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Jan Eggers erzählt, Teil 3

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Jan Eggers (rechts) und Fred Buller mit einem Präparat des berühmten Weltrekord-Hechtes von Lothar Louis. Bilder: Jan Eggers

Im dritten Teil seiner Serie berichtet Jan Eggers über Fred Bullers Erbe, das er mit Stolz und Ehrfurcht angetreten hat.

Am 16. Februar wird es vier Jahre her sein, dass mein guter Freund und großes Vorbild, der Angel-Historiker und Großhecht-Professor Fred Buller mit 89 Jahren verstorben ist. Heute vermissen ich Fred mehr, als in den Jahren zwischen 1980 und seinem Tod, in denen wir sehr regelmäßigen Kontakt hatten.

Inzwischen bin ich durch meine Parkinson-Erkrankung viel mehr ans Haus gebunden, ich kann nicht mehr Hechtangeln gehen. Jetzt habe ich die Zeit Freds Bücher mit kritischen Augen und meinem heutigen Wissen wieder durchzulesen. Neben diesen Bestsellern habe ich 2011 noch etwas Besonderes von Fred geerbt: Einen Pappkarton mit Kopien unserer Korrespondenz zwischen 1980 und 2011. Wenn ich die ersten handgeschriebenen Briefe mit neuen Hechten für die europäische Big Pike Liste betrachte, erinnere ich mich an die Diskussionen mit Fred.

Jans Schreibtisch: Links die Schachtel mit dem Buller-Eggers-Briefwechsel.

Je länger ich mich mit dem Aufspüren von hochschwangeren Hechtgroßmüttern beschäftigt habe, desto mehr begriff ich den Zusammenhang von Gewicht, Länge, Bauchumfang, Jahreszeit, Breitengrad, Gewässertyp und weiteren Faktoren. Über diese Themen tauschte ich mich regelmäßig mit Fred aus, das hielt den Verstand wach.

Viele neue Daten für ein neues Buller-Buch

Im Januar 1980 schickte Sandy Leventon, damals Chefredakteur der Zeitschrift “Angling”, mir ein Exemplar von “The Domesday Book of Mammoth Pike”. Es ist für mich immer noch das beste, schönste und interessanteste Hecht-Buch. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass inzwischen sehr hohe Preise für ein antiquarisches Exemplar bezahlt werden.

Links der erste Brief, den Jan Eggers an Fred Buller geschrieben hat, rechts die Antwort aus England.

Nach dem Lesen dieses Buches stieg meine Bewunderung für die Detektivarbeit von Mr. Buller und ich schickte einen Brief an seine Adresse, die vorne im Buch vermerkt war. Wer Infos über Hecht von über 35lb hatte, wurde so freundlich gebeten, diese an Fred zu schicken. Angaben über ungefähr 30 Kapitale, vor allem aus alten FISCH & FANG-Ausgaben, packte ich in die Post. Ich schrieb dazu, dass ich die englischen Gewichts- und Längenangaben in Unzen, Pfund und Zoll doch sehr mühsam fand, und Umrechnungen schnell ungenau werden.

Auch bat ich darum, die Namen der Gewässer, wo möglich, übersetzen zu dürfen. Aus Stausee wurde reservoir, aus Teich pond und aus Fluss wurde river. Persönlich bin ich dafür, die ursprünglichen Maßeinheiten und Namen zu verwenden, das verringert Fehler und Missverständnisse. Leider konnte Fred dem nichts abgewinnen, die Daten der neuen “Big Pike List of Europe” in den originalen Angaben zu veröffentlichen, typisch englisch, denke ich noch immer.

Jede Menge solcher Großhechtfotos schickte Jan Eggers zu Fred Buller nach London.

