Darf man beim Pirschen keinesfalls ins Wasser steigen? Ist Brot wirklich der beste Köder? Diese und andere Anglerweisheiten über das Oberflächenfischen auf Karpfen hat Matze Koch überprüft.
An der Oberfläche benutzt man nur Monofilschnur
Diese Aussage kann ich zwar weitgehend unterschreiben, bin aber von einem „Ja“ trotzdem genauso weit entfernt wie von einem „Nein“, weil es stark situationsabhängig ist. Richtig ist, dass Monofilschnur enorme Vorteile hat, weil sie unauffälliger ist und mehr Puffer im Nahbereich bietet, da sich der Angler beim Anhieb extrem dicht am Fisch befindet. Es kann aber durchaus sein, dass man mit Monofil auf Probleme stößt. Die Karpfen stehen fast immer in Seerosen und im Kraut. Seerosenstängel sehen unter Wasser harmlos aus, aber bei Verwendung einer Monoschnur reichen drei Stängel, um die der Karpfen schwimmt, und der Angler hat fast verloren. Mit Geflecht kann man die Stängel regelrecht durchraspeln. Kompromisslösung: vor das Geflecht rund einen Meter 0,50er Fluorocarbon schalten.
Monofilschnur (li.) bietet mehr Puffer im Nahbereich, mit Geflochtener (re.) lassen sich
beispielsweise Seerosen-Stängel leichter durchtrennen.
Stalkerruten fürs Pirschangeln müssen keineswegs kurz sein. Matze hat für Balzer ein spezielles, 3,05 Meter langes Modell entwickelt.
Stalkerruten fürs Oberflächenangeln müssen kurz sein
Unfug! Die Länge der Rute hängt nicht von der Angelmethode ab, sondern von den Gegebenheiten. Richtig ist, dass man mit einer kurzen, leichten Rute prima durchs Unterholz pirschen kann. Völliger Unsinn aber wäre der Einsatz einer solchen Rute an frei zugänglichen, unbewachsenen Ufern. Denn mit einer langen Rute (standardmäßig 3,60 Meter lang) kann man den ultraleichten Köder nicht nur besser rausfeuern, sondern hat auch den Fisch im Drill besser unter Kontrolle, weil der Radius größer ist. An völlig hindernisfreien Ufern, an denen die Flocke weit raus befördert werden soll, würde ich sogar die 3,90 Meter lange Rute nicht ausschließen.
Man kann Karpfen an der Oberfläche kaum fangen, denn sie sonnen sich nur
Richtig ist, dass Sommerkarpfen träge sein können. Richtig ist auch, dass sie fressunwillig sein können. Ich behaupte aber, diese Aussage stammt von Anglern, die keine Geduld mitbringen. Während es für sie völlig normal ist, dass beim Boilieangeln die Bisse oft erst nach Stunden oder Tagen kommen, wollen sie nicht eindenen die Flocke weit raus befördert werden soll, würde ich sogar die 3,90 Meter lange Rute nicht ausschließen. Das Argument der besseren Handlichkeit bei der Pirsch zählt nicht, denn zusammengelegt trägt sich eine 3,90-Meter-Rute auch nicht schlechter als ein 3-Meter-Modell. Natürlich spielen auch die persönlichen Vorlieben und die Körpergröße beziehungswesie die Armlänge eine Rolle. Prinzipiell hat die Methodik „Oberflächenangeln“ aber nur wenig mit einer kurzen Rute zu tun. Denn schon in meiner Sportfischerprüfung (1979) hieß es auf die Frage „Wonach richtet sich die Länge der Angelrute!“ korrekterweise: „Nach der Uferbeschaffenheit.“ sehen, wie lange Karpfen eine potenzielle Mahlzeit begutachten, bevor sie auch nur einen Fressversuch wagen. Wie lange Karpfen stundenlang vermeintlich ziellos um Boilies am Grund herumkurven, kann man in vielen Unterwasser-Filmen bes-tens erkennen. Bei der Brotflocke an der Oberfläche ist es genauso. Meist wird sie bewusst stoisch ignoriert. Ich habe es nicht selten erlebt, dass ein Karpfen, dem ich die Flocke vor dem Rüssel servierte, sich wegdrehte, als würde er sie ignorieren. Nach 15 Minuten wendete er spontan, saugte die Flocke ohne lange zu prüfen ein und ließ das Wasser explodieren. Der Angler ohne Ausdauer hätte gesagt: „Na, der hat eben keinen Hunger!“ Ich behaupte: Auf den Minisnack in Form einer luftig leichten Brotflocke haben Karpfen fast immer Lust. Sie sind nicht nur Allesfresser, sondern auch „Fastimmerfresser“.
