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Aalwanderung über die Autobahn

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Michael Meyer (links) und Peter Uslar (Bezirksleiter des Landessportfischerverband Niedersachsen e.V. für den Bereich Mittlere Weser) entlassen Aale in die Weser im Bereich der Leeseringer Fähre. Mehr als 250.000 Aale besetzt der Angler-Verein Nienburg e.V. pro Jahr. Bezahlt aus eigenen Mitteln und finanziell gefördert durch das Land Niedersachsen und die EU. Die Fische sollen dazu beitragen, die Population des in ganz Europa stark bedrohten Aals im Flusssystem der Weser zu stützen. Bild: Florian Möllers/AVN

Der Anglerverband Niedersachsen hilft Aalen, Hindernisse auf ihrer natürlichen Wanderroute zu umgehen. Am 2. und 3. Juli 2021 kommen mehr als 110.000 Jungfische der vom Aussterben bedrohten Art nach Niedersachsen.

Der Aal war einst wichtiger Kultur- und Brotfisch in Norddeutschland. Doch versperren Wasserkraftwerke und Stauwehre jungen Aalen den Aufstieg von der Nordsee bis in unsere Flüsse und Bäche. Der Anglerverband Niedersachsen (AVN) koordiniert Bemühungen, den Wanderfisch in Niedersachsen trotzdem zu erhalten. Im Rahmen des niedersächsischen Aalförderungsprogramms werden jährlich Jungtiere in Frankreich gefangen, per LKW an Hindernissen vorbei transportiert und dann im Verbandsgebiet wieder ausgesetzt. Das Unterfangen ist aufwendig und spielt nur auf Zeit. Langfristig müssten die Gewässer wieder durchgängig gemacht werden, um ein deutschlandweites Aussterben zu verhindern. Am 02. und 3. Juli werden die jungen Aale mit Unterstützung der Angelvereine in Niedersachsen in ihre neuen Heimatgewässer ausgesetzt.

Weltenbummler auf Abwegen

Würden Sie quasi der Liebe wegen mehr als 5.000 Kilometer wandern? Der Aal tut dies. Er schwimmt aus unseren Flüssen durch den Atlantik bis in die ferne Sargassosee südlich von Florida. Denn der schlangenförmige Fisch laicht nirgendwo sonst, außer in der Nähe der Bermudas und das dazu auch noch immer um den Valentinstag herum. Ein echter Romantiker also! Sein Nachwuchs ist nicht weniger erstaunlich. Die kleinen Larven machen sich gleich nach dem Schlupf auf den Weg nach Europa. Zwei bis drei Jahre lassen sie sich vom Golfstrom treiben. An den europäischen Küsten angekommen wandeln sich die weidenblattförmigen Jungtiere dann zu Glasaalen. Normalerweise wandern diese durchsichtigen Minifischlein dann die Flüsse und Bäche herauf, wo sie zu stattlichen Gelbaalen heranwachsen. Doch seit einiger Zeit nimmt die Reise der Glasaale an Europas Küsten ein jähes Ende. Wasserkraftwerke und Wehre versperren den Streichholz-kleinen Fischkindern den Weg flussauf.

Damit nicht genug, werden zig Millionen von ihnen für den illegalen Export nach Asien gefangen – ein lukratives Geschäft, liegt der Marktpreis für das kg Aal doch oft genug über dem von Elfenbein oder Kokain.

Um dafür zu sorgen, dass in Norddeutschlands Flüssen trotzdem noch Aale vorkommen, koordiniert der AVN ein besonderes Programm: Glasaale werden in Frankreich von zertifizierten Fischereibetrieben gefangen und dann per Lastwagen an allen Hindernissen vorbei bis nach Niedersachsen gefahren. Dort werden sie von Angelvereinen wieder in die Freiheit entlassen. Die Kosten übernehmen zu 60% die EU und das Land Niedersachsen. Den Rest stemmen die Anglerinnen und Angler aus der Vereinskasse. Die ganze Aktion läuft im Rahmen des niedersächsischen Aalförderungsprogramms seit 10 Jahren.

Vom Brotfisch zur bedrohten Art

Ralf Gerken ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim AVN und kümmert sich um den Aalbesatz für 150 engagierte Angelvereine. Er weiß: Dem Aal geht es schlecht. Im Zeitraum von 1980 bis heute hat die Zahl natürlich aufsteigender Glasaale in Deutschland um ca. 90% abgenommen. Oder in Geschichten ausgedrückt: Orte wie das niedersächsische Fischerhude erlangten früher durch bombastische Aalvorkommen großen Wohlstand. Im 18 Jahrhundert landeten jährlich über 50.000 Aale in den Fischernetzen. Der Überfluss war so groß, dass auch solche Entnahmezahlen den Bestand nicht bedrohlich schmälern konnten. Heute werden in dem Fischerdorf bei Bremen noch maximal 150 Aale pro Jahr gefangen.

Aale werden geschreddert

Gründe für den Rückgang gibt es einige. Zum einen sind Auenlandschaften und Nebenarme von Flüssen durch den Verbau der Landschaft als wichtiger Lebensraum verlorengegangen. Dazu werden die wenigen verbleibenden Flüsse durch Wehre und Wasserkraftanlagen für Wanderfische unpassierbar und teils sogar zur Todesfalle. Ralf Gerken erklärt: „In den Turbinen vieler Stromerzeuger werden jährlich unzählige Aale und andere bedrohte Fischarten regelrecht geschreddert oder so stark verletzt, dass sie ihre Wanderung nicht schaffen. Darum spricht der AVN sich gegen Wasserkraftwerke aus. Energie aus Wasserkraft ist nicht grün, sondern blutrot!“

Nur eine Übergangslösung

Gerken ist mit Herzblut bei der Sache, sieht seine Bemühungen aber dennoch kritisch. Er erklärt: „Aalbesatz ist nur eine von drei Säulen der EU-Aalverordnung. Die Reglementierung des Aalfangs und die konsequente Verfolgung von Aal-Schmugglern ist ein weiterer Baustein. Doch sind das nur Symptombehandlungen. Die dritte Maßnahme, nämlich die Schädigungsraten der vom Aussterben bedrohten Tiere durch Wasserkraft zu minimieren, wird von der Politik viel zu halbherzig bis gar nicht angegangen.“ Zudem würde es immer noch zu viele nicht funktionsfähige Fischtreppen geben, die für den Laien vielleicht nach Fischschutz aussähen, von Wanderfischen aber nicht genutzt werden könnten. Der AVN-Biologe und sein Team hoffen, dass sich das bald ändert: Damit Aale wieder alleine durchs Wasser und nicht über die Straße mit Hilfe von Menschen zu ihren ureigenen Lebensräumen gelangen können.

-pm-

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