Nachdem wir uns telefonisch länger über viele Aspekte des Großhecht-Phänomens ausgetauscht hatten, fühlten wir beide die Notwendigkeit, uns einmal zu treffen. Zu allererst musste die Großhechtliste für sein neues Buch  “Pike and the Pike Angler” zusammengestellt werden. Wir mussten uns einigen, ab welchem Minimumgewicht Hechte in die europäische Liste aufgenommen werden sollten. Anfang Januar 1981 fuhr ich mit einem bleischweren Koffer voller Angelzeitschriften, Katalogen und Büchern mit Angaben über Megahechte nach London und begann mit der Arbeit.

Glaubwürdigkeit und die schönste Belohnung

Wir trafen uns in Freds Angel- und Jagdgeschäft “Chubbs of Edgware” und fingen gleich an, meinen Koffer auszupacken. Fred war richtig enthusiastisch über die vielen Fotos und hunderten Daten, die wir nach Gewicht ordneten, um sie in die neue “Big Pike List of Europe and North America” aufzunehmen.

Fred Buller (rechts) mit seinem Sohn Bruce im Angelladen in Amersham.

Wirklich “a hell of a job”! Damals gab es noch keine Computer und auch das Umrechnen der Gewichte und Längen kostete jede Menge kostbare Zeit. Um 17 Uhr am Samstagnachmittag war die Arbeitswoche zu Ende und ich schaute erstaunt zu, wie Fred jedem seiner Mitarbeiter den Wochenlohn in bar auszahlte. Danach wurden alle Fenster mit Luken und schweren Schlössern verrammelt, vor alle Türen wurden schwere Riegel geschoben. Vorschrift von Polizei und Versicherung, er hatte ja auch Feuerwaffen im Angebot.

Danach haben wir meinen Koffer eingeladen und fuhren 45 Minuten zu Freds Haus Hollytree in Great Missenden, wo auch der Schriftsteller Roald Dahl in der Nähe wohnte. Fast bei Freds Haus angekommen, stoppten wir an einem kleinen Laden, in dem es alles zu kaufen gab. Fred ging hinein und kam schnell wieder mit einer Papiertüte zurück, mit einem Inhalt, den er schwer tragen musste. Nun begriff ich, warum er mich gefragt hatte, was ich von Rotwein halte…

Jan Eggers (links) und Fred Buller beim Zusammenstellen der Großhecht-Liste.

Er stellt mich seiner Frau Pauline und der jüngsten Tochter Ruth vor. Es wurde ein geselliger und informativer Abend, den ich nicht schnell vergessen sollte. Am folgenden Sonntag haben wir bis 20 Uhr durchgehend an der neuen Europa-Liste gearbeitet. Um auf diese Liste zu kommen, musste ein Hecht minimal 18 Kilo = 39 lb 11 oz wiegen. Jeden Hecht von 17,5 Kilo, der bereits in der Nordeuropäischen Liste im Domesday Book auf Seite 276 erwähnt wurde, haben wir auch noch mit aufgenommen.

Vom ersten Moment als ich die “Big Pike List” im Domesday Book sah, habe ich meine Zweifel gehabt, und habe sie immer noch, was die Glaubwürdigkeit der Hechtgewichte auf den Plätzen 1 bis 10 anbelangt. Fred konnte mir großartige Geschichten darüber erzählen, aber ich glaube nicht, dass irische Hechte 40 Kilo schwer werden können.

Als 2019 ein Hecht gemeldet wurde, der Richtung 30 Kilo ging, hatte ich gleich Fragen zur Waage, zum Wiegevorgang und zu den Zeugen. Fred war der Meinung, wenn ein Fang eines Großhechtes in einem Buch oder einer Zeitschrift publiziert worden war, konnte er auch in unsere Liste aufgenommen werden. Oft haben wir über diese Materie noch diskutiert und ich betrachte Hechte aus den Jahren vor 1940 mit dem notwendigen Argwohn. Im Zweifel nehme ich diese Fische nicht in die Liste auf.

