen, verbrauchen die Flossenträger Kalorien, die natürlich wieder nachgeführt werden müssen. Das bedeutet: Hechte müssen fressen. Ein Teil der Beute setzt sich aus toter Nahrung, der andere aus lebender Beute zusammen. Und letztere muss gejagt werden.
Während Karpfen, Schleien und Brassen sich mehr oder weniger apathisch verhalten, schwimmen Plötzen auch bei Kälte immer ein wenig umher. Den Räubern kommt genau dieses Verhalten der Rotaugen sehr gelegen. Wenigstens die Plötzen schwimmen dann noch von ganz allein vor die Hechtmäuler.
Jäger und Sammler
Tote Beute am Grund ist den Räubern jedoch eindeutig die liebste Mahlzeit. Denn die erfordert am wenigsten Kraftaufwand. Was ein Esox im Sommer verschmäht, wird im Winter zu seiner Hauptmahlzeit. Allerdings reicht das Angebot an verwertbaren Fischleichen nur leider in den wenigsten Fällen aus, um den Kalorienbedarf ganz zu decken. Wer diese Zusammenhänge kennt, weiß dann auch, dass Hechte selbst im tiefsten Winter rauben.
Dazu kommt der latente Jagdtrieb, der einem Esox wohl nie auszutreiben ist. Wenn direkt vor seiner Nase eine potenzielle Beute vorbeischwimmt, wird er zuschlagen! Dabei bevorzugt der Hecht dicke Brocken, weil dann das Kosten-Nutzen-Verhältnis besonders günstig ist. Ein Angriff auf einen dicken Brassen bringt mehr als eine Attacke auf ein kleines Rotauge. Beides kostet gleich viel Kraft, bringt aber eine unterschiedliche Kalorienzufuhr. Das erklärt auch den enormen Erfolg der Makrele im Winter. Sie liegt ruhig am Grund, duftet verführerisch und kann ohne großen Energieaufwand einfach eingesammelt werden. Umso größer ist die Kalorienzufuhr durch das fettreiche Fleisch.
Einen großen Nachteil hat jedoch der statisch ausgelegte Köder, der dieses Beuteschema imitiert: Liegt er am falschen Platz, wird es keine Bisse geben. Denn kein Hecht wird sich bei Kälte auf große Wanderungen begeben, um nach unserem Köderfisch zu suchen. Darum verleihe ich meinen Winterködern immer liebend gern ein wenig Leben. So suche ich gezielt nach Hechten und reize sie noch zusätzlich.
Faktor Strömung
Man stelle sich einen Hecht im Kanal vor. Der Räuber steht unter einer Brücke, und plötzlich beginnt es zu strömen. Entweder weil es regnet oder stürmt, weil geschleust wird oder Pumpen laufen. Plötzlich ist Schluss mit der Ruhe. Der Fisch muss sich bewegen, um der Strömung standzuhalten. Im Fluss ist das der Dauerzustand. Deshalb wird der Hecht hier strömungsarme Bereiche aufsuchen. Er postiert sich in Löchern, vor oder hinter Steinen, Brücken und anderen Hindernissen. Aber Esox weiß instinktiv: Wo Strömung ist, da schwimmt auch Nahrung vorbei: geschwächte Kleinfische, tote Tiere, Rotaugenschwärme…
Kommt an dieser Stelle dann ein Stint angetrieben, wird der Hecht mit Sicherheit neugierig. Diesen Happen hat er zwar noch nie gesehen. Aber irgendwie ist der Appetit geweckt. Eine Handbreit über Grund treibt der Stint direkt vor seiner Nase und scheint eine leichte Beute zu sein. Dazu der verführerische Duft des nach Gurke riechenden Fisches. Augenblicke später sieht der Naturköderangler, der diese raffinierte Falle gestellt hat, wie seine Pose ruckartig in die Tiefe gerissen wird…
Das Beispiel zeigt, wie man sich die Bewegung des Wassers nutzbar machen kann. Selbst im eisigsten Winter können strömende Partien für Sternstunden sorgen. Um hier Erfolg zu haben, ist mir der Stint am liebsten. Er ist schlank und kann besonders schnell geschluckt werden. Dadurch kann und muss augenblicklich angeschlagen werden. Neben dem schon erwähnten Duft setzt der Stint auch optische Reize. Durch die fast weiße Farbe wird er selbst in trüber Brühe noch hervorragend vom Augenräuber Hecht wahrgenommen.
Wichtig ist, dass der Stint auch tatsächlich die besagte „Handbreit“ über dem Boden treibt. Denn nur wenn der Köder wirklich hart am Grund entlang driftet, besteht die Chance auf einen Biss. Der Hecht ist im Winter sicher nicht gewillt, – quasi auf gut Glück – einen Meter hochzuschießen, um eine unbekannte Beute anzugreifen.
Per Windkraft
Aber nicht nur bei Strömung sind Hechte etwas aktiver. Wie gesagt: Seinen Jagdtrieb verliert der Räuber auch im Winter keineswegs völlig. Er muss nur ökonomischer mit seinen Attacken haushalten. Darum erlebt man bei klirrender Kälte auch vergleichsweise selten, dass ein Kunstköder von ein und dem selben Hecht mehrfach angegriffen wird. Nach einer Fehlattacke stellt er sich meist wieder ruhig am Grund ein, um sich von der Attacke zu erholen.
