Seit Herbst 2007 fließt Wasser durch das Umgehungsgerinne für Fische in Randersacker bei Würzburg. Im Hintergrund das Wasserkraftwerk des Stromkonzerns e.on. Foto: Pat Christ |
Christoph Häfner (im Vordergrund) untersucht sowohl an der Fischtreppe als auch am Umgehungsgerinne, wie viele Fische welcher Art zu welchen Zeiten mit den Wanderhilfen den Aufstieg schaffen. Foto: Pat Christ |
Die Main-Fischer sind erleichtert: Die EU-Verordnung zum Schutz des Aals kommt ohne Fangverbote aus.
14.04.2008
Am Wasserkraftwerk des Stromkonzerns e.on in Randersacker bei Würzburg gibt es seit Herbst 2007 ein 1.300 Meter langes Umgehungsgerinne für Fische, die zum Main aufsteigen wollen. Eine halbe Million Euro investierte der Freistaat in das Pilotprojekt. Über das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) wird e.on für den Wasserverlust entschädigt. Von welchen Fischarten das Gerinne zu welchen Zeiten angenommen wird, untersucht seit Anfang April Christoph Häfner, Student der Tierökologie an der Uni Würzburg. Anfang April wurde die Fischreuse im Wassereintrittsbereich in Betrieb genommen. Bis Spätsommer 2008 will der 29-jährige Angler und Fischfreund täglich die eingefangenen Fische zählen. Gleichzeitig ist noch bis Jahresende eine Reuse an der alten Fischtreppe direkt am Kraftwerk in Betrieb, die ebenfalls von Häfner kontrolliert wird. Die vor mehr als 50 Jahren gebaute Treppe wurde laut Dr. Wolfgang Silkenat, Leiter der Fischereifachberatung des Bezirks Unterfranken, nie gut angenommen. 2009 soll sie stillgelegt werden. Silkenat hofft, durch Häfners Diplomarbeit zeigen zu können, wie viel sinnvoller Umgehungsgerinne sind. Das Gerinne, ist Silkenat sicher, wird vor allem dem Aal helfen. Der Main, der an Kulmbach, Bamberg, Würzburg und Aschaffenburg vorbeifließt, ist das wichtigste Aalgewässer in Bayern. Allerdings: Im Vergleich zu 1980 kommen höchstens noch fünf Prozent der damals von der Sargasso-See an den Main wandernden Aale in Bayern an. Was sich heute im Main tummelt, stammt vorwiegend aus – teuren – Besatzmaßnahmen. Anlass genug für den Fischereiverband Unterfranken, mit der Europaabgeordneten Dr. Anja Weisgerber (CSU), die an der EU-Verordnung zum Schutz des Aals mitstrickte, über die aktuelle Situation zu diskutieren. Für Weisgerber ist die EU-Verordnung vom September 2007 ein „Riesenerfolg“. Vertreter des Fischereiverbandes sind hingegen weniger euphorisch, ihnen geht die Verordnung nicht weit genug. Zum Beispiel mit Blick auf die boomenden Glasaal-Exporte gen Asien. 500 Millionen Glasaale wurden seit 1995 nach Asien exportiert. Der Export wird künftig keineswegs unterbunden. Lediglich reduziert. Bis zu 40 Prozent der an Europas Küste gefangenen Jungaale, kritisiert Eduard Michel, Obmann der Angelfischer im Unterfränkischen Fischereiverband, dürfen von 2013 an weiterhin nach Asien ausgeführt werden. Wobei der Export der Glasaale nach Asien nur eines von vielen Problemen darstellt, die zur dramatischen Reduzierung des Aals in Europas Gewässer führten. Ohne die Wasserkraftwerksbetreiber in der EU kann Aal-Schutz nicht erfolgreich sein. Der Aal, der von der Sargasso-See nach Europa wandert, ist auf Umgehungsgerinne und Fischtreppen an Turbinen angewiesen.
Hälfte der Aale stirb durch Wasserkraft
Für Weisgerber hat ein Projekt des Kraftwerksbetreibers e.on in Randersacker bei Würzburg Pilotcharakter. E.on ließ den Bau eines Umgehungsgerinnes zu, nachdem der Konzern, so Dr. Wolfgang Silkenat, Leiter der Fischereifachberatung des Bezirks Unterfranken, ausreichend entschädigt wurde. Ohne fast schon fürstliche Entschädigung läuft bei den Kraftwerksbetreibern allerdings wenig. Auch das Randersackerer Vorzeigeprojekt konnte erst nach reichlich Gerangel realisiert werden. Entschädigungszahlungen werden wohl auch erst fließen müssen, bevor Kraftwerksbetreiber bereit sind, die Wehrtrommeln der Turbinen zur Wanderungszeit der Blankaale im Oktober und November zu öffnen. Laut Silkenat wäre eine Öffnung von zehn Zentimetern ausreichend.
Prinzipiell ist es möglich, Aale an den Turbinen vorbei unter einer Wehrtrommel hindurch ins Unterwasser umzuleiten. Dies zeigte Manfred Holzner in seiner Dissertation, die er im Jahr 2000 bei der Technischen Universität München einreichte. Holzner untersuchte die Schädigung von Fischen bei der Passage des Mainkraftwerks Dettelbach im Landkreis Kitzingen. 1998 wurde die Wehtrommel dort erstmals geöffnet. Wie wichtig es für den Aal-Schutz in Bayern ist, den Main durchlässiger zu machen, zeigte Professor Reiner Knösche vom Institut für Binnenfischerei in Potsdam-Sacrow auf. Allein in Unterfranken muss der Blankaal auf seiner Wanderung 28 Anlagen überwinden – ein schier unrealisierbares Unterfangen. Sterben doch an Wasserkraftwerken rund die Hälfte aller abwandernden Aale. Wird die EU-Verordnung hier wirklich helfen? Sie habe keinen Einfluss auf die Umsetzung, betont die EU-Abgeordnete Weisgerber. Die Rechtsanwältin will abwarten, was die Management-Pläne bringen: Bis zum Jahresende müssen sie bei der EU eingereicht sein. Die Mitgliedsstaaten sind jeweils dafür verantwortlich, welche konkreten Maßnahmen in das Strategiepapier hineingeschrieben werden. Schließlich lauern in jedem Land andere Gefahren für den Aal. In einigen Ländern dominiert das Problem der Überfischung von Glas-, Gelb- und Blankaal, in anderen gingen Aal-Lebensräume verloren. Zu den Gründen, warum der Aal zum Rote Listen-Tier wurde, zählen ferner: Klimatisch-ozeanische Faktoren, Krankheiten wie EVEX und HVA, Parasiten wie Anguillicola crassus, Verschmutzung durch PCBs und dioxinartige Substanzen sowie angestiegene Prädation durch Kormorane.
Ziel der Management-Pläne ist es, die Rückwanderung von mindestens 40 Prozent der Biomasse adulter Aale zum Meer sicherzustellen. Ab 2009 müssen die Pläne umgesetzt werden. Geschieht dies nicht, drohen strikte Fangverbote. Alle drei Jahre sind überdies Situationsberichte zu erstellen. Dazu muss geschätzt werden, wie viele Aale tatsächlich abwandern und wie viele Aale unter 12 Zentimeter gefangen werden. Um ein Ausufern der Preise für Glasaale zu verhindern, will die EU den Markt beobachten. Nach Aussage von Fischer Eduard Michel explodierten die Preise in den vergangenen Jahren. Wurden vor zehn Jahren noch 30 Euro pro Kilo verlangt, müssten heute bis zu 700 Euro hingeblättert werden. -Pat Christ-