Brot ist der beste Oberflächenköder
Ein klares „Ja“! Ich habe so einige Köder an der Oberfläche probiert, über Brot ging jedoch nichts. Weder schwimmendes Hundefutter noch Pop-Up-Boilies ließen sich effektiver als Brot anbieten. Der Gedanke, andere Köder einzusetzen, entspringt meist dem Frust, weil Brot nicht so unbegrenzt belastbar ist wie beispielsweise ein Boilie. Ich verwende seit Jahren nichts anderes als handelsübliches Treibbrot. Ich lasse es kurz quellen, und es hält ausgezeichnet am Haken. Lange habe ich gedacht, es seit nur ein weiterer dummer Trick der Geräte-Industrie, spezielles Angelbrot für die Oberfläche zu verkaufen. Ein altes Brötchen tut es schließlich auch. Das stimmt auch, bringt aber oben genannten Nachteil der kurzen Haltbarkeit mit sich.
„Nichts geht über Brot als Köder für Oberflächen-Karpfen.“ Das steht für Matze eindeutig fest.
Manchmal schlürft ein Karpfen die Flocke endlich ein, und man hat gar nicht bemerkt, dass der Haken aus der Flocke längst zum Grund gesunken war, der Anschlag geht ins Leere.
Das spezielle Treibbrot besitzt einen sehr hohen Bindeanteil und hält auch im nassen Zustand unglaublich lange am Haken. Darum bleibt Brot mein absoluter Topfavorit. Altes Brot vom Frühstückstisch verwende ich, um herauszufinden, ob und wo die Karpfen fressen. Als Hakenköder dient das besagte Treibbrot.
Karpfen sehen gegen den Himmel nicht viel, darum kann der Haken ruhig herausschauen, damit er besser greift
Einspruch! Karpfen sehen ausgezeichnet, und ich verberge meinen Haken immer, so gut es geht, in der Flocke, nur die Spitze lasse ich minimal herausschauen. Ich habe häufig Karpfen beobachtet, die mit ihrer Schwanzflosse nach dem Brot schlagen, um zu testen, ob alles sauber ist. Das Hammer-Erlebnis hatte ich, als eine Flocke beim Servieren an Seerosen auf einem Seerosenblatt landete, und prompt ein Karpfen versuchte, das Brot von dem Blatt zu schubsen. Allein die Silhouette des Brotes genügte dem Fisch, um zu erkennen, dass es was Nahrhaftes ist. Auch Karpfen, die bis auf Lippenkontakt an das Brot schwammen und mit einem großen Schwall wieder abdrehten, habe ich regelmäßig beobachtet. Der Oberflächenangler muss sein Brot ähnlich penibel anbieten, wie der Boilieangler seine Falle scharf macht, denn Karpfen untersuchen alles ganz genau.
So kann man es probieren, besser ist es jedoch, wenn man den Haken möglichst komplett in der Flocke versteckt.
Der Pirschangler muss sich wie ein Indianer anschleichen
Richtig ist natürlich, dass Karpfen, die direkt an der Oberfläche stehen, den Angler gut sehen können. Darum ist die alte Anglertugend, sich ruhig und unauffällig zu verhalten, Gold wert. Aber ähnlich, wie man am Gewässer direkt an einer belebten Straße nachts bedenkenlos mit Weißlicht hantieren kann, weil die Fische es gewohnt sind, ist es natürlich da, wo die Karpfen durch das Füttern von Enten an Brot gewöhnt sind. Da sind sie auch Spaziergänger, Entenfüße, badende Hunde und kreischende Kinder gewohnt. In diesem Fall kann auch der Angler ein wenig rustikaler vorgehen. Selbstredend, dass man nicht angelt, wenn sich Enten in der Nähe befinden. An abgelegenen Stellen habe ich dagegen erlebt, dass Karpfen wilde Fluchten hinlegten, nur weil mein Schatten auf sie gefallen war.
