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Graue Suppe: Oste bei Zeven mit Bentonit verunreinigt

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Bentonit in der Oste: Die Gewässerwarte der Angelvereine Weertzen und Heeslingen konnten dieses Bild am 12. August 2024 aufnehmen. Bild: privat
Bentonit in der Oste: Die Gewässerwarte der Angelvereine Weertzen und Heeslingen konnten dieses Bild am 12. August 2024 aufnehmen. Bild: privat

Der Anglerverband Niedersachsen (AVN) befürchtet weitreichende ökologische Schäden. Eine Havarie bei Bohrungen an der Erdkabelleitung Südlinktrasse führte Anfang der Woche zu einer massiven Verunreinigung der Oste.

Damit wurde Niedersachsens wertvollster Lachsfluss am Jahrestag des großen Fischsterbens 2023 erneut stark geschädigt. Der AVN spekuliert: Hat Bauherr TenneT sich über einen Baustopp hinweggesetzt und weitere Schäden an der Gewässerökologie vorsätzlich in Kauf genommen?

Im Bereich einer Baustelle der Südlink-Stromtrasse kam es seit Montag zum Eintrag großer Mengen Bentonit, das die sonst so klare Oste zwischen Weertzen und Brauel im Landkreis Rotenburg (Wümme) auf über 15 km Länge in eine graue Brühe verwandelte. Das tonartige Mineral Bentonit wird unter anderem bei Horizontalspülbohrungen verwendet, mit denen die großen Stromkabel des Südlink eigentlich umweltschonend tief unter Flüssen hindurchgeführt werden sollen. Unter noch nicht geklärten Umständen kam es dabei über viele Stunden zu einem sog. Ausbläser, einem unkontrollierten Austritt des Bentonit-Wasser-Gemischs in die Oste. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich offenbar schon am 31.07.24 – dem wurde jedoch offenbar nicht ausreichend Beachtung geschenkt.

Angler schlagen Alarm

Den aufmerksamen ehrenamtlichen Gewässerwarten der Angelvereine in Weertzen und Heeslingen ist es jetzt zu verdanken, dass die Havarie am Montag überhaupt entdeckt und die Polizei, die Wasserbehörde und der Anglerverband Niedersachsen (AVN) unverzüglich alarmiert wurden.

Weitere Einleitungen vorsätzlich in Kauf genommen?

Am Dienstagmorgen verordnete die Wasserbehörde schließlich einen Baustopp. Dem wurde jedoch erst nach eindringlicher Intervention der Angler und erst am Nachmittag des gleichen Tages Folge geleistet. Nun ist die Firma Tennet als Bauträger gefordert, eine umfangreiche Schadensbewertung zu erstellen und ein Sanierungsgutachten vorzulegen.

Der Grund der Oste - ein Laichgewässer für seltene Wandersalmoniden - ist mit grauem Schlamm bedeckt. Bild: privat
Der Grund der Oste - ein Laichgewässer für seltene Wandersalmoniden - ist mit grauem Schlamm bedeckt. Bild: privat

Glibberige Ablagerungen am Gewässergrund

In strömungsberuhigten Bereichen fanden die Angler glibberige Überlagerungen des Sediments, verursacht durch das Bentonit. „Wir können noch nicht abschätzen, wie groß der Schaden an der Gewässerökologie und dem Fischbestand ist“, so Ralf Gerken, Naturschutzexperte beim AVN und Kenner der Oste. Er befürchte Beeinträchtigungen der Gewässersohle, insbesondere der Kiessubstrate. Die seien überlebenswichtig für zahlreiche bedrohte Fischarten, wie Lachs und Meerforelle und die Neunaugen, die darin ihre Eier ablegen. „Dank der jahrzehntelangen Artenschutzbemühungen unserer Vereine ist die Oste Niedersachsens Lachs- und Meerforellenfluss Nr. 1. Dass sie nach dem großen Fischsterben im August 2023 jetzt noch einmal geschädigt wurde, ist dramatisch.“ Im Uferbereich entdeckten die Angler Jungfische und Fischbrut, an deren Körpern sich gräuliche Ablagerungen festgesetzt haben. Ein Fachgutachten soll jetzt schnellstens prüfen, ob beispielsweise die Fischnährtiere, also Insektenlarven, Krebse und Muscheln, Schaden genommen haben, die eigentlich zu Tausenden den Gewässergrund bevölkern. Die Wasserbehörde des Landkreises Rotenburg hatte Wasserproben genommen, die derzeit ausgewertet werden.

Graue Suppe treibt weiter flussabwärts

Die Trübung hat sich am Mittwochmorgen im Bereich von Zeven weitgehend verdünnt. Am Mittag des gleichen Tages erreichte die graue Suppe Rockstedt, etwa 10km flussab von Zeven. Auch wenn Bentonit nicht giftig ist, können starke und länger anhaltende Konzentrationen zu Fischsterben führen, Kiemenschäden verursachen, Makroinvertebraten töten und wertvolle Lebensraumstrukturen schwer und nachhaltig schädigen. Die Behauptung von TenneT, dass Bentonit im Gewässer vollkommen unschädlich sei, ist vor diesem Hintergrund eine Verharmlosung.

Fraglich ist noch, ob es Beimischungen gab, die ebenfalls ins Gewässer gelangt sind. „Wir hoffen, dass sich die ökologischen Schäden in Grenzen halten“, erklärt Ralf Gerken. „Aber es muss dringend und mit aller Konsequenz geklärt werden, ob und in welchem Ausmaß die Baufirma verantwortlich ist für diese Katastrophe und warum sie dem behördlich verordneten Baustopp nicht unmittelbar gefolgt ist“, fordert der Vertreter vom Anglerverband. Die Polizei hat ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung eingeleitet.

-Pressemitteilung Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN)-

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