Im Frühjahr 1982 kam “Pike and the Pike Angler”, kurz Pike II genannt, heraus und im Juni 1982 erhielt ich von Fred die Luxus-Ausgabe No. 13 mit einer großen Überraschung darin. Neben der handgeschriebenen Widmung von Fred stand auf Seite 4: “For Richard Walker, Hugh Falkus and Jan Eggers”. Ich fühlte mich sehr geehrt, im gleichen Atemzug mit diesen Ikonen der englischen Angelfischerei genannt zu werden. Ich hätte mir keine bessere Belohnung wünschen können.

Durch dieses Buch mit Fred Bullers Widmung begann Jans Leidenschaft für Großhechte.

Jede Menge Kapitale und wertvolle internationale Kontakte

Als Pike II erschienen war, hatten wir etwas weniger Druck, neue Großhechtdaten zu sammeln. Ich weiß, es ist eine nie endende Arbeit, ich kann das mit ein paar Zahlen belegen. Im Domesday book finden wir die Angaben von ca. 300 Hechten schwerer als 16,2 kg. In Pike II hat allein die englische Liste  252 Hechte über 16,2 kg = 35 lb. In der europäischen/amerikanischen Liste stehen 190 Hechte, jeder mit einem Gewicht von mehr als 18 kg.

Noch eine interessante Zahl: Von diesen 190 Kapitalen stammen 85 aus FISCH & FANG.  Inzwischen sind wir 38 Jahre weiter und noch immer sammele ich Daten von 18 kg+ Hechten. Wie viele das inzwischen genau sind, weiß ich nicht, ich schätze die Zahl auf 1.150 Fische. Damit könnte ich so einige Bücher vollschreiben…

Fred Buller (Mitte) mit den Angelberühmtheiten Richard "Dick" Walker (links) und Pete Thomas.

Nach der Veröffentlichung von Pike II habe ich mich zusammen mit Fred mehr mit dem Knüpfen sozialer Kontakte in der englischen Angelszene beschäftigen können. Ich habe darüber bereits in Begegnungen 2 und 3 geschrieben. Als ich diese Artikel erneut gelesen habe, entdeckte ich, dass ich so einiges nicht erwähnt hatte. Dabei denke ich vor allem an die interessanten Diskussionen mit Dick Walker, Hugh Falkus und Fred über die großen Unterschiede der Angelei in England und auf dem Kontinent. Dass man mit Kunstködern auch richtig große Hechte fangen kann, wurde nämlich von den Herren bezweifelt. Zum Glück hatte ich noch einige Berichte und Fotos dabei, die mir Recht gaben. Dick und Fred äußerten die Idee, dass ich doch einmal darüber in englischen Angelzeitschriften schreiben solle, und nahmen Kontakt mit Chefredakteur Colin Dyson und mit Vic Bellars auf, dem Präsident des englischen Hechtclubs PAC.

Fred Buller bewahrte seine komplette Korrespondenz sehr sorgfältig auf.

In der Folgezeit pendelte ich regelmäßig zwischen meinem Wohnort Bovenkarspel und Freds Wohnung in Little Missenden hin und her. Bei einem Abendessen nach einem Jagdausflug erhielt ich von Fred Taylor den passenden Spitznamen “The Pike Ferret”, das Hechtfrettchen (Anm.: Taylor hat über die Baujagd mit Frettchen sogar ein Buch geschrieben). Dass dieser Beiname Ende 1984 der offizielle Name meines Einmannbetriebes werden sollte, wusste ich damals noch nicht.

1984 war ein denkwürdiges Jahr für mich. Am 10. März 1984 gründete ich mit ein paar bekannten Hechtanglern wie Bertus Rozemeijer und Hugo Martel den niederländischen Hechtclub SNB. Kaum einen Monat später, vom 4.-6. April, hielt ich auf dem Internationalen Musky-Symposium in LaCrosse, Wisconsin, USA, einen Diavortrag über Europas Großhechte. Dort bekam ich die Idee, als freier Berater und Angeljournalist mein tägliches Brot zu verdienen.