Für die Oberflächenangelei braucht man keine spezielle Ausrüstung
Natürlich kann man mit jeder Karpfenrute an der Oberfläche fischen. Wer aber einmal Blut geleckt hat und den Adrenalinkick eines Karpfens nicht mehr missen möchte, der sich der Brotflocke in Zeitlupe nähert, kommt nicht umhin, sich über eine spezielle Rute Gedanken zu machen. Sie sollte folgende Eigenschaften mitbringen: Sie muss federleicht sein, denn man hat sie wie beim Spinnfischen ständig in der Hand. Die Ringe müssen besonders groß und dennoch filigran ausfallen, um Gewicht zu sparen, denn man wirft ultraleichte Köder. Eine weiche Rute mit viel Pufferwirkung ist von Vorteil (2,5 lb), da man im Nahbereich drillt. Es sei denn, man fischt ständig vor Totholz und Kraut, dann ist mehr Rückgrat gefragt (3,5 lb).
Montierte Rute, Polbrille, Schwimmbrot und Haken – mehr braucht man nicht zum Pirschen.
Die Rolle sollte leicht sein, aber dennoch einen großen Spulendurchmesser besitzen, das erleichtert den Wurf und das Handling. Viel Schnur braucht der Oberflächenangler nicht, darum kann man auf hochwertiges Geflecht zurückgreifen, wenn man Monofil aufgrund von Seerosen oder Kraut nicht einsetzen will. Die Bremse stellt man nicht so stramm ein wie beim Ansitz. Ich bremse im Notfall lieber mit dem Finger nach. Die extrem kurze Distanz bietet selbst bei Monofilschnur nur wenig Puffer, weil kaum mehr als zehn Meter Schnur draußen sind.
Niemals ins Wasser steigen, das verscheucht die Karpfen!
Ein Mythos, der mich seit Langem nervt. Im Kanal ist es kein Problem, vom Ufer aus zu angeln, und auch am See stehen Oberflächenkarpfen naturgemäß meist ufernah. Es gibt aber auch Situationen, in denen man Oberflächenkarpfen besser befischen kann, indem man mit der Wathose ein Stück weit ins Wasser läuft. Man sieht die Fische dann allerdings oft erst sehr spät, durch den ungünstigen Winkel der Wasseroberfläche. Wir haben es beim Anfüttern oder dem Erkunden von Untergründen in neuen Gewässern aber oft erlebt, dass uns die Karpfen regelrecht gegen die Beine schwammen. Die Tritte (die natürlich immer sanft ausfallen sollten), scheinen die Fische im Wasser nicht halb so sehr zu verscheuchen wie vom Ufer aus. Auch beim Spinnfischen mit der Wathose erlebe ich immer wieder Karpfen, denen ich mich bis auf einen Meter nähern kann. Unter bestimmten Umständen kann es also absolut Sinn machen, einige Meter ins Wasser zu waten, um dem Karpfen den Köder vor die Nase zu halten. Eine Scheuchwirkung hat das erstaunlicherweise kaum.
Ein watender Angler stört die Karpfen in der Regel nicht. Man kann den Köder also durchaus direkt vor dem Maul servieren.
Karpfen stehen nur bei Sonnenschein an der Oberfläche
Falsch! Richtig ist, dass Karpfen sich gerne sonnen. Dass sie aber nur bei Sonne oben zu sehen sind, stimmt so nicht. Oft liegt es am Angler, der die Karpfen nur besser findet, wenn die Sonne die oberen Wasserschichten durchflutet. Es gibt sogar Angler, die glauben, weil sie eine schicke Polbrille tragen, müssten sie die Karpfen doch besser finden. Sie sind bei dunklem Wetter enttäuscht, weil die Karpfen unauffindbar sind.
Dass eine Polbrille für den Oberflächenangler selbstverständlich sein sollte, ist klar, allerdings gibt es auch da große Unterschiede. Wer nämlich dunkle Gläser für Sonnentage auch bei Wolkenwetter einsetzt, wird wenig sehen. Dann sind helle Gläser, speziell für dunkle Tage, gefragt. Sie werden sich wundern, wie oft man im Sommer auch bei bewölktem Himmel die Karpfen oben findet. Meist stehen sie dann nicht ganz so dicht unter der Oberfläche, sondern einen Tick tiefer, und man muss genauer hinsehen, um die Konturen schemenhaft zu erkennen.
Beim Karpfenangeln braucht man generell auch einen Karpfenkescher
Wer seinen Ansitz-Kescher liebt, soll ihn ruhig beim Pirschen mitnehmen. Aber ich fürchte, derjenige nimmt auch sein Wochenendhaus mit in den Urlaub. So unhandlich ist nämlich ein Karpfenkescher: meist Bügel von über einem Meter, schwer und langer Stiel von 1,80 Metern. Beim Ansitz perfekt, bei der Pirsch hingegen ist ein solcher Riesenkescher nicht empfehlenswert. Daher setze ich einen leichten, handlicheren Raubfischkescher mit gummiertem Netz ein. Der lässt sich besser tragen und handhaben. Denn beim Oberflächenangeln muss man schon mal in den Seerosen herumstochern, und die Ufer kann man sich nicht aussuchen.