Fällt die Strömung als Antrieb aus, setze ich ganz auf die Windkraft. In diesem Fall ist die Segelpose das Mittel zum Zweck. Selbst wenn kaum Wind vorhanden ist, kann man den speziellen Schwimmer an vielen Stellen einsetzen. Unter Brücken zum Beispiel herrscht fast immer wenigstens etwas Zugluft. Für eine klassische Segelpose mit großem Segel reicht das völlig, um in wenigen Sekunden unter die Brücke hindurch zu driften. Das Manöver wiederhole ich auf verschiedenen Bahnen – mal mittig, mal dicht am Ufer. Dabei muss man auch schon mal etwas genauer loten, um den Köder in jedem Fall über Grund anzubieten.
In der Regel stehen die Räuber gar nicht mal an den tiefsten Stellen, wie es häufig behauptet wird, sondern am Rand. Kein Wunder, gibt es hier doch Deckung, Futterfische und Strömungsschutz gleichermaßen. Die Tiefe suchen Hechte ohnehin eher in großen Seen auf und weniger in Kanälen, wo es nicht so krasse Temperaturunterschiede gibt.
Die richtige Segelpose
Von der Platzwahl zur Technik: Es gibt die klassischen Segelposen mit unterschiedlichen Körpern, die man austauschen kann. Dadurch lässt sich die Montage an die verschiedenen Windbedingungen anpassen. Je stärker es weht, umso schwerer muss das Bleigewicht sein, welches das Segel aufrecht hält. Es darf keinesfalls auf das Wasser gedrückt werden! Bis zu 30 Gramm muss eine Segelpose an windigen Tagen tragen, um noch stabil aufgerichtet an der Oberfläche driften zu können.
Bläst eine richtig steife Brise, brauche ich einen anderen Schwimmer, der noch weniger umkippen kann. Jetzt sind Modelle mit viergeteilten Kunststoffsegeln gefragt. Leider haben die meisten Typen unnötig schwere Körper. Darum greife ich zu einer Anleihe aus einem ganz anderen Fach, nämlich dem Karpfenangeln. Die hier verwendeten Markerposen zeichnen sich häufig durch ein solches, viergeteiltes Segel aus. Das dient zwar nicht zum Driften, sondern um auf große Distanzen besser sichtbar zu sein. Aber es eignet sich perfekt
für den Hechtansitz. Hinzu kommt, dass diese Marker oft extrem schlank gebaut sind, um gute Wurfeigenschaften zu haben. Dankbarer Nebeneffekt: Dadurch spürt der Hecht beim Biss kaum Widerstand und nimmt die Beute, ohne zu zögern. Markerposen machen sich übrigens auch sehr gut bezahlt, wenn statt des Windes die Strömung für den Antrieb genutzt wird.
Stint gezupft
Eine weitere Methode, den Köfi raffiniert anzubieten, ist das Fischen an der freien Leine. Denn dabei spürt der beißende Räuber den geringsten Widerstand. Der Nachteil ist, dass diese Art der Hechtangelei stark von der Witterung eingeschränkt wird. Sowohl Wind
als auch Strömung können den Köder schnell unkontrolliert verdriften und damit die Bissanzeige schwierig machen.
Können, wohlgemerkt! Denn wenn man die Rute aktiv fischt, sieht es schon wieder ganz anders aus. Mit meinen langen Deadbaitruten, die 3,75 Meter messen, angle ich dann auch schon mal vertikal unter der Rutenspitze. Damit komme ich bis unter überhängende Bäume, direkt vor Bohlen und – je nach Bauart – sogar unter Brücken. In diesem Fall ködere ich den Stint einfach per Doppeldrillingssystem an. Gegebenenfalls klemmt noch ein Bleischrot vor dem Haken. Mit dieser Montage kann ich die heißen Stellen durch vertikales Zupfen absuchen. Zudem besteht die verlockende Möglichkeit, den Köder zwischendurch auch mal für einige Minuten ganz ruhig am Boden liegen zu lassen.
Für diese Art der Angelei brauche ich nicht unbedingt eine „schnelle“ Rute mit Spitzenaktion und dehnungsarmer Geflechtschnur auf der Rolle. Denn wenn ich einen Biss spüre, lasse ich den Räuber erst einige Meter abziehen. Ich setzte quasi einen verzögerten Anschlag, der dann fast immer sitzt.
Oft ist der Stint auch unschlagbar fängig, wenn er senkrecht unter der Rutenspitze abgelegt wird. Von Zeit zu Zeit lässt man ihn einen kurzen Sprung machen und legt die Rute dann einfach wieder ab. Glauben Sie mir: Das lässt auch einen trägen Winterhecht nicht kalt!
Geräte-Check
Rute: Deadbaitruten von Balzer, 3-teilig, 2,75 m, durchgehende Aktion.
Rolle: Zum Driften die Shimano Baitrunner Aero GTE; fürs Segelposenfischen die Daiwa Emblem 4500.
Schnur: Zum Driften die 0,35er Bullet XT Nash; fürs Segelposenfischen 0,28er Corastrong.
Posen: Fox System Floater; Chub Marker Float (festes Segel!).
Kleinteile: Duolockwirbel „Ron Thompson“, Pro Logic-Drillinge der Größe 6, längliche Gummistopper, Bleischrot-Sortiment und -kugeln um die 10 g.
Köder: Stinte, Rotaugen.