Auch hochmoderne und vermeintlich schonendere Wasserkraftwerke schädigen die Ökosysteme von Flüssen erheblich.
Das zeigt eine Studie von Prof. Jürgen Geist vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie an der TUM School of Life Sciences, die in der Zeitschrift „Journal of Applied Ecology“ veröffentlicht wurde. Geist untersuchte mit seinem Team an fünf Standorten in Bayern die Veränderungen der komplexen Lebensgemeinschaften in Flüssen vor und nach dem Einbau von Wasserkraftwerken. Dabei wurden nicht nur die Fische, sondern vor allem auch Kleinstlebewesen, Wasserpflanzen und Algenbewuchs betrachtet.
Viele negative Folgen
An allen Standorten seien signifikante Unterschiede der Lebensbedingungen festzustellen gewesen, betont Geist. Dies betreffe sowohl die Situation oberhalb und unterhalb der Kraftwerke also auch vor und nach dem Einbau. „Anders als erhofft und von den Betreibern auch prognostiziert, haben die neuen Kraftwerkstypen die Habitatbedingungen für strömungsliebende Arten nicht verbessert“, konstatiert der Biologe. Besonders die Nachrüstung bestehender Wehre in Verbindung mit weiteren Aufstauungen hätten negative Auswirkungen.
Wasserkraftwerke: Erhebliche Schädigung von Fischen
„Bereits bei der Planung künftiger Anlagen müssen zusätzlich zur Frage der zum Teil erheblichen Schädigung von Fischen bei der Passage von Wasserkraftanlagen, auch die bisher vernachlässigten Auswirkungen auf den Lebensraum und das Nahrungsnetz berücksichtigt werden. Es geht dabei um die ökologische Durchgängigkeit und Verbindung von verschiedenen Flussabschnitten als wichtiges Kriterium für gesunde Flusssysteme“, sagte Geist. Die Anforderungen sind in der EU Wasserrahmenrichtlinie definiert.
Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit als wichtige Kriterien
Dämme und Wehre hätten ohnehin negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt, was durch bestimmte Kraftwerkstypen noch einmal verstärkt werde. Der Biologe nannte insbesondere die Standorte Großweil und Au. Dort habe etwa die Anhebung des Stauziels die Zahl der Larven von Eintagsfliegen, Steinfliegen und Köcherfliegen im wehrnahen Oberwasserbereich signifikant reduziert. „Die Erhöhung der Wassertiefe und die Reduzierung der Fließgeschwindigkeit in flussaufwärts gelegenen Bereichen verringert den Austausch von sauerstoffreichem Wasser mit dem sogenannten Kieslückensystem am Gewässerboden, einem wichtigen Lebensraum für viele Organismen, was insbesondere bei anspruchsvollen Kleinlebewesen zu einem geringeren Vorkommen führt.“
Die Studie wurde an fünf verschiedenen Flüssen in Bayern durchgeführt. An allen Standorten waren vor Beginn der Untersuchungen bereits verschiedene Typen von Querbauwerken ohne Wasserkraftnutzung vorhanden. Von 2014 bis 2020 wurden dort sogenannte innovative Wasserkraftanlagen eingebaut. An den Untersuchungsstandorten Au und Großweil (Iller und Loisach) wurden dabei die bestehenden Wehre durch neue Wehre ersetzt, während an den Untersuchungsstandorten Heckerwehr, Eixendorf und Baierbrunn (Roth, Schwarzach, Isar) keine Veränderungen an den bestehenden Wehren vorgenommen wurden und der Oberwasserspiegel gleichblieb.