Zurück aus den USA habe ich einen Business-Plan gemacht, der von der Industrie- und Handelskammer, von Fred Buller und meiner Frau grünes Licht bekam. Ich reichte in der Kunststoff-Firma meine Kündigung ein und per 1.1.1985 wurde die Firma “The Pike Ferret” Realität.

Jan Eggers schrieb Artikel über Riesenhechte für Angelzeitschriften auf der ganzen Welt.

Fred hatte mir sechs Wochen vorher schriftlich mitgeteilt, dass ich mich bei der Erfassung von Großhechtfängen als seinen natürlichen Nachfolger sehe. Für mich bedeutete diese Mitteilung, dass ich in allerlei Zeitschriften und Bücher die Liste in Kilos und Zentimetern veröffentlichen konnte. Eine Artikel mit der Liste der 200 schwersten Hechte wurde damals in gut und gerne 18 Zeitschriften abgedruckt. Ich schickte immer eine Kopie des Artikels an Fred, der immer sehr geehrt war, wenn er seinen Namen zwischen finnischen, deutschen, spanischen, russischen und norwegischen Wörtern entdeckte. Ehre, wem Ehre gebührt!

Befreit von festen Arbeitszeiten konnte ich jetzt die Hintergründe der Zweifelsfälle ganz gemächlich genauer untersuchen. Im nächsten Teil werde ich dann genauer darauf zurückkommen, mit welchen Tricks gearbeitet wurde, um ganz oben in die Rekordliste zu gelangen.

Frühe 1960er Jahre: Der junge Fred Buller in seinem Angelladen "Chubbs of Edgware".

Fossile Hechte, uralte Angelgeräte und XXL-Lachse

Fred hatte noch einige weitere Buchprojekte in Arbeit. Immer wenn ich in einer der etwa 60 Angelzeitschriften, die ich um 1986 monatlich zugeschickt bekam, etwas über versteinerte Hechte und uralte Angelruten fand, sollte ich Fred darüber informieren. Das machte ich einige Male und er war sehr zufrieden mit den neuen Informationen und Kontakten. So lange ich Fred gekannt habe, so lange war er immer mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigt. Ein paar Beispiele: Er hatte einen Hardy-Angelladen, der das vollständige Sortiment im Angebot hatte. Er war Waffenschmied, verkaufte und reparierte exklusive und sehr teure Jagdgewehre. Dann führte er noch einen Großhandel mit Angel- und Jagdbüchern. Er betreute auch ein großes Jagdrevier, in dem er mit Freunden und Gästen regelmäßig auf die Pirsch ging. Bevor ich es vergesse, er schrieb so einige Bücher, allesamt Klassiker und richtige Bestseller.

Als wir beide zusammen an Pike II arbeiteten, verriet mir Fred seinen größten Wunsch: Er würde gerne ein Buch über die größten Atlantischen Lachse schreiben. Als er in den 1990er Jahren in Pension ging und mehr Zeit hatte, fragte er mich, ob ich ihm bei der Suche nach Lachsen über 50und 60lb helfen wolle. Wenn sie mit der Fliege gefangen wurden, mussten sie minimal 50lb wiegen. Wenn sie mit anderen Kunstködern überlistet wurden oder mit einem Netz aufs Trockene befördert wurden, mussten sie minimal 60lb auf die Waage bringen.

Ich konnte Fred durch meine Kontakte in Skandinavien mit vielen Daten und Fotos aushelfen. Er fing schon an, mich sein Lachs-Frettchen zu nennen. Schlussendlich erhielt ich 2007 aus Freds Händen das Exemplar No. 17 der Edel-Ausgabe des “Domesday Book of Giant Salmon”, wahrlich ein kapitales Buch mit 480 Seiten Lesevergnügen.

Jetzt bleibt mir nur noch, mich bei Fred für sein wertvolles Erbe zu bedanken. Ein Erbe, das mein Leben komplett verändert hat.

Jan Eggers

Jan Eggers erzählt, Teil 2…

Die Jagd auf Großhecht-Fangmeldungen machte Fred Buller berühmt.
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