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Ein Wobbler lernt schwimmen

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Wobbler im Testbecken
Jetzt zählt147s: Läuft er gerade oder muß er gerichtet werden? Der Test bringt es an den Tag.
Kopierfräse
Eine moderne Kopierfräse bei der Arbeit: Jede Sekunde spuckt sie einen neuen Balsa-Wobblerrohling aus.

Was unterscheidet den Weihnachtsmann von vielen fängigen Wobblern? Vom weißbärtigen Gesellen geht nur die Mär, er habe seine Heimat in Finnland. Von den unwiderstehlichen Rapala-Kunstfischchen weiß man es. FISCH & FANG schaute hinter die Kulissen der weltweit größten Wobblerschmiede.

03/1999

By Frerk Petersen

„Ob Lauri Rapala noch immer an einem See hockt und mit dem Taschenmesser die Wobbler schnitzt?“, fragt mich mein Freund Thorsten schmunzelnd, als ich die Reise nach Vääksy in Finnland antrete. „Und schau ja nach, ob jeder Rapala wirklich in einem Becken getestet wird, wie sie in der Werbung behaupten.“

Thorstens erste Frage ist natürlich nicht ganz ernstgemeint, schließlich lebt der wobblerschnitzende Firmengründer schon seit vielen Jahren nicht mehr. Lauri Rapala ist mittlerweile Legende, seine Werkzeuge haben längst einen Ehrenplatz in der kleinen Museumsecke in der weltweit größten und traditionsreichsten Wobblerfabrik.

Die Antwort auf die Frage nach den Schwimmtests für jeden Wobbler hoffe ich irgendwo in den weißen Werkshallen zu finden – auf dem langen Weg, den jeder Rapala nimmt. Ein Weg, der für die meisten Wobbler des finnischen Vorzeige-Exportunternehmens auf einer Balsaholz-Plantage in Ecuador beginnt.

Balsaholz aus Ecuador

Ofengetrocknet kommen die Balken des Leichtholzes im Lager der Fabrik etwa 130 Kilometer nördlich von Helsinki an. Dort werden mehrere etwa einen Meter lange Balken zu langen Kanthölzern zusammengeklebt dann zu Brettern und anschließend zu Leisten gesägt die schließlich in den Kopierfräsen landen. Jede dieser kreischenden Maschinen spuckt praktisch im Sekundentakt einen Wobblerrohling aus – und jede Menge staubigen Balsapulvers das in der Absauganlage verschwindet.

Eine Halle weiter schlitzt man den Rohlingen den Bauch auf. In die „Wunde“ hinein kommt ein Drahtskelett das zuvor auf einer Wohnzimmerschrank-großen Maschine entstanden ist: abgespult von einer dicken Drahttrommel auf Länge gekürzt und immer wieder in die gleiche Form zurechtgebogen.

Je nach Wobblermodell ergänzen die finnischen Fabrikanten die mittlerweile weitere Fertigungsstätten in Irland und Estland betreiben noch ein Gewicht. Die zentnerschweren Paletten mit Rohbleibarren zeugen davon dass die kleinen Beschwerer hier millionenfach benötigt werden. Nächste Station des Balsa-Rohlings ist die Werkstatt der Lackierer. Durch ihr Reich wabert Lösungsmittelgeruch. Eine streng abgeschirmte Zone in die man Fremde zumal Journalisten nur nach viel Bettelei hineinlässt. Schließlich wüsste die Konkurrenz nur zu gern wie Rapala das ausgezeichnete Finish ihrer Produkte sicherstellt. Jeder Wobbler bekommt hier zunächst eine Grundierung verpasst. Danach werden Metallfolien aufgepresst und einfache Dekore per Airbrush aufgesprüht.

Fischdesign im Vierfarbdruck

Für die komplizierteren Farbmuster die den natürlichen Vorbildern häufig zum Verwechseln ähnlich sehen reicht die erfahrene Hand der Lackierer allerdings nicht aus. Ein Fall für die sogenannten Tampo-Drucker: Weiche Stempelflächen passen sich den Kurven der Wobbler an und im Vierfarbdruck entstehen täuschend echte Beutefisch-Imitate. Aber der angehenden Wobbler muss noch weitere Arbeitsschritte erdulden: Stahlbürsten rubbeln die dichtlackierten Ösen wieder frei Minifräsen schaffen Platz für die Tauchschaufeln. Sowohl die Tauchlippen aus Metall für die großen sinkenden Modelle als auch die Plastikausführungen werden nun eingeklebt. In der Endmontage schließlich bestücken die überwiegend weiblichen Beschäftigten bei Rapala die kleinen Fischverführer mit hochwertigen Mustad- oder VMC-Drillingen.

Und nun lernt ein Rapala tatsächlich noch in Finnland das Schwimmen: An kurzen Stöcken wird jeder einzelne Köder durch ein Testbecken hin- und herbewegt. Läuft er nicht gerade biegt man die Tauchschaufel oder die Kopföse einfach etwas zurecht. Erst wenn er Richtung hält wie Millionen seiner Vorgänger ist er reif für den Versand. Mittlerweile werden weit mehr als 50 Länder beliefert. Ob in Singapur Brasilien Ägypten oder Alaska: Millionen von Anglern vertrauen den Verführungskünsten von Rapala-Wobblern.

Testangler in aller Welt

Um stets ein Ohr am Pulsschlag der Petri-Jünger zu haben, werden weltweit knapp 200 Testangler mit Ködern bedient. Deren Erfahrungen und Vorstellungen fließen in die Entwicklung neuer Modelle ein. Ihnen ist es auch zu verdanken, dass das Unternehmen mit der Tradition gebrochen hat, Wobbler ausschließlich aus Balsa zu fertigen.

Alle Modelle, in deren Bauch Rasselkugeln aus Stahl lärmen (etwa Rattlin Rapala oder Husky Jerk), bestehen aus einem hohlen Kunststoffkörper – der Resonanz wegen, versteht sich. Und da die Fertigungsgenauigkeit bei Kunststoff höher ist als beim Naturprodukt Holz, müssen sie nicht mehr alle ins Becken. Dass die „Schwimmlehrerinnen“; entlang der Becken nun arbeitslos werden, das glaubt in Vääksy niemand. Wobbler aus Balsa werden hier wohl noch lange so gefertigt, wie sie Lauri Rapala einst schnitzte.

Foto: Frerk Petersen

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