Pirschangler sollten den handlicheren Raubfischkescher (re.) dem sperrigeren Ansitz-Modell eindeutig vorziehen.
Gleiches gilt für die Abhakmatte. Natürlich ist die sehr fischschonend, aber wer kann/will schon Matte, Kescher, Rute und Box mitschleppen? Da vergeht einem die Lust schon, bevor es richtig losgeht. Hohes Gras, Moos oder Schilf lassen sich bestens befeuchten. Wenn man nur einen Karpfensack dabei hat als Ablage oder bei kleineren Fischen den Kescher nutzt, kann man sie bestens dort ablegen, ohne dass sie sich verletzen. Nur wenn ich in der Innenstadt fische, wo ausschließlich gepflasterte Flächen zu finden sind, nehme ich eine leichte Matte mit.
Beim Biss sofort anschlagen!
Es scheint nahezuliegen, sofort anzuschlagen, wenn der Karpfen das Brot nimmt. Aber gerade dem Einsteiger rate ich dringend davon ab. EINE Sekunde sollte mindestens Zeit sein, um den Anschlag zu setzen, denn oft nehmen die Karpfen die Flocke nur vorsichtig prüfend zwischen die Lippen, bevor es erst in der nächsten Sekunde im Maul verschwindet. Dann ist der Frust groß, wenn man nach langer Wartezeit bei Bruthitze den Biss bekommt, und der Anschlag dennoch ins Leere geht. Wer sich partout nicht beherrschen kann und mehrere Fehlbisse hinnehmen musste, dem rate ich sogar, in der Wartephase die Rute ins Gras zu legen. Damit erzwingt man diese wichtige Sekunde. Die Hand kann dabei ruhig auf der Rute bleiben.
Karpfen im Drill. Vor dem Anhieb sollte man rund eine Sekunde lang warten, damit der Fisch den Köder auch richtig genommen hat.
Karpfen, die oben stehen, lassen sich leichter ausdrillen
Unsinn! Der Moment des Anschlags ist natürlich nicht zu vergleichen mit einem Fisch, den man während eines Vollruns mit klassischer Methode anschlägt, denn an der Oberfläche explodieren die Fische regelrecht. Das schafft kein Karpfen, der an einer Grundmontage gehakt wurde. Aber auch von der Ausdauer her halten Fische im Oberflächendrill oft länger durch. Sie kommen meist aus einer absoluten Ruhephase (und beißen nicht während einer langen Fresstour), das Wasser ist warm, und dementsprechend leistungsfähig ihr Körper. Darum entfalten die Karpfen beim Oberflächendrill ihre größte Kraft.
Das kann sich allerdings auch ins Gegenteil verkehren, wenn in flachen Gewässern durch anhaltende Hitze der Sauerstoffgehalt niedrig ist. Dann sollte man die Karpfen aber besser gar nicht erst befischen, ab 24 Grad Wassertemperatur lasse ich die Rute zu Hause.
Die Hakenwahl ist beim Oberflächenangeln egal
Der Haken muss in erster Linie beim Anschlag greifen und ist nicht Bestandteil einer ausgeklügelten „Falle“ wie beim Grundangeln, bei der Nadelschärfe wichtig ist. Als ich mal mitten im Winter Karpfen an der Oberfläche fressen sah, hatte ich nur Aalhaken dabei, die schlank und mit Bogen versehen waren. Es hat super damit geklappt.
In jedem Fall aber muss der Haken zum Oberflächenfischen sehr stabil sein. Denn aufgrund der geringen Hakdistanz wirken auch bei weicher eingestellter Bremse unglaubliche Kräfte. Darum wähle ich dickdrahtige Haken, die nicht aufbiegen können, beispielsweise den „Carpleads Univerza“ in der Größe 2 bis 6.
Stabile, dickdrahtige Haken sind beim Angeln an der Oberfläche Pflicht.
Modelle mit langem Schenkel oder nachgeahmte „Line Aligner“ sind hier fehl am Platz. Früher habe ich große Haken verwendet, weil ich mir einredete, die würden im Drill besser halten. Heute gehe ich mehr und mehr auf Größe 6 zurück, wie auch beim Ansitz. Solche kleineren Ausführungen kann ich besser in der Flocke verstecken, sie sitzen aber dennoch bombenfest und greifen erstklassig.